Forum / Rentengerechtigkeit ist Bestandteil von Verteilungsgerechtigkeit
Die Diskussionen über die von der Regierung angekündigte Pensionsreform sollen im Herbst beginnen. Die diesbezüglichen, im Koalitionsprogramm angekündigten Maßnahmen sind nicht dazu angetan, unser bewährtes Rentensystem, das auf intergenerationeller Solidarität beruht, zu verbessern. So sollen die privaten Zusatzrenten auf Kosten der allgemeinen öffentlichen Pensionsversicherung gefördert werden. Dies muss als weiteren Schritt gesehen werden, um unsere Sozialversicherungssysteme zu privatisieren.
Anstatt negative Reformen auf den Weg zu bringen, wären positive Reformen dringend geboten, um unser aktuelles Rentensystem zu verbessern. Laut Statistiken hat die Altersarmut bei uns in rezenter Vergangenheit stark zugenommen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da die Mindestrenten weit unter dem Wert liegen, der ein Abrutschen in die Armut zu verhindern soll. Frauen sind hiervon stärker betroffen als Männer. Dies kommt daher, dass Frauen oft noch über eine unvollständige Versicherungslaufbahn verfügen und oft während ihrer aktiven Zeit auf den unteren Stufen der Lohnhierarchie standen.
Eine Aufbesserung der Mindestpensionen wäre dringend geboten, um den betroffenen Menschen im Alter ein Leben in Würde zu ermöglichen. Weiterhin sollte man nicht außer Acht lassen, dass geringe Löhne während der aktiven Zeit geringe Renten im Alter nach sich ziehen. Eine strukturelle Erhöhung des Mindestlohns würde die diesbezüglich heutigen Aktiven vom Armutsrisiko befreien und sich späterhin auf deren Pensionshöhe auswirken. Daneben würde eine solche Maßnahme der Rentenversicherung zusätzliche Beitragseinnahmen bescheren. Wie weiter oben bemerkt, resultieren geringere Renten bei Frauen sehr oft aus einem geringeren Einkommen während des Berufslebens.
Auch heute noch haben viele Frauen Schwierigkeiten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Dies, weil ihnen immer noch, auch in Partnerschaften, die Rolle zufällt, sich um die Familie zu bekümmern. Viele arbeiten deshalb Teilzeit, was während der aktiven Zeit geringere Löhne und im Alter geringere Renten nach sich zieht.
Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung könnte hier Abhilfe schaffen. Dies würde es Frauen und Männern erlauben, die Hausarbeit besser aufzuteilen, sodass beide eine Vollzeitbeschäftigung ausüben könnten. Leider ist eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung im aktuellen Regierungsprogramm nicht vorgesehen. Dabei würde sich eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit aufdrängen. Die aktuelle 40-Stunden-Woche wurde 1970 eingeführt und 1975 auf alle Beschäftigten ausgedehnt. Seither hat die Produktivität stark zugenommen und wird wegen zunehmender Automatisierung weiter zunehmen.
Hinzu kommt, dass die Arbeitslosigkeit bei uns wieder stark steigt. Eine Arbeitszeitverkürzung würde auch hier Abhilfe schaffen. Die Zunahme der Beschäftigung würde sich zudem positiv auf das Beitragsvolumen der Sozialversicherungen auswirken.
Für Verteilungsgerechtigkeit
Die Finanzierung unserer Sozialversicherungen, und damit auch der Pensionen, ist eng verbunden mit der Verteilung des erwirtschafteten Reichtums. Die primäre Umverteilung des erwirtschafteten Mehrwerts geschieht bekanntlich über Löhne und Gehälter. Die Produktivitätsgewinne wurden in den vergangenen Jahren zuungunsten der Arbeitnehmer aufgeteilt. Zusätzlich zur Mindestlohnerhöhung wären Lohn- und Gehälteraufbesserungen in vielen Sektoren erforderlich, was sich positiv auf die Finanzen der Sozialversicherungen auswirken würde.
Eine weitere Verteilung geschieht bekanntlich über Steuern, die der Staat einnimmt, um in der Sozialpolitik zu intervenieren, soziale und öffentliche Dienstleistungen anzubieten und Infrastrukturen zu finanzieren. Unser Steuersystem muss in erster Linie genügend Einnahmen generieren, damit der Staat und die Gemeinden ihre Pflichten gegenüber den Bürger wahrnehmen können. Es muss aber auch sozial gerecht sein. Der Belastbarkeit der Haushalte und der Betriebe muss Rechnung getragen werden.
Von einem sozial gerechten Steuersystem sind wir weit entfernt. Die Steuerlast hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weg von den Betrieben hin zu den Haushalten entwickelt. Hinzu kommt, dass auf Kapitaleinkünften weit weniger Steuern bezahlt werden als auf Lohn- und Renteneinkommen. Eine sozialgerechte Steuerreform, die die niedrigen und mittleren Einkommen entlastet, die hohen Einkommen und Kapitaleinkünfte sowie die Vermögen stärker belastet, würde dem Staat zusätzliche Einnahmen bescheren, mit denen er seinen Beitrag zur Finanzierung der Pensionsversicherung erhöhen könnte.
Anstatt die privaten Zusatzversicherungen steuerlich zu begünstigen, wäre es weitaus sinnvoller, die allgemeine Pensionsversicherung finanziell zu stärken. Bei der Reform der Rentenversicherung wird es sich entscheiden, ob eine neue Welle der Umverteilung von unten nach oben eingeleitet wird, oder ob eine Trendumkehr zu mehr Verteilungsgerechtigkeit und zu sozial abgesicherten Renten möglich sein wird.
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