Porträt / Claire Delcourt weiß, wie man Menschen für etwas begeistern kann
Claire Delcourt war eine der Überraschungen des Wahlsonntags. Die LSAP-Politikerin sicherte ihrer Partei einen dritten Sitz im Zentrum. Neben Liz Braz ist Delcourt die zweite Jungsozialistin, die den Sprung in die Chamber geschafft hat. Ein Porträt.
Als am Sonntagabend um 22.57 Uhr nach der Auszählung der Stimmen in Nommern feststand, dass die LSAP einen dritten Sitz im Parlament gewonnen hat, war Claire Delcourt bereits zu Hause. Sie wollte eigentlich früh schlafen gehen. „Da mein Mann im Ausland war und mein Sohn bei meiner Mutter, wollte ich um 22.00 Uhr wieder zu Hause sein. Schlafen konnte ich allerdings nicht, dafür war die Aufregung dann doch zu groß“, erzählt die 34-Jährige am Mittwoch. Dass sie ins Parlament einziehen würde, war noch am frühen Abend, auf dem Weg zur Wahlparty im Melusina, „komplett unrealistisch“. Spätestens als die Glückwunsch-Benachrichtigungen auf ihrem Handy aufblinkten, realisierte Delcourt, dass es nun doch Realität wurde. Sie ließ unter anderem die bisherige Abgeordnete Cécile Hemmen und Santé-Direktor Jean-Claude Schmit hinter sich.
Als Treffpunkt für das Gespräch mit dem Tageblatt hat Delcourt den „Mutferter Haff“ ausgewählt. Der Reithof funktioniert als „Atelier thérapeutique et protégé“ und beschäftigt rund 50 Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auf der Terrasse der „Brasserie beim Pier“ genießt Delcourt die kleine Auszeit vom Trouble der vergangenen Tage. „Ich komme gerne hierhin“, so die 34-Jährige, die ihren Hund mit zum Treffen gebracht hat. Früher hatte Delcourt selbst Pferde. „Ich war noch immer ein naturverbundener Mensch und hatte immer mit Tieren zu tun.“
Claire ist so ein liebevoller Mensch, der immer mit ganzem Herzen bei der Sache istLSAP Hesperingen
Seit Sonntag versucht die junge Mutter sich zu erklären, wie sie so viele Stimmen sammeln konnte. „Ich war immer in Vereinen engagiert. Ich war immer ein bisschen überall“, so die LSAP-Politikerin. „Ich bin eine sehr offene Person, die gerne auf Menschen zugeht und sie miteinbezieht. Vielleicht hat das mitgespielt. Aber ich kann auch nur mutmaßen.“ Die Menschen in ihrer Gemeinde scheinen ihr den Erfolg jedenfalls zu gönnen. Am Mittwochmittag geht mehr als eine Person an ihrem Tisch vorbei und beglückwünscht sie.
Auf der Suche nach Herausforderungen
Es braucht nur wenige Minuten, bis einem klar wird, dass Delcourt eine Person ist, die Menschen mitreißen kann. Das bestätigt auch Rita Velazquez. „Claire ist so ein liebevoller Mensch, der immer mit ganzem Herzen bei der Sache ist.“ Die LSAP-Gemeinderätin aus Hesperingen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Delcourt sich politisch engagierte. Das war vor sieben Jahren. Damals war Delcourts älterer Bruder bereits bei der LSAP in Hesperingen aktiv. Gemeinsam mit Velazquez hat er versucht, junge Menschen zu rekrutieren, die sich politisch engagieren wollten. „Bis zu dem Zeitpunkt war ich politisch nicht engagiert. Ich habe das alles meinem Bruder zu verdanken. Der hat mich immer gepusht“, so Delcourt.
Was treibt Delcourt selbst an? „Ich war immer ein engagierter Mensch und ich bin davon überzeugt, dass es von großer Bedeutung ist, dass junge Menschen politisch aktiv sind. Ich will vor allem jungen Frauen zeigen, dass es möglich ist, Arbeit, Familie und Engagement unter einen Hut zu bekommen.“ Dass das nicht immer einfach ist, weiß die Mutter eines neun Monate alten Sohnes nur zu gut. Sie hat erst vor wenigen Monaten ein Masterfernstudium abgeschlossen. „Ich brauche immer irgendeine Herausforderung“, so Delcourt.
In der LSAP hat Velazquez dafür gesorgt, dass Claire Delcourt von Anfang an gefördert wurde. „Wir haben ihr recht schnell den Sekretärsposten anvertraut. Da konnte sie sowohl die Parteistrukturen als auch die Menschen kennenlernen“, sagt Rita Velazquez. Der Plan ging auf.
