Neue Koalition / Wer wird Luxemburg (vielleicht) bald regieren? Ein Blick in die Kristallkugel
Wie wird unsere künftige Regierungsmannschaft aussehen? Luc Frieden, Xavier Bettel und Co. zerbrechen sich gerade die Köpfe darüber. Für das Tageblatt hat der Wahlflüsterer in die Kristallkugel geschaut.
Luc Frieden gibt Gas. Der designierte Neu-Premier lud am Mittwoch in seiner Rolle als Formateur die Verhandlungsdelegationen seiner CSV und der DP nach Senningen. In dem Schloss sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden – beziehungsweise Ministerien mit den passenden Minister- und Ministerinnennamen versehen werden.
Wie es aussieht, könnte das alles rasch vonstattengehen. Frieden zeigte sich gestern nach der ersten Runde „extrem zufrieden“. Die Wahlprogramme der Liberalen und der Konservativen waren in vielen Punkten nahezu deckungsgleich. Schwarz und Blau stehen sich in Luxemburg zudem und seit jeher in zahlreichen Hinsichten ideologisch nahe. Der Tageblatt-Redaktion geht es aber nicht anders als dem Rest des Landes. An jedem Mittagstisch und in jedem Café, zu jedem Familienfrühstück und in jeder Dartsrunde wird wild spekuliert: Wer wird was?
Zudem scharren einige Gewählte bereits eifrig mit den Hufen. Die Frauen und Männer mit ausreichend Kreuzchen hinter ihrem Namen (und, nicht zu vergessen, jene heimlich im Hintergrund lauernden) wollen ebenfalls wissen, was aus ihnen wird, ob sich die ganzen Mühen des Wahlkampfes und die Parteiarbeit endlich gelohnt haben und sie erstmals oder erneut zu Ministerehren kommen.
Um die kaum auszuhaltende Spannung etwas herauszunehmen, haben wir unsere Kristallkugel aus dem Keller geholt, den Staub abgeblasen und hineingeschaut. Und wir haben unseren Wahlflüsterer zur Verstärkung dazugeholt, der sonst nur samstags auftaucht, Sie aber weiterhin in gewohnter Form am Wochenende informieren wird. Was wir sahen, ist ein erster, sehr gewagter Blick auf eine neue Regierungsmannschaft.
Festgestellt haben wir bei unserem Blick in die Zukunft zuerst einmal eine Sache – dass das gar nicht so leicht sein wird, alle potenziellen Anwärter zufriedenzustellen. Lange Gesichter sind damit vorprogrammiert. Bereits vorher war gewusst, dass, schaut man bloß auf die Gewählten, nur wenige Frauen zur Verfügung stehen. Was aber nicht verwundert, wenn man bedenkt, dass sich weder CSV noch DP zu schade dafür waren, ihre Bezirksdoppelspitzen auch mit zwei Männern zu besetzen. Politisches Manspreading war das, doch jetzt haben sie den Salat – und werden schlechte Launen und Enttäuschungen managen müssen, wenn Frauen von außen einige Platzhirsche verdrängen werden.
Zwei Prämissen
Ab hier beginnt dann der rein spekulative Teil unseres Textes, zu dem man auch gut eine Tüte Chips oder Popcorn essen kann. Los geht’s:
Prämisse 1: Ausgehend davon, dass in einer Zweierkoalition weniger Ministerien benötigt werden als in einer Dreierkoalition, wird es in der Regierung Frieden I im Vergleich zur Regierung Bettel II nur 13 statt 17 Ministerien geben. Davon gehen acht an die CSV und fünf an die DP. Garniert wird das mit fünf Staatssekretärinnen und -sekretären. Hier wird die CSV nur zwei stellen, die DP aber drei.
Prämisse 2, die verschiedenen Ressorts mit den (un)passenden Köpfen.
Der Griff nach der Macht von Luc Frieden spiegelt sich am Mittwoch auch bei Friedens Griff nach den Brötchen am Buffet im Schloss Senningen wider. Der ehemalige „Dauphin“ von Jean-Claude Juncker wird, klar, Staatsminister, krallt sich aber auch noch das Finanzministerium dazu. Wie er es unter JCJ gelernt hat. Unterstützung holt er sich hier von außen. Seine frühere hohe Beamtin aus dem Finanzministerium, Sarah Khabirpour, kehrt als Kabinettschefin oder als Staatssekretärin für Finanzen zum mittlerweile Hashtag-Luc gewordenen Frieden zurück und findet ihn nun jünger und frischer vor, als er vor zehn Jahren war. Khabirpour war zu Zeiten, als Frieden Finanzminister war, eine seiner engsten Beraterinnen und verließ das Finanzministerium damals kurz nach Friedens Abschied.
