/ ... und erlöse uns von der Vernunft
Im Großherzogtum, wo die Leute generell so bleiben wollen wie sie sind, ist in der Tat Vorsicht geboten, auch in der Philosophie.
Um so waghalsiger finde ich Herrn Flammangs Forderung nach einer philosophischen Leitdisziplin, die unvoreingenommen bereit sein müsste, über den Satz „Wir Menschen sind Geschöpfe des gerechten und gnädigen Gottes, der vorbehaltlos unser Heil will“ nachzudenken.
Sogar ich bin prinzipiell bereit, unvoreingenommen über diesen Satz nachzudenken. Das ändert aber nichts daran, dass der Satz selbst eine Karikatur der Voreingenommenheit darstellt. Er enthält ausschließlich unnachweisbare Behauptungen. Was bleibt da noch zum Denken, geschweige zum Nachdenken?
Zusammen mit Herrn Tetens, Professor für theoretische Philosophie an der freien Universität Berlin, glaubt Herr Flammang, dass es im Gegensatz zum Materialismus vernünftiger ist, „Theist zu sein und auf Gott als Erlöser zu hoffen und zu vertrauen“.
Wörter wie „Erlöser“, „hoffen“, „vertrauen“ klingen eher bieder aus dem Munde eines theoretischen Philosophen.
Trotzdem könnte es interessant werden, im luxemburgischen Werteunterricht über einen Gott zu diskutieren, der aus dem Komparativ von „vernünftig“ gestampft wurde. Wenn es wahr ist, dass im Rahmenplan des neuen Werteunterrichts das Wort „Gott“ nicht vorkommt, so zeugt das nur von Unmündigkeit. Die Idee von Gott hat unsere Geschichte während zweitausend Jahren geprägt. Sie nicht zu erwähnen ist lächerlich. Ein in solcher Manier zensierter Werteunterricht wäre gleich am besten tot geboren. Andererseits braucht Herr Flammang dem wertvollen Religionsunterricht nicht nachzutrauern. Als Sechsjähriger saß ich dem Kaplan hilflos gegenüber ausgeliefert.
Ein ethischer Philosophieprofessor, der seinen Schüler denken lehrt, ist das Beste, was Letzterem im Leben widerfahren kann. Nichts und niemand hindert ihn daran, später die Annahme Gottes zu machen, aus persönlicher Überlegung heraus.
Solange es Menschen gibt, wird es die Idee Gottes geben.
Trotzdem wäre es etwas überheblich, jene, die ohne seinen Trost und Hoffnung auf Erlösung auskommen, als unvernünftig anzusehen.
Zu P. Jean-Jacques Flammang SCJ, Leserbrief L.W. 25.11.2015
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