Gender-Pay-Gap / Wie die Gesellschaft die Lücke schließen kann
Frauen verdienen weniger als Männer – auch in Luxemburg. Warum das so ist und wie man das ändern kann: Die Expertin Rosa Brignone klärt auf.
Die Gender-Pay-Gap (GPG) schlägt in Luxemburg zugunsten der Frauen aus – zumindest was den Stundenlohn angeht. Der Unterschied liegt aus Sicht der Männer bei -0,7 Prozent. Das geht aus einer Statec-Studie aus dem März hervor. Doch der Indikator wird auf Grundlage des Durchschnittslohns berechnet. Betrachtet man das Jahreseinkommen, tut sich noch immer eine Lücke zugunsten der Männer auf: Frauen verdienen 3.293 Euro weniger. Rosa Brignone, die Gründerin und Präsidentin von „Time For Equality“, erklärt auf Anfrage des Tageblatt, warum das so ist.
Einen Unterschied beim Durchschnittsgehalt (Vollzeitäquivalente) zwischen Frauen und Männern gibt es laut Brignone „aufgrund der vielfältigen Ungleichheiten, mit denen Frauen bei der Teilnahme am Arbeitsmarkt immer noch konfrontiert sind“. Zu diesen Ungleichheiten gehöre die „sektorale Segregation“, also die Überrepräsentation von Frauen in „relativ schlecht bezahlten Sektoren“ wie der Pflege- oder Reingigungssektor – oft in Verbindung mit Teilzeit und befristeten Verträgen. Außerdem würden die ungleiche Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit aufgrund traditioneller Geschlechterrollen und die „gläserne Decke“, die den Zugang zu höheren Positionen einschränkt, sich auf das Lohnniveau von Frauen auswirken.
„Teilaspekt einer komplexen Realität“
Den Unterschied beim Stundenlohn zugunsten der Frauen „ist nur ein Teilaspekt einer komplexen Realität“, sagt Brignone. Der GPG müsse angepasst werden und weitere Faktoren berücksichtigen: die Höhe des Gesamteinkommens, die Beschäftigungsquote von Frauen und Teilzeitregelungen. Luxemburg besäße eine niedrige Beschäftigungsquote von Frauen, aber gleichzeitig würden viele davon in Sektoren mit hohen Gehältern arbeiten – weswegen ein geringes geschlechtsspezifisches Lohngefälle beim Stundenlohn auftrete. Zudem sei Luxemburg ein Land mit einem „atypischen“ Arbeitsmarkt. Hoch spezialisierte Arbeitskräfte und die Grenzgänger wurden Schlussfolgerungen aus „durchschnittlichen“ Indikatoren schwierig machen.
Die Kluft beim tatsächlichen Einkommen von Männern und Frauen liegt laut Statec sogar bei 13,7 Prozent. „Diese Diskrepanz spiegelt die anhaltenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Gesellschaft wider“, sagt Brignone. Die unbezahlte Betreuungsarbeit und die Häufigkeit von Teilzeit würden sich hier besonders bemerkbar machen. Laut Eurostat hätten im dritten Quartal 2023 in Luxemburg mehr als 30 Prozent der Frauen in Teilzeit gearbeitet, während es bei den Männern weniger als 10 Prozent waren.
Diese Ungleichheit setze sich auch bei den Renten fort. Das Rentengefälle sei „das Ergebnis der kumulativen Ungleichheiten, denen Frauen während ihres gesamten Arbeitslebens ausgesetzt sind“, sagt Brignone. Besonders in Luxemburg sei dies ein Problem: 2019 habe das Großherzogtum die höchste Rentenlücke der EU aufgewiesen. Die Situation habe sich aber „leicht verbessert“. Trotzdem seien die Renten von Frauen immer noch im Durchschnitt 36 Prozent niedriger als die von Männern.
„Ein positiver, wenn auch langsamer Trend“
Trotzdem sei in Luxemburg als auch in der EU ein „positiver, wenn auch langsamer Trend“ zu sehen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Gleichstellung der Geschlechter sowohl auf globaler als auch auf europäischer Ebene immer mehr in den Mittelpunkt rückt. Die EU-Gleichstellungsstrategie und die Förderung von Gender-Mainstreaming trügen dazu bei. Letzteres bezeichnet die Verpflichtung, bei allen Entscheidungen die unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen in den Blick zu nehmen.
Um die Kluft ganz zu schließen, müsse sich die Gesellschaft der Ursachen für den Gender-Pay-Gap bewusst werden – und konkrete Maßnahmen dagegen ergreifen. „Die Ungleichheit beginnt weit vor der Beschäftigung, mit stereotypen Geschlechterrollen“, sagt Brignone: zu Hause, in der Schule, beim Sport, bei kulturellen Aktivitäten und in den Medien.
Insbesondere Arbeitgeber müssten sich bei der Einstellung und Förderung von Mitarbeitern geschlechtsspezifischer Vorurteile bewusst sein. Denn Gehalt und Einkommen seien Teile eines Prozesses, der zu „echter finanzieller Unabhängigkeit führt“.
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