Machtwechsel / Was über die Flucht Baschar al-Assads aus Syrien bekannt ist
Nach jahrelangem Bürgerkrieg haben islamistische Milizen die syrische Hauptstadt eingenommen. Der langjährige Machthaber Baschar al-Assad ist geflohen. Was bisher über die Flucht bekannt ist.
Fast ein Vierteljahrhundert regierte er Syrien mit harter Hand – nach der Machtübernahme durch islamistische Milizen ist Präsident Baschar al-Assad nun überstürzt aus dem Land geflüchtet. Wo er sich aufhält, ist nicht bekannt, seine Abreise erfolgte unter strengster Geheimhaltung. Was über Assads Flucht aus Syrien bisher bekannt ist:
Geheimer Abflug mit dem Privatjet
Um 22.00 Uhr (Ortszeit; 20.00 MEZ) startet ein Privatflugzeug vom internationalen Flughafen in Damaskus. An Bord befindet sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte der syrische Präsident Assad, der vor den Aufständischen flüchtet. Wohin der Flug geht, ist nicht bekannt. Kurz darauf ziehen sich die Regierungstruppen und Sicherheitskräfte vom Flughafen zurück.
Binnen weniger Stunden verkünden die Kämpfer zunächst den Sturz des „Tyranns“ und die Befreiung der syrischen Hauptstadt – und rufen Millionen ins Ausland geflohene Syrer zur Rückkehr in ein freies Syrien“ auf.
Für Assads Fluchtdestination kommen laut dem Chef der Syrischen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, drei Länder infrage: Assad könnte seinen Angaben zufolge in Russland Unterschlupf finden – der enge Verbündete Moskau hatte den Machthaber im Bürgerkrieg militärisch unterstützt und flog auch in der vergangenen Woche Luftangriffe zur Verteidigung seiner Regierung. Das russische Außenministerium hat zwar bestätigt, dass Assad Syrien verlassen hat, machte aber keine Angaben dazu, wohin er ausreiste.
Auch der ebenfalls mit Syrien verbündete Iran, der Militärberater und bewaffnete Kräfte zur Unterstützung Assads entsandt hatte, könnte dem Präsidenten laut Rahman Exil gewähren. Schließlich könnte Assad seinen Angaben zufolge auch in die Vereinigten Arabischen Emirate geflohen sein. Abu Dhabi nahm 2018 als erster Golfstaat wieder diplomatische Beziehungen zu Syrien auf, nachdem diese wegen des Bürgerkriegs abgebrochen worden waren.
Regierungssoldaten ziehen ihre Uniformen aus
Mit der Verbreitung der Nachricht von Assads Sturz legen Soldaten in Damaskus ihre Uniformen ab, wie Zeugen der Nachrichtenagentur AFP schildern. Ein Augenzeuge berichtet von dutzenden verlassenen Armeefahrzeugen im Stadtteil Masseh, wo mehrere Militäreinrichtungen sowie Botschaften angesiedelt sind.
Eine offizielle Erklärung gibt es von der Armee zunächst nicht. Soldaten erklären gegenüber AFP jedoch, dass sie aufgefordert worden seien, ihre Stellungen zu verlassen und nach Hause zu gehen.
In den ersten beiden Tagen der Ende November gestarteten Großoffensive der islamistischen Milizen hatten sich deren Kämpfer und Regierungstruppen Kämpfe geliefert, bei denen es auf beiden Seiten zahlreiche Tote gab.
Später konnten die Aufständischen überraschend schnell vorrücken und die Städte Aleppo, Hama und Homs einnehmen, ohne auf „nennenswerten Widerstand“ der Armee zu stoßen, wie die Syrische Beobachtungsstelle erklärte. Am Sonntagmorgen fiel dann die Hauptstadt.
Der syrische Bürgerkrieg hatte 2011 begonnen, nachdem Assad regierungskritische Proteste mit Gewalt niederschlagen ließ. Eine halbe Million Menschen wurden getötet und Millionen weitere vertrieben. Auch die Armee verlor etwa die Hälfte ihrer ursprünglich 300.000 Soldaten.
Experten zufolge war die Schwäche der syrischen Armee auch der fehlenden Unterstützung der Verbündeten Russland und Iran zuzuschreiben.
Am Sonntagmorgen berichtete eine Quelle aus dem Umfeld der pro-iranischen und ebenfalls mit Syrien verbündeten Hisbollah-Miliz, dass sich ihre Kämpfer aus Stellungen in der Nähe von Damaskus und in einem Gebiet an der Grenze zum benachbarten Libanon zurückgezogen hätten. In diesen Gebieten befanden sich den Angaben zufolge auch Waffenlager.
Wer übernimmt nun die Macht?
Am Sonntag rufen die islamistischen Kämpfer eine „neue Ära“ in Syrien aus. Der im September angetretene syrische Regierungschef Mohammed al-Dschalali erklärte sich bei Facebook zur Zusammenarbeit mit einer vom syrischen Volk neu bestimmten Führung bereit.
Abu Mohammed al-Dscholani, Oberbefehlshaber der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), welcher die Kämpfe in Syrien anführt, ruft seine Kämpfer dazu auf, sich von öffentlichen Einrichtungen fernzuhalten. Die Einrichtungen müssten bis zur offiziellen Übergabe unter der Kontrolle des „ehemaligen Ministerpräsidenten“ bleiben, heißt es.
Die Niederlage der syrischen Armee lässt in dem durch den Krieg zersplitterten Land mehrere Konfliktparteien mit unterschiedlichen Interessen zurück, die zudem von unterschiedlichen Akteuren im In- und Ausland unterstützt werden.
Die größte Herausforderung werde der „Wiederaufbau des syrischen Staates und die Überwindung einer Phase des Chaos und der Zersplitterung“ sein, betont Mohanad Hage Ali vom Carnegie Center für den Mittleren Osten.
Bisher seien die aufständischen Milizen „gewissenhaft im Umgang mit Minderheiten und ihren Gefangenen“ gewesen, erklärte er. Er hoffe, dass dies auch „beim Wiederaufbau der staatlichen Institutionen zum Ausdruck kommen“ werde.
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