Esch2022 / Jessica Theis dokumentiert den wilden Müll in Luxemburg
Mit gleich zwei Projekten ist die Fotografin Jessica Theis bei Esch2022 vertreten. Die Ausstellung „Spieglein. Spieglein“ steht inzwischen in Schifflingen, „1001 Tonnen“ gibt es seit vergangenem Freitag im Bâtiment4 in Esch zu entdecken.
Die Idee zu „1001 Tonnen“ bekam Jessica Theis nach einer Fernseh-Reportage über Müll. Die nackten Zahlen schockierten sie dermaßen, dass sie das Thema fotografisch aufarbeiten wollte. Sie nahm Kontakt zur Differdinger Gemeinde auf und wurde zu einer illegalen Mülldeponie mitgenommen. Was als kleines Fotoprojekt startete, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer multidisziplinären Ausstellung im Rahmen der europäischen Kulturhauptstadt Esch2022.
„Ich war vom Ausmaß des Problems schockiert, denn bisher hatte ich nur die ‚kleinen’ Dinge wahrgenommen, also eine weggeworfene Zigarettenschachtel zum Beispiel. Da kann man schon ein wenig den Glauben an die Menschheit verlieren“, sagt Jessica Theis. 1,6 kg „wilder“ Abfall werden pro Einwohner und pro Jahr in Luxemburg deponiert. Das macht multipliziert mit der Einwohnerzahl rund 1001 Tonnen pro Jahr. Theis wollte davon so viel wie möglich im Bild festhalten. Sie kontaktierte die größeren Gemeinden des Landes und ging mit den Bannhütern auf Tour. Gleichzeitig führte sie Gespräche mit Menschen, die sich intensiv mit der Müllproblematik beschäftigen. Diese Aussagen laufen im Bâtiment4 in Endlosschleife über einen Lautsprecher und untermalen die Ausstellung, die aus einer Auswahl von 60 Fotos besteht. Unterteilt sind sie in acht Kapitel: Zigaretten, Littering, Party, Haus, überfüllte Mülleimer und Container, Industrie, Deponie sowie Autos. Neben den Bildern hat Theis die für sie prägnantesten Aussagen ihrer Gesprächspartner auf den Mauern niedergeschrieben.
35 kg in 45 Minuten
In der Mitte des Raumes im ersten Stock der neuen Kulturinstitution hinter dem Schlassgoart liegt ein Haufen Müll. Es ist die Ausbeute der ersten von vier „Clean-up“-Aktionen, die das Projekt begleiten. Am 20. Juni marschierten zehn Leute vom Escher Rathausplatz bis zum Bâtiment4 und sammelten den Müll ein, der auf ihrem rund 500 Meter langen Weg lag. In 45 Minuten kamen so 35 kg zusammen, von leeren Getränkedosen, Flaschen über Zigarettenstummel, Zeitungen bis hin zu Kartons. Sogar ein Turnschuh wurde gefunden. Ähnliche Aktionen sind in Bettemburg (heute), Petingen (6. Juli) und Schifflingen (12.7.) jeweils um 18.30 Uhr geplant. Sie sind Jessica Theis wichtig, denn „das Problem gibt es überall und jeder kann dazu beitragen, es zu bekämpfen. Und jeder ist auch angesprochen, denn in den vielen Diskussionen kam ganz deutlich heraus, dass die ‚Verschmutzer’ aus allen Teilen der Gesellschaft kommen.“ Und weil das so ist, hat sie ihre Ausstellung in Kapitel eingeteilt. „Jedes Kapitel der Ausstellung entspricht einer Kategorie Menschen“, sagt sie.
Die Expo im Bâtiment4 läuft noch bis zum 17. Juli. Parallel kam ein Buch heraus, das es für 30 Euro in den Buchhandlungen, online oder aber vor Ort zu kaufen gibt. Ab Freitag ist zudem die auf Theis’ Fotos basierende Anti-Littering-Kampagne der Umweltverwaltung („Remix Nature – but not like this“) sichtbar. Nach dem Sommer geht die Fotografin dann mit ihrem Projekt in die Schulen, „Maison Relais“ und Jugendhäuser. Es geht dabei nicht nur um illegale Müllentsorgung, sondern auch darum, wie man seine Gewohnheiten dahingehend ändern kann, dass nicht mehr so viel Müll anfällt. Theis will mit gutem Beispiel vorangehen. So ist etwa das Buch so nachhaltig wie möglich produziert und die Bilderrahmen kommen aus den Ateliers der APEMH. Auch die Abzüge der Fotos ihrer analogen Mittelformat-Kamera (allesamt unverarbeitete Originalaufnahmen) sind auf Hanfbasis hergestellt, nicht aus Plastik. Sie können im Übrigen gekauft werden, kosten je nach Format 300 oder 400 Euro.
1001 Tonnen von Jessica Theis
Expo bis zum 17. Juli im Bâtiment4 in Esch
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag (13 bis 19 Uhr)
Führung auf Anfrage (hello@jess.lu, 621 228 600)
Weitere Informationen gibt es unter www.1001tonnen.lu.
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