LSAP-Spitzenkandidatin / Die Entschlossene: Paulette Lenert könnte als erste Premierministerin Geschichte schreiben
Paulette Lenert könnte am Sonntag Geschichte schreiben. Noch nie hatte Luxemburg eine Premierministerin. Und noch nie konnten die Sozialisten dieses Amt bekleiden. Im letzten Gespräch vor den Wahlen sagt Lenert: „Ich bin bereit.“
Am Sonntagmorgen will sie am Stausee spazieren gehen. Samstagmittag ist der letzte Radioauftritt vor der Wahl. „Dann gibt es eine Auszeit, für zwölf Stunden“, sagt Paulette Lenert. Raus an die frische Luft also. Noch einmal vor diesem Sonntagabend, an dem sich eine gewichtige Frage für Paulette Lenert klären wird. Auch für Luxemburg hat sie höchste Bedeutung. Wird Paulette Lenert die erste Premierministerin des Landes? Fällt dieses höchste politische Amt erstmals an die Sozialisten? „Klar bin ich nervös“, sagt die Noch-Gesundheitsministerin beim Gespräch in ihrem Büro auf der Cloche d’Or Mitte der Woche. Sie sagt aber auch: „Ich bin bereit.“ Und das Gespräch endet mit einem Lachen, einem mit viel Schelm.
Sympathisanten wie politische Konkurrenten rieben sich in den vergangenen Wochen verwundert die Augen. Paulette Lenert, gerne als besonnen, pragmatisch und diszipliniert beschrieben, hatte mit dem Kampagnenauftakt in den Angriffsmodus gewechselt. So kannte man die LSAP-Politikerin bislang nicht. In den TV- und Radio-Duellen ließ sie ihre männlichen Mitbewerber blass aussehen. Eine Spitze hier, eine fachliche Erklärung dort, schon schrumpften Premier Xavier Bettel (DP) und Herausforderer Luc Frieden (CSV) auf Normalgröße zusammen. Paulette Lenert entschied den Endspurt des Wahlkampfes für sich. Dazu gibt es nicht viele abweichende Meinungen.
Im Wahlkampfmodus
Ist die 55-Jährige genau zur richtigen Zeit in der genau richtigen Form? Lenert lacht bei der Frage – sie, die lange nicht wusste, ob sie mal eine richtige Politikerin werden könne, ist zu einer geworden. Aber mit eigenem Stil. So wird sie zumindest von ihrer Partei auf den LSAP-Plakaten beworben. „Für mich begann diese Wahlkampagne im Herbst“, erklärt Lenert die Gründe, warum sie erst jetzt, so kurz vor den Wahlen, aufgedreht hat, während sich vor allem Bettel seit dem Frühling und den Lokalwahlen im Dauerwahlkampf wähnt. Davor habe sie auf ihren Dossiers gearbeitet, ihren Job erledigt. „Aber seit dem Start der Kampagne bin ich voll drin und mach mein Ding“, sagt Lenert. Sie schaut dabei aus, als würde ihr das durchaus Spaß bereiten. Sie sei nicht überrascht von ihrem eigenen Auftreten und sagt: „Ich bin, wie ich immer war.“
„Ich kann mich durchsetzen, mir ist egal, wer da gegenübersteht“, ärgert sich Lenert rückblickend über die ganzen Zweifel, die ihr immer wieder entgegengebracht wurden. Kann die Frau das? Hält die das aus? Solches begleitet sie seit Jahren. Das sei auffällig gewesen, sagt Lenert. Bei Frieden und Bettel zweifele niemand das an. „Das ist typisch, dieses Phänomen, diese Fragen, ob eine Frau das überhaupt kann.“ Es gebe einen anderen Blick auf Frauen als auf Männer. „Eine andere Strenge“ sei das plötzlich, sagt die ehemalige Richterin und hohe Staatsbeamtin, „in der Politik spüre ich das jetzt mehr“.
