Parteikongress / Neue Dynamik mit bekannten Gesichtern: „Déi gréng“ wählen neue Parteispitze
Nach einem Jahr der Wahlniederlagen wählen „déi gréng“ beim Parteikongress in Leudelingen eine neue Parteiführung. Von Tristesse ist nichts zu spüren, stattdessen gibt es bissige Kritik an abwesenden Ministern – und große Pläne von der neuen Spitze.
Das Ergebnis hat am Ende niemanden überrascht: Die grüne Basis hat am Samstagvormittag auf dem Parteikongress in Leudelingen mit deutlicher Mehrheit Stéphanie Empain und François Benoy zur neuen Parteispitze von „déi gréng“ gewählt – Gegenkandidaturen gab es nicht. Die beiden ehemaligen Abgeordneten lösen das Duo Djuna Bernard und Meris Sehovic ab, die das Amt der Parteipräsidenten fünfeinhalb Jahre innehatten. Empain und Benoy saßen von 2019 bis 2023 für „déi gréng“ in der Chamber, wurden aber bei den vergangenen Nationalwahlen nicht wiedergewählt.
Sie sei bereit, der Partei zurückzugeben, was sie im politischen Betrieb des Parlaments in den vergangenen Jahren gelernt habe, sagt Stéphanie Empain in ihrer Kandidatinnenrede. „Der politische Antrieb verschwindet ja nicht, wenn man nicht mehr in der Chamber sitzt.“ Die Präsidentin des Leichtathletikverbands spricht von Empathie als persönlicher, aber auch politischer Haltung. Sie sei neben Respekt, Toleranz und Offenheit ein zentraler Wert grüner Politik. Werte, an denen sie ihre Präsidentschaft orientieren möchte, so Empain. Auch François Benoy hat nach der bitteren Wahlniederlage der Grünen keinen Tag an seinem politischen Engagement gezweifelt. „Wenn die Zeiten stürmisch sind, sehen wir, wer wirklich grün ist.“ In der Politik brauche es einen langen Atem, das wisse er als Marathonläufer, so Benoy. Das Mitglied des Gemeinderats von Luxemburg-Stadt will sich für eine Politik einsetzen, die Brücken baut, statt Ängste zu schüren.
Unsere Superpower war Zusammenhalt
Ihre Vorgänger Bernard und Sehovic verabschieden sich in Leudelingen mit kämpferischen Reden über ihre Arbeit als Abgeordnete in der Opposition. Die Regierung mache Politik „als Management des Status Quo ohne Weitsicht, ohne Ambitionen“, sagt Bernard. Die Grünen hingegen seien weiterhin eine Zukunftspartei, die für „vorausschauende, progressive Politik“ stehe, so Sehovic. Das sei eine der Konklusionen aus den Debatten und Analysen, die die Partei nach den verlorenen Nationalwahlen angestoßen hatte. „Wir sind und bleiben Optimisten“, sagt Sehovic. Ein gutes Leben sei möglich für jeden in diesem Land.
Die Grünen verabschieden ihre Parteispitze mit einem langen Applaus, Jubelrufen und Standing Ovations. Sollten die Ergebnisse der vergangenen Wahlen die Stimmung getrübt haben, ist davon an diesem Tag nichts mehr zu spüren. Auf der Bühne wird es emotional: Bernard bricht bei ihrer Dankesrede die Stimme, ihr kommen die Tränen. Nach fünfeinhalb Jahren endet die Zeit von „Djeris“, dem Power-Couple-Namensamalgam aus Djuna und Meris, wie sie sich selbst augenzwinkernd nennen. „Zusammenhalt war unsere Superpower“, sagt Bernard. „Wir konnten uns blind aufeinander verlassen“, ergänzt Sehovic.
Mitgerissen und mitreißend zeigt sich auch die grüne Europa-Abgeordnete Tilly Metz, die sich bei der Parteibasis für die Unterstützung bei der Europawahl-Kampagne bedankt. Sie verspricht, die potenziellen EU-Kommissare bei ihren Anhörungen in den kommenden Wochen „zu grillen“, und auf ihre Umwelt-, Klima und Sozialziele zu prüfen. Metz warnt einmal mehr vor einer Diskursverschiebung nach rechts außen. „Ignorieren können wir die Rechtsextremen nicht mehr, dafür haben sie zu viele Leute gewählt“, sagt die EU-Parlamentarierin. „Wir müssen denen, die Europa kaputt machen wollen, mit Argumenten begegnen.“ Tammy Huberty und Kris Hansen, die beiden Sprecher von „déi jonk gréng“, fordern die Partei dazu auf, ihr Kernthema Klimapolitik zu stärken, und warnen vor einem konformistischen Kurs, wie ihn die Schwesterpartei in Deutschland gerade einschlage: „Eine grüne Partei ist immer migrantenfreundlich und antifaschistisch“, so Hansen.
