CSV-Spitzenkandidat / Der Rückkehrer: Luc Frieden will seine Partei wieder in die Regierung führen
Nach zehn Jahren kehrte Luc Frieden in die Politik zurück, um seine Partei wieder zurück in die Regierung zu führen. Dem CSV-Kandidaten hing lange Zeit ein Image an, mit dem er selbst haderte.
Auf Luc Frieden dürfte Familie Korac nicht gut zu sprechen gewesen sein. Das Ehepaar und seine vier Kinder wurden im Herbst 2002 in die montenegrinische Hauptstadt Podgorica abgeschoben. Die Polizei holte sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus ihren Betten und brachte sie zum Findel, wo ein Flugzeug in die ehemalige jugoslawische Teilrepublik startete. Ihr Asylantrag in Luxemburg war abgelehnt worden. Verantwortlich für die damalige Zwangsrückführung zeichnete der damalige Justizminister Luc Frieden. Familie Korac gehörte zu den ersten Personen einer Abschiebewelle.
Zu Beginn des Jahrhunderts regierte nach 9/11 in Luxemburg wie auch anderswo die Angst vor dem islamistischen Terrorismus. Im Justizressort haftete Luc Frieden in der Regierung unter Premierminister Jean-Claude Juncker seit 1998 lange Zeit das Bild des Hardliners an. Als Budget- und später als Finanzminister hatte er das Image des Musterschülers und kühlen Buchhalters, zudem war der Anwalt, der seine Studien an der Sorbonne, der Universität von Cambridge und der Harvard Law School absolviert hatte, Verteidigungsminister.
Bankenretter und Sparminister
In der Juncker-Ära war Frieden im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht selten der Überbringer von Bad News in Form von Sparmaßnahmen. So musste er etwa 2012 die Budgetvorlage für 2013 überarbeiten, nachdem ihm vom Koalitionspartner wie auch aus der eigenen Partei vorgehalten worden war, sein Sparpaket sei zu streng. Einerseits trug er als Finanzminister entscheidend dazu bei, dass in der Bankenkrise zwei Kreditinstitute – Fortis (BGL) und Dexia BIL – durch staatliche Intervention gerettet wurden. Doch statt ihn als Bankenretter zu loben, wurde ihm angekreidet, das Bankgeheimnis und damit einen wichtigen Standortvorteil für den Finanzplatz aufgegeben zu haben. Außerdem wurde er für den gescheiterten Deal mit Katar über den Einstieg des Emirats bei Cargolux verantwortlich gemacht. Für Frieden, lange Zeit als Junckers Kronprinz gehandelt, eine schwere Bürde.
Hinzu kam, dass Frieden im „Bommeleeër“-Prozess als Zeuge aussagen musste. Man legte ihm zur Last, als Justizminister Druck auf die Ermittler ausgeübt zu haben. Ende Juni 2013 stand es nicht gut um den Frieden in der schwarz-roten Koalition – und um Luc Frieden schon gar nicht. In der Chamber kam es zum mehrstündigen rhetorischen Schlagabtausch. Bis zu den beiden Misstrauensanträgen der Opposition gegen den Minister und die Regierung, die scheiterten – aber kurz darauf kündigte Juncker Neuwahlen an.
„Schwierige Zeit“
An diesem politischen Siedepunkt, inmitten der Geheimdienstaffäre, die der Juncker-Regierung schließlich ein Ende bereitete, hatte der Autor dieser Zeilen die Gelegenheit, den Minister kennenzulernen: zuerst mit seinen engsten Mitarbeitern, mit denen er im „Schrägen Saal“ des Finanzministeriums zusammengekommen war, dann zum Interview in seinem Büro, als Frieden sagte: „Niemand ist froh darüber, von morgens bis abends negative Nachrichten im Radio zu hören oder in den Zeitungen zu lesen.“ Er gestand, verletzt gewesen zu sein: „Das ist für mich eine schwierige Zeit. Man ist ja vor allem Mensch.“ Frieden sagte, dass er sich schwertue, sein Privatleben nach außen zu tragen, und gab zu: „Lange Zeit habe ich unter einer einseitigen Beschreibung gelitten, wenn ich nicht als derjenige dargestellt werde, der ich bin.“
Luc Frieden wurde vieles angekreidet, auch dass er für die Tax Rulings verantwortlich zeichnete, die zum Lux-Leaks-Skandal führten. Schließlich nahm man ihm auch krumm, dass er im Juli – ein Jahr nach dem Sturz der Juncker-Regierung – aus dem Parlament zurücktrat und in die Privatwirtschaft wechselte. Kürzlich sagte er in einem Interview, er habe damals eine Auszeit gebraucht, „um neue Energie zu tanken“.
