/ Serbien verbannt alte Fahrzeuge von seinen Straßen
Alles, was rollt, schien bisher auf den holprigen Straßen Serbiens erlaubt gewesen zu sein. Doch seit der Einführung einer erheblich strengeren Überprüfung der Fahrtüchtigkeit machen sich unter Pkw-Fahrern Unmut und Panik breit: Vielen Vehikeln droht das Aus.
Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad
Bei manchen der sorgengeplagten Pkw-Fahrer in Serbien brennen seit Monatsbeginn alle Sicherungen durch. Nach der Verweigerung der erwarteten Zulassung für sein Gefährt wegen eines beschädigten Rückspiegels machte ein 42-jähriger Fahrzeughalter in der Provinzstadt Pozega in der vergangenen Woche kurzen Prozess. „Ich kann mein Auto also nicht registrieren lassen?“, rief er aufgebracht, bevor er seinen Dacia Sandero noch auf dem Gelände seiner TÜV-Werkstatt mit zwei Litern Benzin übergoss – und kurzerhand abfackelte.
Die Hälfte durchgefallen
Nicht nur bei den aufgebrachten Fahrzeughaltern, sondern auch bei den verunsicherten Angestellten der für die sogenannte „Technische Überprüfung“ lizenzierten Autowerkstätten liegen in Serbien seit Monatsbeginn die Nerven blank. Seit der Einführung wesentlich strikterer Vorschriften zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit am 5. Juli weht durch die bislang sehr laxen TÜV-Werkstätten ein ungewohnt strenger Wind: Rund der Hälfte der vorgefahrenen Vierräder ist seitdem die Zulassung verweigert worden.
16 Jahre ist derzeit das statistische Durchschnittsalter des eher veralteten Fuhrparks im verarmten Balkanstaat. Doch allzu genau pflegten Serbiens Fahrzeuginspektoren selbst betagte Vehikel bislang kaum unter die Lupe zu nehmen – und bei Autos jüngeren Fertigungsdatums vor Abstemplung der Zulassung häufig gar ganz auf den Augenschein zu verzichten: Alles, was noch rollt, schien bislang auf Serbiens holprigen Straßen erlaubt gewesen zu sein.
Nun haben die Angestellten der TÜV-Werkstätten ihre Überprüfungsanstrengungen nicht nur mit Selfie-Aufnahmen vor den von ihnen inspizierten Fahrzeugen zu dokumentieren. Ob bei der Überprüfung von Bremsen, Abgaswerten, Auspuff oder Karosserie: Ungewohnt gründlich gehen die Auto-Inspektoren mittlerweile zu Werke – und schießen nach Ansicht ihrer gestressten Kunden mit besonders kleinlichen Mängellisten dabei weit über das Ziel hinaus.
Nicht nur betagten Yugos droht der unfreiwillige Abschied auf dem Schrottplatz. Unter Serbiens Pkw-Fahrern macht sich Unmut breit. Und Endzeitstimmung: Mit einem Durchschnittsgehalt von gerade einmal 420 Euro können sich viele Familienväter auch die Anschaffung einer neuen Gebrauchtkarosse auf die Schnelle kaum leisten.
Neue Besen
Für nachhaltige Verärgerung sorgen auch zusätzliche Papier- und Formularberge, die vor der TÜV-Überprüfung zu besorgen, zu bezahlen – und auszufüllen sind. Da gleichzeitig auf EU-Drängen KFZ-Schilder mit serbischen Sonderbuchstaben (c, c, š, ž) auf eigene Kosten ausgewechselt werden müssen, herrscht auf den Zulassungsämtern ausgerechnet in der Urlaubszeit die drängende Enge: Zahlreiche Familien haben geplante Urlaubsfahrten an die nahen Mittelmeer- und Schwarzmeerküsten wegen nicht rechtzeitig zu organisierender TÜV-Plaketten oder Autoschilder kurzfristig absagen müssen.
Setzen Serbiens TÜV-Werkstätten die neuen Regeln dauerhaft mit der bisherigen Konsequenz um, ist nicht nur mit anhaltenden Verwünschungen und Flüchen ihrer Kunden zu rechnen: Über ein Drittel der Fahrzeuge könnten laut Schätzungen der serbischen Presse dauerhaft ihre Zulassung verlieren.
Doch auch in dem Balkanstaat sind Autofahrer eine wahlrelevante Gruppe – und wird auf lange Sicht selten etwas so heiß gegessen wie gekocht. „Jetzt werden die Leute mit den neuen Bestimmungen gequält“, sagt der Belgrader Zahntechniker Sinisa: „Aber spätestens in einem halben Jahr sind diese wieder vergessen.“
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