Luxemburg / Die Wahl ist gelaufen – so reagiert die Zivilgesellschaft
Nora Back, OGBL
OGBL-Präsidentin Nora Back gibt sich überrascht von dem Wahlergebnis. Doch der Wähler habe gezeigt, dass er eine Fortsetzung der Regierung so nicht mehr wolle. „Für uns als OGBL bedeutet das jedoch, dass nun wohl viele Herausforderungen auf uns zukommen. Wir müssen uns für die sozialen Errungenschaften starkmachen. Wir werden wohl gefordert werden.“
„Das Land wird jetzt starke Gewerkschaften brauchen“, sagt sie weiter. Und das wohl in vielen Bereichen, vom Index über Lohnpolitik bis Arbeitsrecht, Gesundheit und Sozialversicherungen. „Es sieht aus, als würden wir künftig viel zu kämpfen haben. (…) Das macht uns erst mal nicht froh. (…) Wir kennen die DP- und CSV-Positionen zur Arbeitszeit. Die sind konträr zu den Interessen, die wir vertreten.“
Nun müsse man aber erst abwarten und sehen, welche Koalition zustande kommt, so Nora Back weiter. Dabei hofft sie, dass auch die Meinung der Gewerkschaften zu den wichtigsten Themen im Rahmen der anstehenden Koalitionsgespräche gehört wird. Nach den letzten Wahlen sei das der Fall gewesen.
Bedauern tut sie weiter, dass die Luxemburger Wähler mehr rechts gewählt haben. Von der Heftigkeit des Ergebnisses bei den Grünen gab sie sich überrascht. Fragen wie der Klimawandel müssten auch weiterhin ernst genommen werden, warnt sie. (cm)
Marc Theisen, Anwalt
„Das Wahlresultat fordert die klassischen Parteien dazu auf, sich noch einmal die richtigen Fragen zu stellen und zeigt auch, dass sehr viele Wähler einen Wandel und von Gambia weg wollten. Die Ergebnisse erlauben es den großen Parteien nicht, Freudensprünge zu machen“, sagt Marc Theisen.
Der ehemalige Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und heutige Vorsitzende der Jeunesse Esch zeigt sich überrascht über die Verluste von „déi gréng“, hat aber gleich mehrere Erklärungen parat: „In Luxemburg werden Köpfe gewählt. Die Grünen haben in den vergangenen Jahren mit Camille Gira und Felix Braz sehr gute Politiker verloren, die für jede Partei schwer zu ersetzen gewesen wären. Auch die Affäre Traversini hat große Schäden hinterlassen. Die Grünen haben aber auch sehr oft keine Politik mit dem Bürger gemacht. Viele Menschen fühlen sich von dieser Partei zu sehr in ihren Freiheiten eingeschränkt.“
Zwei Themen sind dem Anwalt in Zukunft besonders wichtig. Der Wohnungsbau und der Sport. „Wenn wir den ‚logement’ nicht geregelt bekommen, blüht uns eine Katastrophe.“ Nicht allzu positiv blickt er auf eine mögliche Neu-Besetzung auf dem Posten des Sportministers: „In den Koalitionsgesprächen spielt der Sport allerhöchstens die dritte Geige. Irgendwann zum Schluss bekommt dann einer dieses Ressort zugeschustert. Die Tageblatt-Analyse der Wahlprogramme hat gezeigt, dass nur sehr wenige Parteien den Sport wertschätzen.“
Theisen geht davon aus, dass es zu einer DP-CSV-Koalition kommen wird und kann sich vorstellen, dass Xavier Bettel Premier bleibt: „Ich glaube, dass die CSV aus der Vergangenheit gelernt hat. Sie wurde auf eine Ersatzrolle gedrückt, aus der sie nicht mehr herauskam. Diesmal werden sie wohl vorsichtiger verhandeln.“ (del)
Jean-Paul Olinger, UEL
„So wie die Zahlen jetzt vorliegen, ist klar, dass Gambia keine Mehrheit mehr hat“, stellt Jean-Paul Olinger, Direktor der UEL, nach der ersten nationalen Hochrechnung fest. „Ich erwarte mir jedoch nicht, dass wir heute schon wissen, aus wem sich die nächste Regierung zusammensetzt.“ Es sei wichtig, dass in einer nächsten Regierung vor allem über die Wettbewerbsfähigkeit der Luxemburger Wirtschaft geredet werde, damit Luxemburg seinen Sozialstaat auch weiterhin finanzieren könne.
