HB Düdelingen / „Ein ganzes Package an Gründen“: Tommy Wirtz wird seine Karriere beenden
Tommy Wirtz wird seine Handballkarriere nach der Saison beenden. Für den langjährigen Kapitän der Nationalmannschaft ist die Zeit gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen und neue Prioritäten zu setzen. Wie er seine letzte Saison erlebt und warum er noch einmal die Position wechselte, erzählt der 31-Jährige im Gespräch mit dem Tageblatt.
Tageblatt: Nach einem überraschend starken Saisonstart läuft es in der Titelgruppe beim HBD nicht mehr ganz so flüssig. Woran liegt das?
Tommy Wirtz: Die Euphorie des guten Starts ist etwas verloren gegangen, auch weil wir von den anderen Mannschaften jetzt nicht mehr unterschätzt werden. Wir müssen jetzt versuchen zu bestätigen. Das ist nicht so einfach für eine junge Mannschaft wie unsere. Es fehlt noch an Konstanz. Das hat man auch gegen die Red Boys und Esch gesehen, wo wir keine guten Leistungen gezeigt haben. Wir hatten in beiden Spielen keinen guten Tag und waren nicht diszipliniert. Das darf sich nicht wiederholen.
Es heißt aber bekanntlich, dass man aus Niederlagen am meisten lernt. Stimmen Sie zu?
Effektiv. Man lernt mehr aus Niederlagen als aus Siegen. Aus den Niederlagen gegen die Red Boys und Esch muss man keine Krise machen. Wir sind eine junge Mannschaft und man muss den Prozess respektieren. Dazu gehört es eben auch mal zu verlieren. Wir müssen in der Videoanalyse schauen, was wir falsch gemacht haben, und daraus lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen – zum Beispiel im Pokalhalbfinale, wenn wir erneut auf Esch treffen.
Zieht man die ganze Saison in Betracht, läuft es für Ihre Mannschaft aber besser als anfangs erwartet, oder?
Definitiv. Wir liegen über dem Soll. Wir hatten uns zu Beginn keine Ziele gesetzt, sondern wollten unseren jungen Spielern die Verantwortung geben und schauen, was dabei herauskommt. Das klappt besser als erwartet. Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass wir im März auf dem dritten Platz liegen würden, wäre es mir schwergefallen, das zu glauben. Man sieht aber eben auch, dass der Lernprozess noch voll im Gange ist.
Sie spielen in dieser Saison nicht mehr Linksaußen, sondern Rückraum Mitte. Wie kam es eigentlich dazu?
Der Kader hat sich vor der Saison viel verändert. Dadurch, dass sich Hugo Neuberg auch noch die Kreuzbänder gerissen und wir auf der Mitte-Position Mangel hatten, fragte mich unser Trainer, ob ich damit einverstanden wäre zu wechseln. Ich machte das gerne. Mit Aldin (Zekan) wurde ein Top-Außenspieler verpflichtet, mit Mikel (Molitor) haben wir einen weiteren. Ich konnte so guten Gewissens in der Mitte aushelfen.
Wie groß war die Umstellung?
Die Position hat eine ganz andere Verantwortung. Man hat mehr Ballkontakte und mehr Impakt auf das Spiel. Das gefällt mir ziemlich gut. Da ich zuvor schon manchmal im Rückraum ausgeholfen habe, war die Gewöhnung an die Position nicht allzu groß. Die Umstellung ist mehr körperlicher Natur. „Ech kréien der hei e bësschen méi an d’Zänn“. Es gibt im Rückraum einfach mehr Kontakt. Auf außen ist es angenehmer. Es ist aber eine coole Rolle, man entscheidet auf der Mitte-Position, was gespielt wird. Man ist eine Art Leader auf dem Platz. Das macht großen Spaß.
Können Sie so Ihre Erfahrung auch besser an Ihre jüngeren Mitspieler weitergeben?
Ja, ich glaube, das war auch die Idee des Trainers. Er wollte jemanden auf der Position haben, der etwas Ruhe ins Spiel bringen kann, Übersicht hat und erkennt, wo die Schwächen des Gegners liegen.
Hätten Sie gedacht, jemals die Position, auf der Sie auch als Profi in der zweiten Bundesliga gespielt haben, zu wechseln?
Ich habe wie gesagt zuvor schon manchmal im Rückraum ausgeholfen, weil ich in meiner Jugend auch da gespielt habe. Es ist nicht so, dass ich es erwartet habe, es ist aber auch keine mega große Überraschung. Ich habe mittlerweile auch sehr viel Freude daran.
Wollen Sie in Zukunft weiter im Rückraum spielen?
Ich habe entschieden, meine Handballkarriere nach dieser Saison zu beenden.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Es gibt ein ganzes Package an Gründen. Ich habe in den letzten Jahren viele Opfer für das Handballspielen gebracht, aber es gibt auch noch andere Dinge im Leben, die wichtig sind, allerdings immer zu kurz kamen. Ich will einfach mehr Zeit für die Familie und die privaten Dinge haben. Zudem würde ich mich gerne mehr auf meinen Beruf konzentrieren. Ich habe auch noch andere Projekte, die mir wichtig sind – wie zum Beispiel der Trainerschein, der CA des HBD oder auch der Youth Cup. Das alles zusammen wird sehr viel. Es ist auch jetzt an der Zeit, anderen, jüngeren Spielern ihre Chance zu geben. Der Aspekt meiner Gesundheit spielt auch mit. Körperlich und mental ist es richtig schwierig. Ich schaffe es körperlich nicht mehr so richtig – es ist ein bisschen überall was kaputt. Das alles spielte zusammen und führte dazu, dass ich sage: Es reicht. Es war jetzt genug.
Ist auch wegen des Umbruchs gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für das Karriereende gekommen?
Ja, ich finde, der Moment ist gut. Klar hätte ich sagen können, dass ich weiter noch ein bisschen aushelfe, ich bin aber der Meinung, dass wir junge Spieler haben, die bereit sind, einzuspringen. Sie müssen noch einiges lernen, sie haben aber auch gezeigt, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Ich kann mit gutem Gewissen aufhören.
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