Luxemburg / „Müssen unsere Rechte verteidigen“: Warum Menschen bei der Pride Week ein Zeichen setzen
Ob zum „Luxembourg Pride Run“, der Konferenez „Pride Unfiltered“ oder zum Straßenfest beziehungsweise dem „Equality March“ in Esch – die „Pride Week“ 2024 zog in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen auf ihre Veranstaltungen. Bei Gesprächen vor Ort verrieten sie, weshalb ihnen die Teilnahme am Herzen liegt.
„Eine Freundin von mir ist transsexuell und ich will ihr zeigen, dass ich sie unterstütze. Deshalb bin ich heute hier“, erklärt Amber Gill, weshalb es sie an diesem Donnerstagabend zum „Luxembourg Pride Run“ in der Hauptstadt gezogen hat. Die 13-Jährige aus Bettemburg erzählt weiter, dass die Freundin zwar nicht an der Veranstaltung teilnimmt, Amber so aber dennoch zeigen will, dass diese auf sie zählen kann. Zum ersten Mal nimmt die Schülerin an dem bunten Lauf teil, der 2023 erstmals in der Hauptstadt organisiert wurde. Mit Freunden und Erwachsenen, die sie dabei bestärken, ist sie gekommen.
Auch Ellis Goodhew will ihre Unterstützung ausdrücken. „Das hier ist eine spaßige Art und Weise, das zu tun“, sagt die 32-Jährige. Sie findet, dass es mehr Veranstaltungen dieser Art in Luxemburg geben sollte, um zu zeigen, dass die Gemeinschaft zusammensteht. Ellis Goodhew stellt fest: „Es ist schon besser geworden.“ Sie und Charles Goodhew werden an diesem Abend ihr Bestes geben, um fünf Kilometer zu laufen. Er erzählt lachend: „Ich bin gekommen, um eine gute Zeit zu haben und meinen Rückhalt auszudrücken. Und: Es ist ein guter Grund, um Sport zu treiben.“
Spaß haben und dabei etwas für die gute Sache tun – das sind auch für Sandrine Colot Gründe, um beim „Pride Run“ gemeinsam mit zwei Freundinnen zehn Kilometer zurückzulegen. „Wir wollen zeigen, dass man offen sein und Menschen nicht verurteilen oder in Kategorien einteilen soll“, erklärt die 48-Jährige. Und noch etwas hat die in Luxemburg arbeitende Belgierin an diesem Tag in die Hauptstadt gezogen: „Auf diesem Weg kann ich die Stadt entdecken und andere Ecken kennenlernen.“ Sandrine Colot ist eine von mehr als 3.000 Menschen, die sich laut den Veranstaltern für die diesjährige Ausgabe registriert haben.
Im vergangenen Jahr gab es 1.500 Anmeldungen. Eine davon von Amaryllis Jung. Für sie war klar, dass sie auch 2024 teilnimmt, wie sie am Donnerstagabend in Luxemburg-Stadt berichtet. Denn: „Das Konzept ist cool und in Luxemburg hört man noch nicht so viel von der LGBTQ+–Gemeinschaft. Dabei ist das Land in vielen Dingen sehr offen, solche Veranstaltungen gehören da einfach dazu.“ Die 25-Jährige aus der Hauptstadt freut sich besonders darüber, dass die „Pride“ inzwischen auch dort angekommen ist: „Das Straßenfest und der Egalitätsmarsch finden in Esch statt und ich finde es gut, dass es nun auch hier ein Event gibt.“
Regenbogen-Flaggen in Esch
Stichwort Straßenfest und Egalitätsmarsch in Esch. Szenenwechsel, nur zwei Tage später: Was vor 25 Jahren mit ein paar Informationsständen auf dem Kapuzinerplatz begonnen hat, ist mittlerweile zu einer Großveranstaltung geworden. 3.000 bis 4.000 Menschen sollen laut Veranstalter am Samstag vor Ort gewesen sein, für Sonntag wurden sich ebenso viele Personen erwartet. „Es sind definitiv mehr als letztes Jahr“, meint eine der Teilnehmerinnen während des Egalitätsmarschs am Samstag.