Der Wohnungsbau sei die Priorität Nummer eins, die eine nächste Regierung in Angriff nehmen müsse. „Das bezieht sich nicht nur auf die Eigenheimbesitzer, sondern auch auf alle anderen“, sagt Olinger. Der UEL-Direktor meint, dass sich die nächste Regierung einen Fahrplan gibt, um bis 2040 100.000 Wohneinheiten zu bauen. „Da können Wohnungen dabei sein, die dem Staat gehören oder dem Gesundheitssektor überlassen werden, damit die Arbeitnehmer auch in Luxemburg wohnen können.“ Es müsse eine Vision vorgelegt werden, die dann auch konsequent umgesetzt werden kann. (siw)
Romain Wolff, CGFP
„Für mich war die Frage des Abends, ob die Regierung zu dritt weiterregieren kann“, sagt CGFP-Präsident Romain Wolff nach einer ersten Hochrechnung gegen 21 Uhr. „Jetzt scheint klar, dass es keine weitere Gambia-Regierung geben wird.“ Die Grünen hätten dabei weitaus mehr verloren, als er es sich hätte ausmalen können. Präferenzen für eine Regierungskoalition habe Romain Wolff keine – „solange sie für einen starken öffentlichen Dienst eintritt“. In dem Fall lasse sich mit jeder Partei reden.
Die Priorität einer nächsten Regierung liege ganz klar bei einer Steuerreform. „Bis diese Form annimmt, müsste die Regierung auch bei der Anpassung der Steuertabelle an die Inflation weiter machen“, sagt Romain Wolff. „Die Steuerreform steht seit zehn Jahren aus. Es wird höchste Zeit, dass sich etwas tut.“ (siw)
Alain Schmit, AMMD
Alain Schmit von der Ärztevereinigung AMMD stellt fest, dass im Wahlkampf vermehrt über Gesundheitspolitik diskutiert wurde. „Das ist gut, weil das eines unserer Anliegen war“, sagt Schmit. Es seien ja auch wieder mehrere Ärzte auf den Parteilisten vertreten gewesen. Es bleibe die Feststellung, dass Gambia nicht weiterregieren könne. Wie es weitergehe, könne er jedoch nicht beurteilen.
„Es ist egal, wer Gesundheitsminister wird“, sagt Alain Schmit. Es gebe viel Arbeit und Probleme, die nicht gelöst worden seien. Eine Präferenz für eine CSV-DP-Regierung wollte der Präsident der AMMD aber nicht aussprechen – trotz scharfer Attacken vonseiten der AMMD auf Gesundheitsministerin Paulette Lenert. „Es kommt aufs Resultat an, egal mit welchem Minister von egal welcher Partei.“ (siw)
Turnup Tun, Künstler
„Ech sinn zimmlech enttäuscht, wann net souguer schockéiert vum Walresultat. Ech als Artist fannen et eng Schan, dass eng Partei, déi ganz kloer rietsradikal Memberen huet, sou vill Sëtz krut. Ech hätt mer vu Lëtzebuerg erhofft, méi woke ze sinn, mee dat schéngt wuel leider net de Fall ze sinn. Ausserdeem hunn ech héieren, dass bei ville jonke Studenten d’Bréifwal net oder net mat Zäiten ukomm ass, soudass si net wiele konnten. Op dat lo eng grouss Influenz op d’Resultat huet, weess ech net. Op alle Fall gëtt alt erëm eng Kéier kloer, dass Lëtzebuerg en erzkonservatiivt an deelweis rietsradikaalt Land ass, wat ech als oppenen EU-Bierger schäerfstens kritiséieren.“
Jean-Louis Zeien
„Das Wahlergebnis muss natürlich im Nachhinein noch analysiert werden und dann muss die Frage geklärt werden, was das bedeutet. Heißt das, dass der Klimawandel verleugnet wird? Falls das der Fall sein soll, dann würde ich mir ernsthafte Sorgen machen“, erklärt Jean-Louis Zeien. „Wir dürfen auf keinen Fall eine Krise gegen die andere ausspielen. Auch darf die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinanderklaffen. Immer mehr Kinder müssen in Armut aufwachsen, doch diese Themen wurden in den politischen Runden bislang häufig ignoriert. Diesen Herausforderungen muss sich die neue Regierung stellen“, fügt Zeien hinzu. (AH)
Sérgio Ferreira, ASTI
Für Sérgio Ferreira, politischer Direktor der
„Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI), war das Ergebnis am Sonntagabend nicht überraschend: „Die Tendenzen der vergangenen Wochen haben sich bestätigt. Die CSV geht gestärkt aus den Wahlen heraus, während die Grünen die klaren Verlierer sind.“ Erstaunt sei man allerdings über das Abschließen der ADR. „Wir als ASTI sind da, um für unsere Überzeugungen zu kämpfen. Wir setzen uns für ein Zusammenleben ein und müssen dementsprechend in diese Richtung investieren.“ Quer durch Europa habe der Anti-Migrationsdiskurs zugenommen, weshalb eine proaktive Politik im Sinne der sozialen Kohäsion betrieben werden müsse. Er fügt hinzu: „Wir können also nicht von einem positiven Ergebnis sprechen, wenn eine rechtsorientierte Partei gestärkt
