Radsport / Neue Sicherheitsdebatte: „Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden“
Bei einem schlimmen Sturz verletzen sich mehrere Rad-Topstars, darunter Tour-Sieger Jonas Vingegaard. Waren die Fahrer schuld? Die Organisatoren des nächsten Klassikers fordern eine Grundsatzdebatte.
Die Sturzserie von Top-Fahrern und die traumatischen Bilder des schwer verletzten Tour-de-France-Siegers Jonas Vingegaard erschüttern den Radsport. Der dramatische Unfall des Dänen, der bei der Baskenland-Rundfahrt neben Knochenbrüchen auch eine Lungenquetschung erlitt, verschärft die Sicherheitsdebatte – und löst auch bei den Organisatoren des nächsten schweren Klassikers Entsetzen aus.
„Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden“, sagte Thierry Gouvenou, Renndirektor von Paris-Roubaix. Der frühere Profi forderte in L’Equipe eine Grundsatzdebatte: „Fangen wir an, über die Geschwindigkeitsprobleme nachzudenken.“ Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen. Der deutsche Profi Simon Geschke fuhr nach dem Massencrash am Donnerstag vor Legutio an seinen gestürzten Kollegen vorbei. „Es war hundertprozentig die Schuld der Fahrer. Die waren einfach zu schnell. Die Straße war gut, es war trocken. Es war keine Kurve, die völlig überraschend kam“, sagte der 38-Jährige. „Ich bin froh, dass keiner im Koma liegt“, fügte Geschke hinzu.
„Stürze sind nie etwas, das wir im Radsport sehen wollen. Leider haben wir heute einen wirklich schlimmen gesehen“, schrieb der nicht an dem Rennen teilnehmende Superstar Tadej Pogacar nach der Etappe auf der Plattform X, ehemals Twitter. Weltmeister Mathieu van der Poel wurde am Freitag von L’Equipe mit den Worten zitiert: „Ich glaube, das gefährlichste Element des Radsports sind die Fahrer selbst. Es wird etwas riskiert, und das größte Problem ist: Alle wollen vorn am gleichen Platz sein, und das ist nicht möglich“, erklärte der Niederländer.
Durch die besseren Räder und damit höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten werden Stürze begünstigt. Hinzu kommt der Ehrgeiz der Profis. „Es ist diese Wer-bremst-verliert-Mentalität“, sagte Geschke. „Es ist super tragisch, aber es ist aus meiner Sicht die Nervosität der Fahrer. Jeder wollte in die ersten Zehn in dieser Abfahrt rein. Und wenn dann keiner bremst, dann passiert so etwas. Aber es ist schwer, einen Schuldigen auszumachen.“ Fahrer bräuchten sich laut Geschke nicht „über Streckenführung und schlechten Straßenbelag beschweren“, meinte er: „Viele Stürze sind die Schuld der Fahrer.“
Hätte der Sturz im Baskenland verhindert werden können? Angesichts der schweren Verletzungen wird sich der Weltverband UCI den Vorfall genau anschauen. Der Däne Vingegaard erlitt neben einem Schlüsselbeinbruch sowie mehreren Rippenbrüchen eine Lungenquetschung und einen Pneumothorax. Davon ist die Rede, wenn Luft in den Raum zwischen der Lunge und der Brustwand eindringt. „Er ist stabil und hatte eine gute Nacht. Er bleibt im Krankenhaus“, teilte sein Visma-Team am Freitag mit.
Auch Evenepoel musste im Krankenhaus behandelt werden. Der Belgier brach sich ebenfalls das Schlüsselbein und zog sich eine Fraktur des Schulterblatts zu. Giro-Sieger Roglic überstand den Tag ohne Knochenbrüche. Der Australier Jay Vine aus dem UAE-Team um Topstar Pogacar hatte größeres Pech: Der 28-Jährige zog sich einen Halswirbelbruch zu, zwei Brüche der Brustwirbelsäule wurden diagnostiziert.
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