Das ist auch gleich die erste bittere Kröte, die geschluckt werden muss. Auf das Finanzministerium war, sagt zumindest unsere Kristallkugel, auch Gilles Roth scharf. Der stark gewählte Finanz- und Justizexperte der CSV muss sich aber mit dem Justizministerium begnügen. Vielleicht bekommt er noch das Budget dazu.
Xavier Bettel, dessen Vorliebe für das Reisen und die internationale Bühne niemandem verborgen blieben, macht Frieden gerne Platz, wenn er Außenminister werden kann. Nach dem Außenhandel werden jetzt auch die Landesverteidigung und die Immigration aus dem Ressort herausgelöst. Die Medien behält Bettel einstweilen, was auch die Paperjam-Redaktion beruhigt. So kann Bettel reisen, ohne auf jedem Flug Dossiers studieren zu müssen. Und dabei weiter von der internationalen Karriere als EU-Ratspräsident in Brüssel träumen, für die sich im kommenden Jahr ein Türchen öffnen könnte.
Yuriko Backes wird über einem neuen Ministerium thronen, jenem für Wirtschaft, Mittelstand und Tourismus. Schon vor den Wahlen hatte Yuriko Backes Interesse am Wirtschaftsministerium bekundet. Die langjährige Diplomatin könnte dann auch auffällig unauffällig auf den Außenministerposten schielen, sollte Bettels Absprung nach Brüssel Wirklichkeit werden.
Lex Delles, Bettels Sidekick in der letzten Regierung, wird befördert vom Minister für Mittelstand und Tourismus zum Minister für Arbeit und „Fonction publique“ und bekommt obendrein noch das Digitale dazu, das für die „Simplification administrative“ so wichtig ist – und würde bei einem Abgang Bettels die Rochade mitmachen und für Backes nachrücken. Dann käme auch Carole Hartmann, Bürgermeisterin von Echternach, in die Regierung, die jetzt offenbar noch zögert. Hartmann könnte aber auch als Vorsitzende der DP-Fraktion im Parlament eine gewichtige Rolle einnehmen – und müsste ihren Bürgermeisterposten somit nicht nach ein paar Monaten wieder räumen.
Das nächste DP-Schwergewicht lässt die Bildung hinter sich und positioniert sich für die Zeit eines Luxemburgs ohne Bettel als nächster Kopf der DP. Claude Meisch wird demnach Superminister für Logement – inklusive Mobilität, Travaux publiques und Landesplanung. Ein, zwei Staatssekretäre werden hier helfen, die Arbeit zu bewältigen. Für Frieden würde sich somit auch die Gelegenheit bieten, einen CSV-Staatssekretär einem der Ressorts zuzuteilen und somit seinen Einfluss in dem künftigen Superministerium zu wahren.
Einer geht noch von der DP. Das ist Max Hahn, der vor dem Sommer von Bettel als Minister für Familie und Wahlkampf in die Regierung geholt wurde. Ein Plan, der übrigens nahtlos aufging. Hahn behält die Familie und übernimmt noch die Ressorts Chancengleichheit und Integration. So wird Hahn auch einige wichtige Auftritte in Brüssel und in der Welt auf dem Menü haben.
Jetzt aber zu den CSV-Würdenträgerinnen und -trägern, die unsere nächste Regierung mit ihrer „neuen Politik“ beglücken wollen. Wie schon betont, alles weiterhin nur Szenarien eines Wahlflüsterers:
Léon Gloden und Martine Hansen müssen rein in die Regierung. Er ist im Osten gewählt, sie im Norden, und dank unseres Wahlsystems haben sie sich damit unumgänglich gemacht für das nächste Kabinett. Martine Hansen, ehemals Direktorin der Ackerbauschule, bekommt die Ressorts Bildung, Kultur und Kultus. Léon Gloden, Bürgermeister von Grevenmacher, und mit einem Hang zur „Law and order“-Politik, wird Minister für Polizei und Verteidigung, wo sich auch die Cybersecurity wiederfinden könnte. Vielleicht schnappt Gloden sich aber auch noch das Ressort der Immigration und ergänzt es um den Aufgabenbereich der Expulsion.