wird.“ Ferreira hat aber noch einen anderen Wunsch: „Sollte die CSV eine Koalition eingehen, dann hoffe ich, dass das ‘S’ nicht vergessen wird. Wir wünschen uns von der zukünftigen Regierung, dass die demografisch-soziale Situation weiterhin berücksichtigt wird. Es gab in der Vergangenheit eine gute Zusammenarbeit mit den Familien- und Bildungsministerien. Es ist unheimlich wichtig, weiterhin unsere Projekte zu unterstützen, damit wir in Luxemburg bei einer Willkommenskultur bleiben.“ (chd)
Michel Reckinger, Unternehmer
„Es sieht ganz nach einer neuen Regierung, einer neuen Koalition aus“, sagt Michel Reckinger, Präsident der UEL und Fédération des Artisans, kurz vor zehn Uhr abends gegenüber dem Tageblatt. „Das scheint ein Fakt zu sein.“
„Für uns gilt dann, mit der neuen Regierung weiter für eine nachhaltige und starke Luxemburger Wirtschaft zu arbeiten.“ Es gelte die Betriebe zu stärken, damit diese den Sozialstaat stärken können. „Eine Wirtschaft für die Leute, die hier leben.“
Gleichzeitig wünscht er, gemeinsam mit der neuen Regierung eine „Vision 2030“ ausarbeiten zu können. „Wie soll sich Luxemburg in den kommenden sieben Jahren entwickeln? Wo will das Land dann sein? Wie viele Wohnungen wollen wir gebaut haben? Was ist der Plan für den Staatshaushalt? Wie geht es weiter mit der Verwaltungsvereinfachung?“ Von den Gewählten kenne jeder die Verantwortung. „Nun hoffen wir auf eine gute Zusammenarbeit. Wir wollen eine Vision entwickeln und dann die Wege dorthin finden.“ (cm)
Charel Ferring, LLJ
„Für uns waren es spannende Wahlen, bei denen wir uns auch einen politischen Wechsel erhofften“, sagt Charel Ferring, Präsident der „Lëtzebuerger Landjugend a Jongbaueren“ gestern kurz vor 23 Uhr. Er macht kein Geheimnis daraus, dass die Jungbauern mit den einzelnen sie betreffenden Ministerien in den vergangenen Jahren ihre Schwierigkeiten hatten. Auch deshalb sei es beispielsweise keine Katastrophe, dass die Grünen „geschwächt“ wurden. „In der Gesellschaft merkt man überall ein bisschen die Unzufriedenheit mit den Grünen. Das ist im Bauernstand genauso.“
Von der neuen Regierung erwartet sich Ferring vor allem Planungssicherheit. Ein Junglandwirt, der „sich installiert, soll eine klare Idee bekommen, wo die Politik langfristig mit der Landwirtschaft hin will, sodass man sich einen zukunftsfähigen Betrieb aufbauen kann“. (jw)
Roger Spautz, Greenpeace
„Die Grünen haben verloren und andere kleine Parteien haben gewonnen. Die CSV hat am meisten Stimmen erhalten.“ Das Wahlergebnis bezeichnet Roger Spautz von Greenpeace Luxemburg als „keine gute Nachricht“. Etwa in der Anti-Nuklear-Politik: „Die CSV ist eher pro-nuklear. Sie will neue Investitionen nicht ausschließen.“ Die Koalition aus Grün-Blau-Rot sei hingegen stark anti-nuklear gewesen.
Auch bei einer Bewertung der Klimapolitik der CSV durch Nichtregierungsorganisationen habe es schlechte Noten gegeben, sagt er weiter. „Mit der CSV werden viele wichtige Dossiers wohl nicht so vorangetrieben werden wie bisher. Das ist natürlich nicht gut.“
Dossiers wie Energie- und Klimapolitik seien komplizierte Themen, meint er zur Erklärung des Ergebnisses. „Die Leute erkennen die Notwendigkeit nicht immer. Dabei sagen die Wissenschaftler, dass es dringend ist.“ Aber einschränken wolle sich halt nicht jeder. Nun müsse man abwarten und sehen, wie die Regierung aussehen wird, und wer welches Ministerium erhält.
„In der Energiepolitik wurde ein guter Job geleistet“, lobt er die Politik der letzten Jahre. „In den Jahren davor war der Umstieg verschlafen worden. Mal sehen, ob sich die Neuen der Herausforderung stellen wollen?“ (cm)
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