Wahlen / Nach großherzoglicher Audienz: Bettel-Regierung nur noch geschäftsführend im Amt
Das politische Bild Luxemburgs hat sich in der Wahlnacht vom 8. Oktober gehörig verändert. Das Land wird fortan nicht von einer Dreierkoalition geführt werden. Wie es genau weitergeht, liegt in den Händen des Großherzogs.
Die Praxis in der Chamber
Die neue Chamber tritt erstmals am 24. Oktober in einer ersten Sitzung zusammen. Das erste Zusammenkommen der neuen Chamber wird in der Verfassung geregelt: „Die Abgeordnetenkammer tritt von Rechts wegen am dritten Dienstag nach dem Wahltag in öffentlicher Sitzung zusammen, um die Berechtigung ihrer Mitglieder zu überprüfen“, heißt es in Artikel 67.
Die Sitzung wird vom dienstältesten Abgeordneten geleitet, der von den beiden jüngsten Abgeordneten unterstützt wird. Laut Chamber-Präsident Fernand Etgen wird diese Ehre Michel Wolter (CSV), Liz Braz (LSAP) und Luc Emering (DP) zuteil. Aus den drei Personen setzt sich auch das provisorische Chamber-Büro zusammen. Weil einige der Abgeordneten noch einen Ministerposten in der scheidenden Regierung innehaben, bleiben deren Plätze im Plenum vorerst leer.
Alle Augen sind am Montagmorgen auf den großherzoglichen Palast in Luxemburg-Stadt gerichtet. Großherzog Henri empfängt im Laufe des Tages nach Premierminister Xavier Bettel (DP) und Chamber-Präsident Fernand Etgen (DP) alle Parteien. Dem Luxemburger Staatschef kommt bei der Bildung einer Regierung nämlich eine entscheidende Rolle zu: Er bestimmt, ob erst ein „Informateur“ ernannt werden muss oder ob mit der Ernennung eines „Formateurs“ direkt mit den Sondierungsgesprächen begonnen werden kann.
„Ich habe dem Großherzog die Demission der Regierung offiziell überbracht“, sagt Premierminister Xavier Bettel. Die Dreierkoalition aus DP, LSAP und „déi gréng“ ist somit nur noch geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung vereidigt werden kann. Ob die politische Stimmungslage der Ernennung eines „Informateurs“ bedarf, will Bettel am Montagmorgen nicht einschätzen. „Das ist die alleinige Entscheidung des Großherzogs“, sagt Bettel nach seiner Audienz. „Wenn alles klar ist, wird ein Formateur ernannt, andernfalls ein Informateur.“
Nachdem Premierminister Bettel Fernand Etgen vor dessen Audienz noch die Krawatte gerichtet hatte, ist Etgen beim Großherzog vorstellig geworden. „Ein gutes Gespräch“ hatte der DP-Politiker eigenen Aussagen zufolge mit dem Luxemburger Staatschef. „Wir haben einen Rückblick über die vergangenen Jahre gemacht, die sehr bewegend waren“, sagt Etgen. Die DP-Parteigremien sollten noch am Nachmittag zusammenkommen. Weitere Infos habe Etgen noch keine. „Ich halte mich als Chamber-Präsident aber auch weiter zurück, weil die Chamber anders als die Regierung bis zum 24. Oktober nicht nur geschäftsführend, sondern funktionsfähig bleibt.“
Der Präsident des Staatsrates, Christophe Schiltz, will am Montagmorgen keine Aussagen vor der versammelten Presse machen. „Es liegt an den Politikern“, sagt Schiltz.
Als erste Partei nach Regierungschef, Chamber-Präsident und Staatsrat-Vertreter ist die LSAP gegen 11 Uhr beim Großherzog vorstellig geworden. „Wir hatten ein Gespräch mit dem Großherzog und dem Erbgroßherzog über den Wahlsonntag“, sagt Co-Parteipräsidentin Francine Closener nach der Audienz. „Wir haben gemeinsam festgestellt, dass die LSAP Wahlgewinner und zweitstärkste Partei ist und bereit für einen Dialog bei künftigen Koalitionsgesprächen ist.“ Die Parteileitung der LSAP werde am frühen Nachmittag zusammenkommen. „Wir werden die Situation analysieren und danach kommunizieren“, sagt Closener. Wie bereits Spitzenkandidatin Paulette Lenert am Wahlabend angekündigt habe, sei die LSAP aber für Koalitionsgespräche bereit – Genaueres werde die Parteileitung im Laufe des Tages noch entscheiden, sagt Co-Parteichef Dan Biancalana.
DP-Parteipräsident Lex Delles hält sich nach seiner Audienz beim Großherzog bedeckt. „Den Inhalt meines Gespräches mit dem Großherzog bleibt vertraulich.“ Die DP sieht er als natürlichen Koalitionspartner einer CSV. „Wir haben prozentual in jedem Bezirk zugelegt und haben zwei Sitze hinzugewonnen“, sagt Delles. Dass die LSAP mit mehr Stimmen ebenfalls ihre Fühler ausgestreckt hat, will der DP-Minister nicht weiter kommentieren und meint lediglich: „Wir haben den Anspruch als Wahlgewinner.“ Die DP-Parteigremien sollen am Montagabend zusammenkommen.