Gesund und sportlich soll Luxemburg ebenfalls bleiben, ein bisschen weiblich auch, weswegen Nancy Kemp-Arendt die neue Paulette wird und das Gesundheitsministerium übernimmt – und, als ehemalige Schwimmerin, den Sport gleich noch hinzubekommt. Gérard Schockmel campiert zwar schon mit seinem Zelt auf der Cloche d’Or vor dem Gesundheitsministerium, von wo aus er auch schnell bei RTL und dem Radio 100,7 ist, um in Interviews seine zahlreichen Qualifikationen herunterzubeten. Doch die Kunst der politischen Rechnung hat der Pandemie-Star offenbar noch nicht drauf. Die besagt, dass, wer sich zu schnell zu weit aus dem Fenster lehnt, am Ende vielleicht herunterfällt. Die Rechnung obendrein ohne die Schwergewichte von CSV und DP zu machen, läuft allen politischen Hygienemaßnahmen zuwider.
Das Innenministerium käme dann in die Hände von CSV-Shootingstar Elisabeth Margue, die damit in die Fußstapfen einer anderen Frau auf dieser Position treten würde. Bislang leitete LSAP-Politikerin Taina Bofferding das Ressort.
Falls Martine Hansen neben der Bildung doch nicht die Ressorts Kultur und Kultus bekommen sollte, gäbe es Ersatzkandidaten. Zusammen mit der Entwicklungszusammenarbeit sind dies die Ressorts, die mit Jokern besetzt werden können. Anbieten könnte die CSV hier beispielsweise Christophe Hansen oder Paul Galles. Weil zwei CSV-Minister aus dem Norden vielleicht zu viel des Guten sind, böte sich für Christophe Hansen auch noch die Rolle des CSV-Fraktionschefs an. Mit seiner langjährigen Erfahrung im EU-Parlament wäre das bestimmt ein Klacks für ihn.
Um die Landwirtschaft und Umwelt wird sich Stéphanie Weydert kümmern, die selbst einer Bauerndynastie entspringt. Sollte sich hingegen der direkt Gewählte Paul Galles durchsetzen können, könnte sich der Posterboy der umweltbemühten Konservativen das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium sichern – Weydert könnte dann immerhin noch die Rolle der Staatssekretärin winken.
Man kann nicht immer gewinnen
So viel zu dieser Rechnung, die noch größtenteils ohne jene gemacht ist, die von außen dazustoßen könnten. Besonders Xavier Bettel hat in der Vergangenheit mit der einen oder anderen Personalie überraschen können. Und ohne den Job des Parlamentspräsidenten – beziehungsweise der Chamberpräsidentin, für die sich beispielsweise Diane Adehm anbieten würde.
Einen wichtigen Mann im Puzzle haben wir nicht vergessen: Claude Wiseler. Nachdem er die Partei als deren Vorsitzender wieder in die Regierungsverantwortung geführt hat, winkt ihm nach ein paar Monaten Chamberarbeit der Posten eines EU-Kommissars als Abschluss einer langen politischen Karriere.
Lange Gesichter wird es wohl unter anderem bei Michel Wolter, Marc Spautz und auch Georges Mischo geben. Aber unter Sportlern ist gewusst: Man kann nicht immer gewinnen. Das weiß auch der Wahlflüsterer.
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Paul Galles,ehemaliges „Enfant terrible“ der „Fir de Choix“ Truppe als Umwelt Engel. Gute Wahl. Und auch Wolter,der Mann für’s Grobe, ist gut auf der Reservebank aufgehoben.
Und wer wird Energieminister? Oder bleibt dieser heiße Stuhl außerhalb der Koalition bei Claude Turmes? Damit man schließlich bei jeder Benzinpreiserhöhung auch weiterhin auf die Grünen hauen kann?
und Gott sprach:
„der Friede ’n‘ sei mit Euch“
Und wer wird nicht zu Ministerehren kommen? Oder wird es eine „Wasserkopf“regierung?
Hat schon irgendjemand was von Herr Bausch nach den Wahlen gehört?