Er übernahm den Posten des Vice Chairman für die Deutsche Bank AG in London und das Amt des Präsidenten der Deutschen Bank Luxemburg. Danach wurde Frieden unter anderem Präsident des Verwaltungsrates der BIL sowie der Mediengruppe St. Paul. Hinzu kam eine Gastprofessur an der Universität St. Gallen für europäisches Wirtschaftsrecht. 2019-2023 war Frieden zudem Präsident der Handelskammer. Als der CSV-Nationalrat Anfang des Jahres entschied, dass der einstige Minister die Partei in die Parlamentswahlen führen sollte, war dies ein Paukenschlag. Junckers einstigem Kronprinzen bot sich damit ein politisches Comeback. Das Luxemburger Wort feierte ihn als „Heilsbringer“. Mit ihm schienen die Christsozialen den richtigen Kandidaten gefunden zu haben, das Gegenmodell zu Amtsinhaber Xavier Bettel, um aus der Opposition wieder auf die Regierungsbank zurückzukehren.
Eben die zweierlei Erfahrung – in der Politik und in der Privatwirtschaft – wird von Frieden als doppelter Pluspunkt gewertet. Ist es aber nicht gerade deshalb schwerer, „eine andere Politik“ glaubhaft anzukündigen, die kein alter Wein aus neuen Schläuchen sein soll? Kürzlich hat der LSAP-Politiker Max Leners eine Broschüre veröffentlicht, mit Stichpunkten zu Friedens Vergangenheit unter anderem wie „Lex Greenpeace“ und „Tax Rulings“, die zugleich eine Art Kampfansage an den CSV-Spitzenkandidaten ist – ausgerechnet von einem, der selbst kandidiert. Leners begründet die Publikation damit, den Politiker Luc Frieden und dessen politische Agenda besser verstehen zu können.
Neoliberale Standpunkte
Den ehemaligen Minister und heutigen Spitzenkandidaten versteht man jedoch eher, wenn man mit ihm über seine politischen Ansichten diskutiert. Schließlich hat Frieden eine Wandlung durchgemacht. Er wirkt lässiger als früher, tritt entspannter auf, ob beim Sommerfest seiner Partei oder bei den zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen, ist aber dabei nicht weniger abgeklärt. Sicher ist, dass er kein typischer Vollblutpolitiker wie etwa Juncker, Bettel oder Asselborn ist. Aber er hat gelernt, im politischen Haifischbecken zu schwimmen.
Frieden kündigte „weniger Steuern für jeden“ an. Weniger Steuern bedeuteten „mehr Kaufkraft, mehr Konsum und mehr Investitionen der Bürger und Unternehmen“. Er erweist sich als Anhänger der Trickle-down-Theorie, wonach jedes vom freien Markt begünstigte Wirtschaftswachstum sich auch sozial positiv auswirke. Der Kampf gegen die Staatsschuld ist ihm besonders wichtig. Auf dem CSV-Parteikongress warnte er: „Die Entwicklung der Staatsschuld geht schief, denn eines Tages müssen wir diese Schuld zurückbezahlen.“ In seinem Buch „Europa 5.0: Ein Geschäftsmodell für unseren Kontinent“ erklärt er seine europa- und wirtschaftspolitischen Standpunkte: „Mit Privatisierung und Wettbewerb in ausgewählten Märkten können neue produktivere Unternehmen in Märkte eintreten. (…) Breite Teile der Bevölkerung können am höheren Wachstum partizipieren.“ Neoliberale Standpunkte, die man nicht teilen muss, aber sie sind sachlich nüchtern und mit Weitblick erklärt. Eben typisch Luc Frieden.
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