Grünen unter Schock
Am Nachmittag erscheinen dann auch die Grünen beim Großherzog zur Audienz. „Wir haben mit dem Großherzog das Wahlergebnis von gestern Abend analysiert, auch wenn eine vollumfängliche Analyse noch immer sehr schwierig ist“, sagt Co-Parteipräsidentin Djuna Bernard. Innerhalb der Partei habe man mit der Aufarbeitung des Wahlergebnisses begonnen. Ob François Bausch seinen Posten in der Chamber für die Grünen-Präsidentin räumen wird, steht noch nicht fest. Die Partei habe jedoch immer versucht, junge Generationen aufzubauen. Zumindest ein Hinweis darauf, dass Djuna im Laufe der Legislatur-Periode in die Chamber nachrücken könnte. Bis es jedoch so weit sei, müsse sie schauen, ob sie auf ihren bisherigen Posten weiterarbeite.
Dadurch, dass die Partei von neun Parlamentssitzen und fünf Ministern auf lediglich vier Abgeordnetenmandate gestürzt ist, geht mit der Fraktionsstärke im Parlament auch eine wesentliche finanzielle Unterstützung verloren. „Wir haben uns heute Morgen bereits damit beschäftigt“, sagt Co-Parteipräsident Meris Sehovic. Man habe gut gewirtschaftet und werde versuchen, ein möglichst „stabiles Umfeld“ zu bieten. Er könne aber nicht ausschließen, dass man einige Mitarbeiter entlassen müsse. Man habe sich aber bereits mit den Mitarbeitern in der Parteizentrale getroffen und die Situation erläutert.
Personelle Konsequenzen werden es jedoch keine geben, meint Sehovic. „Die Konsequenzen hat uns der Wähler gestern mit auf den Weg gegeben.“ Es gehe nun darum, in der Chamber für eine Klimapolitik zu kämpfen, die den Klimawandel und die Biodiversitätskrise anerkenne.
Siegesgewisse CSV, stille Linke
Die beiden CSV-Co-Präsidenten Claude Wiseler und Elisabeth Margue treten derweil mit einem breiten Grinsen vor die Presse. Man habe mit dem Großherzog die Analyse des Wahlabends gemacht, so Margue. Fakt sei, dass die CSV stärkste Kraft im Land ist. Ob die CSV denn nun die Wahl zwischen DP und LSAP habe? „Ja, da sprechen die Zahlen für sich“, sagt Wiseler. „Die Priorität liegt auf einer stabilen Regierungskoalition.“ Luc Frieden habe bereits informelle Gespräche mit den beiden anderen Spitzenkandidaten geführt. Für weitere Entscheidungen müsste erst das Exekutivkomitee der Partei am Abend zusammenkommen.
Gary Diederich zeigt sich nach seiner Audienz beim Großherzog eher weniger gesprächig. „Ich kann über den Inhalt unserer Gespräche natürlich nichts sagen“, meint der Linken-Sprecher nach dem Empfang. „Das Resultat ist ernüchternd für die Zukunft Luxemburgs.“ Es sei ein Resultat, das nicht auf der Höhe der Herausforderungen der Zeit liegen würde. Für die Opposition ermöglichten sich durch die Bündelung progressiver Kräfte eventuell neue Optionen. „Wir können ein progressives Gegenprojekt für Luxemburg entwerfen.“
Mit einer ADR mit Fraktionsstärke dürften es demnach interessante fünf Jahre in der Chamber geben. „Das wird spannend, auch wenn wir manchmal auch progressive Positionen haben“, sagt der ADR-Parteivorsitzende Fred Keup im Anschluss an seine Audienz mit dem Großherzog, mit dem er ein „gutes“ Gespräch geführt habe. „Wenn es sich denn herausschält, dass es eine CSV-DP-Regierung wird und die LSAP in die Opposition kommt, wird das eine starke Opposition“, meint Keup – auch wenn man beispielsweise nicht immer auf einer Linie mit der LSAP liege.
Auch die Piraten sind am Montag mit ihren beiden Sprechern Starsky Flor und Rebecca Lau beim Großherzog gewesen. „Der Großherzog hat uns zu unserem Wahlresultat gratuliert“, sagt Starky Flor. „Wir haben dann auch über die Probleme im Land geredet und was es zu verbessern gilt.“ Über das Ergebnis von gestern freue man sich und schaue auf die nächsten Challenges, ergänzt Lau. „Wir hatten uns einen Zuwachs von mindestens einem Sitz erhofft“, sagt Flor. Einen zweiten Sitz habe man leider nicht hinzugewinnen können. „Der zusätzliche Sitz im Norden erlaubt es uns jedoch, besser zu arbeiten.“ Ob die Piraten, die mit drei Sitzen ebenfalls keine Fraktionsstärke erreichen konnten, wieder ein „groupement technique“ bilden wollen, steht noch aus. „Wir treffen uns am Donnerstag und dann wird über alles geredet“, sagt Piraten-Sprecher Starsky Flor.
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