Statec / Kinderarmut: Luxemburg hat eine der schlechtesten Quoten in Europa
Im Jahr 2023 haben Armutsrisiko und Ungleichheiten in Luxemburg nicht zugenommen. Verglichen mit der Zeit von vor 20 Jahren hat sich die Lage jedoch verschlechtert. Das geht aus einem neuen Bericht hervor, den Statec am Dienstag vorgestellt hat. Leidtragende sind vor allem Kinder.
„Seit nunmehr 20 Jahren wird der Bericht ,travail et cohésion sociale‘ erstellt“, erinnert sich noch Statec-Direktor Serge Allegrezza. „Damals war es ein verrücktes Projekt. Die vielen unterschiedlichen Daten zu Arbeitsmarkt und Lebensqualität zusammenzufassen.“ Über die Jahre hinweg ist der Bericht dann zu einer Referenz geworden. Auch andere Organisationen, die Analysen zur sozialen Lage im Lande verfassen, finden hier ihre Daten.
Um mehr als 200.000 Menschen ist die Luxemburger Bevölkerung in dieser Zeit gewachsen, so Allegrezza. „75 Prozent der Leute in Luxemburg haben einen Migrationshintergrund.“ Zugelegt in dieser Zeit hat auch das Armutsrisiko, jedoch nicht jedes Jahr, abhängig meist von wirtschaftlichen Begebenheiten. Lag es vor 20 Jahren noch bei rund zwölf Prozent, so sind es mittlerweile 18,3, leicht weniger als im Vorjahr (18,8). Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens (Median) verdient.
Die Geburtenrate ist weiter deutlich zurückgegangen. Mit 1,25 Kindern pro Frau hat sie 2023 einen neuen Tiefpunkt erreicht, nach 1,31 im Vorjahr. Seit den 2000er Jahren ist dies ein konstanter Trend, so Statec. Es ist auch eine zunehmend spätere Mutterschaft zu beobachten, mit einem Durchschnittsalter von 31,2 Jahren für die erste Mutterschaft im Jahr 2023. Die beliebtesten Vornamen im Jahr 2023 waren Emma und Gabriel.
Dabei sind es hierzulande Kinder (unter 18-Jährige), die dem Armutsrisiko am meisten ausgesetzt sind, unterstreicht Guillaume Osier am Dienstagmorgen. Bei ihnen liegt das Armutsrisiko bei stattlichen 24 Prozent. „Luxemburg zählt damit zu den Schlechtesten in Europa“, so der Statistiker. Nur Rumänien, Spanien, Bulgarien und Italien schneiden noch schlechter ab. Bei den über 65-Jährigen ist die Quote hierzulande deutlich besser. Nur rund elf Prozent von ihnen gelten als armutsgefährdet.
Dank Sachleistungen (Chèque-service accueil) könne die Quote bei Kindern zwar auf 20 Prozent reduziert werden, bleibe aber trotzdem schlecht. Besonders dem Armutsrisiko ausgesetzt bleiben, mit 44 Prozent, Alleinerziehende, so Osier weiter.
Auch bei der Beständigkeit des Armutsrisikos sind meist Kinder die Leittragenden, sagt Osier. Rund die Hälfte der Leute, die in einem Jahr als arm gelten, sind es im kommenden Jahr nicht mehr. Nur acht Prozent der Bevölkerung sind Jahr für Jahr der Gefahr der Armut ausgesetzt. Bei Kindern sind es jedoch 15 Prozent.
Die Bildung macht den Unterschied
Das Jahresdurchschnittsgehalt lag in Luxemburg 2022 bei mehr als 75.000 Euro. Jedoch wird der Durchschnitt durch einige wenige sehr hohe Gehälter stark nach oben getrieben, erläutert Paul Reiff im Rahmen der Vorstellung des Berichts. Im Median-Durchschnitt liegt das Jahresgehalt nur bei 58.000 Euro.
Sehr groß sind die Unterschiede auch zwischen einzelnen Sektoren, hebt Reiff weiter hervor. Am besten werde im Finanzsektor verdient – am schlechtesten im Horeca-Bereich. Ganz deutlich sei dabei jedoch der Unterschied, den die Ausbildung mache. Wer gut verdiene, habe meist auch einen Universitätsabschluss. Das erkläre größtenteils auch, warum Grenzgänger weniger verdienen als Luxemburger oder ausländische Bürger, die in Luxemburg leben.
Eine weitere interessante Erkenntnis aus dem Bericht ist, dass mittlerweile sechs Prozent der Grenzgänger (oder 2,9 Prozent der Beschäftigten) Menschen mit Luxemburger Nationalität sind, die aus Gründen der Lebenshaltungskosten entschieden haben, im nahen Ausland zu leben.
Frauen weiter auf der Überholspur
Was den Unterschied der Verdienste nach Geschlechtern angeht, so hebt Statec erneut hervor, dass Luxemburg mittlerweile das einzige Land Europas ist, in dem Frauen im Schnitt einen (leicht) höheren Stundenlohn erhalten als Männer. Hintergrund sei dabei auch hier die Ausbildung und die Art der Arbeit. So arbeiten beispielsweise 85 Prozent der Frauen in Büros und 63 Prozent der Männer als Arbeiter. In Sektoren, die im Schnitt schlechter bezahlen (z.B. Bauwesen, Industrie, Transport) arbeiten 39 Prozent der Männer, aber nur neun Prozent der Frauen.
Hintergrund dieser Entwicklung ist hauptsächlich das höhere Bildungsniveau der Frauen, so Reiff. In Zukunft werde sich dieser neue Trend damit auch noch weiter verstärken, sagt er voraus. Aktuell ist der Schnittpunkt bei den 44-Jährigen: Bei denen, die älter sind, verdienen Männer im Schnitt mehr, bei den jüngeren die Frauen. „Der Unterschied zugunsten der Frauen wird in Zukunft also noch weiter wachen“, sagt er.
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