Wahlsystem / Das Drama mit den Restsitzen
Die ADR schrammt an einem noch größeren Erfolg vorbei, „déi gréng“ verpassen den Fraktionsstatus und die LSAP geht zweimal leer aus. Bei der Verteilung der Restsitze im Parlament gab es einige knappe Rennen.
Die LSAP wird bei den Parlamentswahlen zweitstärkste Kraft, bekommt aber drei Sitze weniger als die schwächere DP. Wie das sein kann? Willkommen im System der Restsitzverteilung. Oder wie Franz Fayot (LSAP) es nennt: „die Absurdität unseres Wahlsystems“. Das hat auch in diesem Jahr einige sehr knappe Ergebnisse geliefert.
Die beiden großen Gewinner bei der Verteilung der Restsitze sind CSV und DP. Die beiden Parteien konnten in jedem der vier Wahlbezirke jeweils einen Restsitz für sich entscheiden. Auf Platz zwei folgt die LSAP mit zwei Sitzen, einen im Zentrum und einen im Süden. Dass man sich bei den Sozialisten am Wahlabend trotzdem als Verlierer und Benachteiligte dieses Systems sah, lag vor allem daran, dass die Partei zwei weitere Plätze knapp verpasste.
Das Paulette-Lenert-Effektchen
Im Norden war man mit dem Wunsch angetreten, den zweiten Sitz zurückzugewinnen, der 2018 verloren gegangen war. Dieses Ziel hat die LSAP nur um wenige Kreuzchen verfehlt. Mit 29.110 Stimmen holten sich die Piraten im Norden das neunte zu vergebene Mandat – gerade einmal 527 Stimmen fehlten der LSAP. Das sind umgerechnet 59 Wähler, die ihr Kreuz bei der Liste der LSAP hätten setzen müssen.
Im Osten gewann die ADR das siebte und letzte Mandat relativ deutlich vor der LSAP. Wenn man sich diese Zahlen anschaut, kommen Zweifel auf am Paulette-Lenert-Effekt, der im Heimatbezirk der Spitzenkandidatin trotz eindrucksvollem Sieg bei den persönlichen Stimmen eher ein Paulette-Lenert-Effektchen war. Der LSAP fehlten 3.753 Stimmen für einen Restsitz für den zweitplatzierten Ben Streff. Das sind 537 Listenwähler. Im kleinsten Wahlbezirk des Landes ein doch recht weiter Weg.
Rennen um Fraktionsstärke
Ein besonders dramatisches Restsitzrennen lieferten sich LSAP und „déi gréng“ im Zentrum. Letzteren fehlten 3.218 Stimmen, um der LSAP den 21. Sitz wegzuschnappen – und mit fünf Sitzen insgesamt doch noch ihre Fraktionsstärke behalten zu können. 154 Wähler hätten im Zentrum die Liste von „déi gréng“ ankreuzen müssen, damit Djuna Bernard, Co-Parteipräsidentin, ihren Platz in der Chamber hätte verteidigen können.
Das engste Resultat dieser Wahl aber gab es im Süden. Das Rennen um den letzten Restsitz machte die DP. Dicht gefolgt von der ADR, die im größten Bezirk des Landes an einem noch größeren Erfolg vorbeigeschrammt ist. Für den Restsitz und damit den Einzug von Vizepräsident Dan Hardy ins Parlament als sechster ADR-Abgeordneter fehlten 1.522 Stimmen – oder 67 Listenwähler. Dahinter folgen die Piraten mit 2.593 Stimmen oder 113 Wählern und die LSAP mit 2.953 Stimmen oder 129 Wählern Rückstand.
Die Verteilung der Chamber-Sitze in vier Wahlbezirken mit festgelegten Mandaten wird immer wieder kritisiert. Welch entscheidende Rolle die aktuelle Aufteilung für das Wahlergebnis spielt, zeigt sich, wenn man in einem Gedankenspiel die 60 Sitze des Parlaments auf die Parteien verteilt, als sei Luxemburg ein einziger Wahlbezirk. In dieser Rechnung bleiben der CSV nur 18 statt 21 Sitze. LSAP und DP liegen gleich auf mit jeweils 12 Sitzen – was ihrem Stimmenverhältnis eher entspricht als die Verteilung 11/14. Die Grünen behalten Fraktionsstärke mit fünf Sitzen, die ADR kann auf sechs Sitze aufstocken, die Piraten auf vier. Auch Fokus erhält einen Sitz, „déi Lénk“ zwei.
So werden die Sitze im Parlament verteilt
Ausgangspunkt der Rechnung zur Vergabe der Sitze im Parlament ist die Zahl der im Bezirk abgegebenen gültigen Gesamtstimmen („Nombre total des suffrages valables de toutes les listes“). Diese wird durch die Zahl der zu vergebenen Mandate plus eins geteilt. Das ergibt den sogenannten Wahlquotienten („Nombre électoral“). Mithilfe des Wahlquotienten wird für jede Partei ein weiterer Quotient ausgerechnet, in dem die Gesamtstimmenzahl der Partei („Suffrages nominatifs“ und „Suffrages de liste“) durch den Wahlquotienten geteilt wird. Der Zahlenwert vor dem Komma ergibt die Anzahl der Sitze, die diese Partei gewinnt. Das ist die erste Verteilung.
In den meisten Fällen bleiben nach diesem Prozedere jedoch noch Restplätze übrig, die in weiteren Runden vergeben werden müssen. Dafür wird die Gesamtstimmenzahl aller Parteien durch die Zahl ihrer bereits gewonnenen Sitze plus eins geteilt. Diese neuen Quotienten werden dann miteinander verglichen. Der höchste Wert gewinnt und erhält den Sitz. Das ist die zweite Verteilung. Sind mehr als ein Restsitz zu vergeben, startet dieser Rechenschritt erneut – mit dem Unterschied, dass sich beim Gewinner der letzten Runde die Zahl der Sitze um eins erhöht. Die Rechnung wird so lange wiederholt, bis alle Sitze verteilt sind.
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Keen Drama, mee e Witz an eng dréckeg Ongerechtegkeet!