Unter den Tausenden, die Regenbogenfahne-schwingend durch die Escher Innenstadt ziehen, sind auch die Freundinnen Anoui (16), Ashton (19), Melo (15), Lee (15), Lizzy Lynn (16) und Elodie (15). Sie gehören zu den jüngeren Teilnehmerinnen am Samstag. Ihnen ist es wichtig, Farbe zu bekennen „Wir haben hier die Freiheit, zu sein, wer wir sind“, sagt Ashton gegenüber dem Tageblatt. „Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen unsere Rechte verteidigen, denn man sieht in Europa, wie schnell diese wieder weggenommen werden können. Und solange nicht überall auf der Welt Gleichberechtigung herrscht, müssen wir uns einsetzen.“
„Wir haben hier die Freiheit, zu sein, wer wir sind“Teilnehmerin des „Equality March“
Beim sogenannten „Street Fest“ verteilt Domenico am Stand von „Egalité“, einer Organisation der LGBTQIA+-Mitarbeiter in den EU-Insitutionen, fleißig Flyer. „Es ist uns wichtig, uns auch lokal für die nationalen Belange einzusetzen“, erklärt er die Präsenz seiner Organisation in der Rue Helen Bucholtz, wo zahlreiche Stände zwischen den beiden Bühnen aufgestellt wurden. „Ich finde die Pride an sich auch super wichtig. Es gibt noch so, so viel zu tun. Dafür bietet die Pride die ideale Plattform. Man sollte sich natürlich das ganze Jahr für unsere Rechte einsetzen, doch an diesem Wochenende sind wir halt besonders sichtbar.“
Gaby Weyrich hat es sich derweil mit einer Freundin und ihrem Cousin am Rande des kleinen Gartens auf dem Rathausplatz gemütlich gemacht und verfolgt von hier aus die Show. Es ist nicht ihre erste Pride, erzählt sie und grüßt Claude Grethen von Delux Showgirls, als er kurz vorbeieilt. „Ich möchte die Community unterstützen, so wie die anderen, die hier sind, auch“, meint sie. Sichtbarkeit sei enorm wichtig.
Wachsende Beliebtheit
Hinter der Bühne herrscht derweil geschäftiges Treiben. Drag-Queens bereiten sich auf ihre Auftritte vor, Musiker checken noch einmal ihre Instrumente, dazwischen wird gelacht und das ein oder andere Bier getrunken. Inmitten der Hektik finden Mike Schmitz, Oberhaupt der Fadas Family und Claude Grethen einen paar Minuten, um mit dem Tageblatt zu sprechen. „Wir sind die älteste Travestie-Show in Luxemburg“, erzählen Grethen und Schmitz stolz. „Es gibt uns seit 1978, schon Jahre vor der ersten Pride-Veranstaltung. Wir haben das hier angekurbelt. Und sind auch seit der allerersten Pride mit dabei. Das ist einfach ein Must, solange es sie in Luxemburg gibt.“
Beide freuen sich über den enormen Zulauf, die die Veranstaltung mittlerweile hat. „Es zeigt, dass die Menschheit toleranter wird“, sagt Schmitz – und erinnert an andere Zeiten, als „wir mit Eier und Tomaten beworfen wurden.“ Fadas Family und Delux Showgirls stünden gemeinsam „an jedem Wochenende an erster Front“ – und vertreten Luxemburg auch im Ausland, zum Beispiel bei der Pride in Düsseldorf.
Zurück in der Rue Helen Bucholtz warten Olivier und Oliver zwischen den Essensständen auf ihre Freunde. Für Oliver, der English spricht, ist es die allererste Pride in Luxemburg. „Ich bin im Oktober hierhin gezogen und entdecke das Land erst.“ Beide finden es eine gute Veranstaltung, haben aber auch Kritikpunkte. „An diesem Wochenende sind keine Züge nach Esch gefahren, das macht die Anreise einfach unmöglich“, sagt Olivier. „Ich denke, das hat auch manche abgeschreckt. Hätte man nicht einen ‚Pride-Express-Bus’ vom Glacis aus organisieren können, wenn die Veranstaltung schon hier im Süden ist?“ Oliver schlägt derweil vor, man könnte die Pride in jedem Jahr an einem anderen Ort in Luxemburg organisieren: „Dann kann man das ganze Land kennenlernen!“
Mehr zu diesem Thema:
– Pride, Politik, Pitcher: Kneipengespräch mit Tilly Metz und Marc Angel
– Editorial: Have a little Pride
– Luxemburg in Regenbogenfarben: So bunt waren die Läufer beim Pride Run unterwegs
– Zwischen Angst und Stolz: Drei LGBTQIA+-Personen berichten von Erlebnissen im öffentlichen Raum
– Yannick Schumacher berichtet von Angriff in Düdelingen – und der „Angst, dass niemand einem Schwulen helfen will“
- „Gladiator II“ knüpft an einen Filmklassiker an, doch gelingt die Fortsetzung? - 25. November 2024.
- Im Nahen Osten droht Trump’sches Chaos - 25. November 2024.
- Max Verstappen: Weltmeister in Las Vegas - 25. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos