Justiz / Zu wenig Leute, zu wenig Platz: Generalstaatsanwältin Solovieff reagiert auf Kritik
Nachdem Lydie Polfer in einem Interview über die mangelnde Weiterverfolgung von polizeilich erfassten Fällen durch die Staatsanwaltschaft berichtet hatte, reagierte Generalstaatsanwältin Martine Solovieff beim Neujahrsempfang der Justiz auf die Kritik der Bürgermeisterin von Luxemburg-Stadt.
32 nicht besetzte Posten. Dazu 16 Personen in Elternzeit oder anderen Beurlaubungen. Macht 48 Personen, die fehlen, um die Fälle der Generalstaatsanwaltschaft zu bearbeiten. Das ist die Bilanz, die Generalstaatsanwältin Martine Solovieff auf dem Neujahrsempfang in der „Cité judicaire“ zieht. „Das sind 17 Prozent, die fehlen.“ Ähnlich sieht es bei den Gerichten in Luxemburg-Stadt und Diekirch aus. Auch hier seien etwa ein Fünftel der Stellen nicht besetzt, so Solovieff. Bei der Staatsanwaltschaft Luxemburg stauen sich die Fälle, die „Police judicaire“ gehe regelrecht unter.
Die Generalstaatsanwältin will an diesem Abend Zahlen liefern zu den Äußerungen von Lydie Polfer (DP). Die Bürgermeisterin von Luxemburg-Stadt hatte im RTL-Interview am Dienstagmorgen erklärt, die Polizei in ihrer Gemeinde leiste zwar gute Arbeit, aber das Problem liege woanders. Von den insgesamt 2.177 Fällen, die die Polizei im Jahr 2023 aufgenommen habe, so Polfer, seien etwa 1.500 ohne Strafverfolgung „ad acta“ gelegt worden. Die Bürgermeisterin sieht die von der Polizei geleistete Arbeit zu wenig respektiert – und will ein gewisses Gefühl der „Impunitéit“, der Straffreiheit, festgestellt haben. Bei den Tätern wie auch bei den Bürgern, deren Sicherheitsgefühl leide, so Polfer, wenn sie sähen, dass Menschen, die an einem Tag verhaftet werden, am nächsten Tag wieder freigelassen werden.
Solovieffs letzter Empfang
Die Bürgermeisterin bezieht ihre Äußerungen vor allem auf das Bahnhofsviertel. Doch was sie beschreibt, ist bisweilen der regelkonforme Ablauf der Justiz. Verhaftete Personen in Drogendelikten werden beispielsweise dem Untersuchungsrichter vorgeführt. „In 90 Prozent der Fälle kommt es zu einer Verhaftung“, sagt Solovieff am Rande des Neujahrsempfangs gegenüber dem Tageblatt. Leute mit geringer Menge, so die Generalstaatsanwältin, behalte man nicht in U-Haft. Ob es zu einem Prozess kommt, ist in solchen Fällen nicht Entscheidung der Staatsanwaltschaft, sondern der Ratskammer. Die sogenannte „Chambre du conseil“ ist ein wichtiges und fest verankertes, unabhängiges Element in der Luxemburger Gerichtsbarkeit.
Im Allgemeinen kann Generalstaatsanwältin Solovieff den Unmut, vor allem den der Betroffenen, bei langwierigen Prozeduren gut verstehen. Gleichzeitig sei es jedoch zu einfach zu sagen, die Justiz sei zu langsam. Es fehlt an Menschen, an Zeit und an Raum. Schon im Dezember hatten Solovieff und Thierry Hoscheit, Präsident des Obersten Gerichtshofs, gegenüber der Spezialkommission „Caritas“ des Luxemburger Parlaments den Personalmangel und Fallstau beklagt. Beim Neujahrsempfang unterstreichen die beiden noch einmal die Dringlichkeit ihres Anliegens. Die Staatsanwaltschaft müsse Prioritäten setzen, so Solovieff. „Wir müssen uns auf große Kriminalität konzentrieren“.
Justizministerin Elisabeth Margue (CSV), die an diesem Abend ebenfalls spricht, ist sich der Herausforderung bewusst. Ein neues Gesetz soll neue Posten schaffen. Insgesamt 94 über einen Zeitraum von drei Jahren. Doch das allein wird nicht reichen. Posten schaffen und sie auch zu besetzen, sind zwei unterschiedliche Dinge. Das weiß auch Margue. Im Sommer habe die Chamber deshalb ein Gesetzesprojekt auf den Weg gebracht, so die Justizministerin, das eine breitere Rekrutierung ermöglichen und damit den Bewerberpool vergrößern soll. Auch Solovieff setzt große Hoffnungen auf dieses Gesetz, das derzeit beim Staatsrat liegt.
Margue verspricht beim Neujahrsempfang auch Abhilfe für das Platzproblem, unter dem die Luxemburger Justiz leidet. Es gibt nicht genug Säle für alle Sitzungen, die in der „Cité judiciaire“ abgehalten werden müssten. Als kurzfristige Lösung schlägt die Justizministerin vor, Räume in den an das Plateau du Saint-Esprit angrenzenden Gebäuden zu mieten. Langfristig, da sind sich Margue und Hoscheit einig, braucht es jedoch eine neue „Cité judicaire“. Eine Bedarfsstudie werde in Auftrag gegeben, sagt die Justizministerin. Generalstaatsanwältin Solovieff selbst wird das in ihrem aktiven Berufsleben nicht mehr erleben. Sie geht am 1. Februar in Rente. Ihr Nachfolger wird der Stellvertretende Generalstaatsanwalt John Petry.
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