Die bissigste und unterhaltsamste Rede an diesem Vormittag hält jedoch Sam Tanson, Chefin der „sensibilité politique“ der Grünen im luxemburgischen Parlament. Zuerst verschmilzt sie CSV und DP zu einer einzigen Partei („Eigentlich haben wir nur noch eine Regierungspartei“), nur um der CSVDP dann einen Buchstaben nach dem anderen mit Verweis auf die politischen Entscheidungen der vergangenen Monate wieder abzuerkennen – bis am Ende einfach nur „P, die Partei“ übrig bleibt. Die Partei habe, so Tanson, auch deshalb nur einen „Leader“ Luc Frieden, weil alle anderen Minister sich gerne wegducken. Zum großen Amüsement des Saals blendet Tanson drei Vermisstenmeldungen ein: Kooperationsminister Xavier Bettel („Ist einmal im Monat im Land, um dann den Christian Lindner zu geben und Staatsbudget über Menschenrechte zu stellen“), Arbeitsminister Georges Mischo („Redet lieber über Sport, ist vielleicht besser so“) und Umweltminister Serge Wilmes. Alle seien sie froh, dass Premier Frieden die „Drecksarbeit“ für sie mache, sagt Tanson. „Außer Léon Gloden, der gerne Sheriff spielt.“
Den mit Abstand längsten Applaus des Tages bekommt jedoch ein anderer: der frischgebackene Politik-Rentner François Bausch, dem Sam Tanson in ihrer Rede mit wärmsten Worten dankt: „Ich weiß nicht, wie viele Leute hier sitzen, die nicht hier sitzen würden, wenn du nicht wärst.“
Drei Fragen an …
… die beiden neuen Präsidenten von „déi gréng“: Stéphanie Empain und François Benoy
Tageblatt: Auf dem Kongress war viel die Rede von neuer Dynamik für die Partei. Was wollen Sie anders machen als Ihre Vorgänger Bernard und Sehovic?
François Benoy: Die Partei ist den letzten Jahren gut geführt worden. Wir wurden alle von dem Wahlergebnis im vergangenen Jahr überrascht. Es geht nicht darum, so viel anders zu machen. Es geht darum, die Dynamik weiterzuführen, die Djuna und Meris angefangen haben. Es wurde im vergangenen Jahr sehr viel mit der Parteibasis gesprochen. Wir müssen uns programmatisch weiterentwickeln. Was ist unsere konkrete Vision für morgen? Und wir müssen an unserer Kommunikation arbeiten. Es ist eine Tatsache, dass unsere Arbeit bei vielen Leute da draußen nicht ankommt.
Stéphanie Empain: Es ist auch etwas anderes, wenn man in der Opposition ist. Die Rolle der Präsidenten ist eine andere. Wir haben jetzt eine ganz andere Konstellation: eine kleinere Fraktion in der Opposition und zwei Präsidenten, die außerhalb des Parlaments stehen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, Politik zu machen.
In Europa und auch in Luxemburg wird viel „Grünen-Bashing“ betrieben. Was ist Ihr Rezept dagegen?
Empain: Wenn es ein perfektes Rezept gebe, hätten wir das schon lange gekocht. Es hat abgesehen von den Grünen auch viel mit der Art und Weise zu tun, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen. Es gibt die Tendenz bei einigen Leuten, einen Sündenbock für alles zu suchen. In der Politik sind es die Grünen, an anderen Stellen sind es andere. Sich gegenseitig nicht mehr richtig zuzuhören, das ist ein gesellschaftspolitisches Problem, das wir als Partei alleine nicht gelöst bekommen. In Deutschland gehen die Grünen sehr offensiv damit um – ob das der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Es ist eine Frage, die wir noch nicht ganz beantworten können. Es ist kein einfaches Thema, auch weil man Algorithmen hat, die gegen einen arbeiten.
Benoy: Schlimm ist, dass zum Teil bis in die politische Mitte hinein diese Instrumente von Angstmacherei und Spaltung benutzt werden. Das gehört auch zu den Ursachen des „Grünen-Bashing“. Dabei stehen wir für eine Politik, die ermöglicht, dass wir besser leben. Die Politik des Stillstands oder der Rückwärtsgewandtheit ist keine lösungsorientierte Politik. Das A und O ist, dass wir mit den Leuten vor Ort sprechen.
Das Duo Bernard/Sehovic war fünfeinhalb Jahre lang im Amt. Wo werden „déi gréng“ nach fünf Jahren Empain/Benoy stehen?
Benoy: Unser Ziel ist es, dass wir bei den nächsten Wahlen zu alter Stärke zurückfinden. Es muss jetzt nicht unser Traumresultat mit neun Sitzen sein. Aber auf jeden Fall müssen wir alle Bezirke zurückgewinnen, die wir verloren haben. Ich glaube auch, dass in den großen Bezirken noch mehr drin ist. Das ist der Anspruch, den wir an uns stellen. Eine Partei zu sein, die Mehrheiten schaffen kann, die Politik gestaltet – und keine kleine Oppositionspartei.
Empain: Es ist nach außen vielleicht nicht so sichtbar, aber für das Parteileben ist es sehr wichtig: Wir müssen weiter an unserer Basis arbeiten. Eine super positive Botschaft, die ich noch immer mit mir trage, ist, dass wir nach unserer Wahlniederlage so viele Mitgliedschaftsanträge bekommen haben wie noch nie zuvor. Und die Leute sind heute immer noch dabei. Das ist auch ein Verdienst von Meris und Djuna gewesen.
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