Seit der „Sonndesfro“ vor einem guten Monat macht sich die LSAP wieder Hoffnungen darauf, ihre drei Sitze in der Chamber zurückzuerobern, die sie 2018 verloren hatte. Die Kampagne der Sozialisten war schon zuvor voll und ganz auf Lenert ausgerichtet. Die Gesundheitsministerin hatte das Land zusammen mit Bettel durch die Pandemie geführt. Ihre ruhige Art und das Eingeständnis, im raschen Auf und Ab des Pandemiegeschehens nicht immer auf alles gleich eine passende Antwort zu haben, hatten sie in neue Beliebtheitssphären katapultiert. „Paulette Nationale“ wurde die Frau, die in Remich lebt, fortan genannt. Ein Schwung, der auch heute noch anhält
Lenert war 2018 als Quereinsteigerin in die Regierung Bettel II eingetreten, als Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit und Konsumentenschutz. Damals stand auch das Gesundheitsministerium im Raum. Lenert nahm das zum Anlass, mit dem Rauchen aufzuhören, als Gesundheitsministerin gehe das gar nicht, sagte sie damals zum Tageblatt. Zur Gesundheitsministerin wurde sie im Februar 2022, kurz vor der Pandemie demnach.
Folgt nun der nächste Schritt? Lenert zeigt sich im Gespräch bereit „für fünf Jahre Vollgas“. Einer müsse es ja tun. Sie habe aber zuerst zwei Fragen für sich beantworten müssen: Willst du das für dich? Und: Traust du dir das zu? „Ich bin klargekommen mit der Pandemie“, sagt Lenert, „das war kein Geschenk Gottes, das war harte Arbeit.“ Mittlerweile sind die Töchter aus dem Haus, „ich kann mich austoben jetzt“, freut sich die Frau, die im Bezirk Osten antritt, über neue Möglichkeiten. Schließlich koche „jeder nur mit Milch“, sagt sie, „auch Bettel hatte mal seinen ersten Tag als Premier“. Es sei halt ein neuer Job, sagt Lenert und klingt dann wieder typisch pragmatisch nach Lenert: „Du arbeitest dich ein und gibst dir Mühe, das gutzumachen – wie in jedem anderen Job halt auch, und für Neues bin ich immer bereit.“ Schließlich sei das auch ein „flotten Challenge“.
Die mit Juncker
Über eventuelle Koalitionen wird längst wild spekuliert. Schwarz-Blau? Noch mal Gambia? Rot-Schwarz? Oder sogar Schwarz-Rot-Grün? Lenert hat eng mit Bettel zusammengearbeitet, menschlich hat das immer gut funktioniert. Luc Frieden kennt sie seit Jahren, eigentlich seit ihren Studienzeiten, auch wenn der CSV-Politiker ein paar Jahre älter ist. „Ich komme mit Luc klar“, sagt Lenert im Gespräch. Und sowieso: „In den großen Parteien findet man sich immer irgendwo – man muss nur gut verhandeln.“ Auch wenn die Parteiprogramme das nicht immer vermuten lassen. Und rote Linien hat sich die LSAP, anders als etwa die DP, im Gegensatz zu 2018 dieses Mal keine gegeben.
Würde sie tatsächlich Premierministerin, wolle sie das Amt auf ihre eigene Art angehen. „Angela Merkel hat auch nicht an jeden Küsschen verteilt“, sagt die Frau, die alle als „Dossiersmënsch“ beschreiben und die man sich eher schlecht als recht beim Bad in der Menge vorstellen kann, wie es etwa Bettel gerne zelebriert. Auf dem internationalen Parkett aufzutreten, gehöre zweifellos zur Jobbeschreibung, aber Lenert sagt, sie wolle sich vor allem auf Luxemburg konzentrieren. Dabei müsse man nicht „mit der Faust auf den Tisch hauen“, wie Frieden das zuletzt forderte, aber zur Aufgabe des „Chef d’équipe“ gehöre eben dazu, den Regierungsladen zusammenzuhalten. Anders ziehe irgendwann „jeder nur noch an seiner Decke“. Das Internationale wiederum sei damals Juncker schon zum Verhängnis geworden, die luxemburgischen Dossiers seien nicht mehr seine gewesen. Lenert hat vor Jahren auch unter dem ehemaligen Staatsminister gearbeitet. „Er ruft mich jetzt manchmal an, ich sage Ihnen aber nicht, war er mir erzählt“, sagt Lenert und grinst schelmisch.
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