Eine schwierige Zeit
Bei den Gemeindewahlen 2017 wurde Delcourt Zweitgewählte, für den Gemeinderat reichte es nicht. Ihre Sektion unterstützte sie dabei, sich für die Parlamentswahlen 2018 aufzustellen. Es sprang Platz 14 heraus. 2019 zog es Delcourt in die Hauptstadt. Der Umzug hatte praktische Gründe. „Ich konnte zu Fuß zur Arbeit gehen, das war schon großer Luxus“, sagt Delcourt, die als Biologin bei der Kriminalpolizei arbeitet. 2022 zog Delcourt mit ihrem Mann in die Gemeinde Contern, wurde Kassiererin der örtlichen LSAP-Sektion und gleich als Co-Spitzenkandidatin für die Gemeindewahlen ausgewählt. Obwohl sie erst seit einem Jahr in der Gemeinde lebte, sicherte sie ihrer Partei den zweiten Sitz im Gemeinderat.
Dann begann eine schwierige Zeit für die junge Politikerin. Aufgrund einer Gesetzesänderung von 2018 war es ihr nicht möglich, das Mandat anzunehmen. Als Zivilist bei der Polizei darf man eigentlich auch in einem Gemeinderat sitzen. Allerdings steht in der Gesetzesänderung, dass zivile Beamte nur dann in den Gemeinderat eintreten dürfen, wenn sie keine polizeiliche Funktion ausüben. „Was darunter fällt, war aber nicht gleich klar“, so Delcourt. Da ein Großteil ihrer Arbeit mit der DNA-Datenbank zusammenhängt, wurde dies als Polizeiarbeit gewertet. „Meine Vorgesetzten haben noch versucht, eine Lösung zu finden, aber die Zeit war einfach zu knapp.“ Delcourt wollte auch nicht irgendeine Arbeit verrichten, nur um in den Gemeinderat einziehen zu können. „Wenn ich etwas mache, dann um einen Mehrwert zu schaffen, egal ob bei der Arbeit oder in der Politik.“
Claire ist ein sehr intelligenter Mensch, der immer einen Schritt weiter überlegt als die meisten anderenLSAP Contern
So musste sie auf das Mandat verzichten. „Es ging mir wirklich nicht gut. Wie sollte ich den Leuten erklären, dass ich mich aufgestellt habe, gewählt wurde und dann das Mandat nicht annehmen konnte?“ Für einen kurzen Augenblick verschwindet das Lächeln aus Delcourts Gesicht. Knappe vier Monate nach den Gemeindewahlen stimmt diese Episode sie immer noch nachdenklich. Sie hatte Angst, dass sich ihre Wähler von ihr betrogen fühlten. „So etwas würde ich nie machen. Hätte ich gewusst, dass ich das Mandat nicht annehmen darf, hätte ich mich nie aufgestellt.“
Familienalltag umkrempeln
Die Wähler haben es Delcourt nicht übelgenommen, wie man heute weiß. In Contern rückte Pol Thomé in den Gemeinderat nach. Er war auch überrascht vom Wahlerfolg seiner Parteikollegin, ist sich aber sicher, dass die in der Chamber genau richtig ist. „Claire ist ein sehr intelligenter Mensch, der immer einen Schritt weiter überlegt als die anderen. Sie hat sehr gute analytische Fähigkeiten, die ihr sicherlich zugutekommen werden.“ Für Thomé ist Delcourt aber auch in der Conterner Sektion eine wichtige Stütze. „Sie kann Menschen mitreißen, wenn sie von einer Idee überzeugt ist. Zugleich ist sie eine gute Zuhörerin und immer bereit, ihre Ideen anzupassen, wenn jemand Bedenken oder Verbesserungsvorschläge macht. Sie ist ein richtiger Teamplayer.“
Am 24. Oktober wird Delcourt in der Chamber vereidigt. Bis dahin hat sie noch einiges zu tun. „Wir müssen unseren gesamten Familienalltag neu organisieren, zudem will ich meine Arbeit bei der Polizei bis dahin möglichst gut abschließen. Es ist im Moment nicht immer einfach, einen kühlen Kopf zu bewahren.“ Wenn die Arbeit in der Chamber beginnt, sieht die 34-Jährige gleich ein paar Themen, die sie interessieren könnten. Familie und innere Sicherheit gehören dazu, aber vor allem Klima, Biodiversität und Umwelt. Sie sei schon immer ein Naturmensch gewesen und viele Leute hätten sie gefragt, wieso sie nicht bei den Grünen wäre. „Ich habe von klein auf gelernt, wie wichtig soziale Gerechtigkeit ist, und in meinen Augen ist es eine der größten Herausforderungen, Umwelt- und Klimaschutz sozial gerecht hinzubekommen. Dafür will ich mich einsetzen.“ Die LSAP scheint eine neue Umweltpolitikerin gefunden zu haben.
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