10 Jahre Beast / Edsun und Elvis Duarte: „Es wird mehr Musik aus Luxemburg gespielt, aber es ist noch Luft nach oben“
Geburtstagsfeier bei Beast: Edsun und Elvis Duarte blicken im Interview auf die letzten zehn Jahre des Labels zurück – und zwar sowohl auf die Gründung als auch auf Edsuns Coming-out und die Schlappe beim Eurovision Song Contest.
Tageblatt: Elvis Duarte, beginnen wir ganz vorne: Warum haben Sie Beast vor zehn Jahren gegründet?
Elvis Duarte: Beast entstand aus einer Notwendigkeit heraus. Ein guter Freund und Musikproduzent, Daniel Bouzidi, kam damals mit der Anfrage des Rap-Duos Dorian und Louvar auf mich zu: Sie brauchten Unterstützung bei der Organisation eines Release-Konzerts. Damien Mendes, mein ehemaliger Geschäftspartner, auch bekannt als DJ Dee, und ich haben das Projekt übernommen, weil wir ohnehin beide im Eventbereich tätig waren und uns entsprechend mit der Veranstaltung von Konzerten auskannten. Zufällig wurde Damien zu dem Zeitpunkt außerdem auf einen insolventen Musikverlag aus Luxemburg aufmerksam, der seinen Katalog übertragen wollte. Wir haben zugeschlagen, denn sonst wären die Lizenzrechte der Künstler*innen verfallen und wir hätten bei null anfangen müssen.
Was macht ein Musikverlag?
E.D.: Ein Musikverlag verwaltet die Werke von Künstler*innen, die bei einer Verwertungsgesellschaft angemeldet sind, hierzulande beispielsweise bei der Sacem Luxembourg („Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique“; Anm. d. Red.).
Beast war also zunächst ein Musikverlag.
E.D.: Genau. Wir haben aber schnell festgestellt, dass in der luxemburgischen Musikindustrie Unternehmen fehlen, die Künstler*innen von A bis Z betreuen – bei der Organisation ihrer Konzerte über den Vertrieb ihrer Platten bis hin zur Verteidigung ihrer Lizenzrechte. Danach kam eins zum anderen: Wir haben in der Zeit viele Menschen kennengelernt, unter anderem Edsun oder auch David Galassi von De Läb – um nur zwei zu nennen. Es entstand eine Zusammenarbeit, auch mit Menschen außerhalb der Musikindustrie. Jede Person brachte ihre eigenen Stärken und Kompetenzen mit, sodass wir unser Angebot immer breiter fächern konnten.
Inzwischen sind Sie auch in anderen Branchen aktiv, oder?
E.D.: Ja, es gibt neben Beast Records jetzt auch Beast Pictures für den Bereich Film, unter der Leitung von Roxanne Peguet, und im Bereich Choreografie Beast Production, den Léa Wiplier verwaltet. Wir haben vor, unsere Arbeit in den drei Branchen – Musik, Tanz und Film – weiter auszubauen und neue Projekte voranzubringen.
Edsun, inwiefern hat Sie dieses Rundumpaket überzeugt, 2022 bei Beast zu unterschreiben?
Edsun: Ich kenne Elvis und das Team von Beast seit vielen Jahren. Elvis ist seit Beginn meiner Karriere mein Manager, es war für mich also selbstverständlich, bei dem Label zu unterschreiben, als das Angebot vorlag.
Edsun gehört zu den ersten Künstler*innen, die wir als Beast Records unter Vertrag genommen habenMitbegründer Beast
E.D.: Edsun gehört zu den ersten Künstler*innen, die wir als Beast Records unter Vertrag genommen haben. Wir haben zwar schon als Musikverlag das Management unserer Künstler*innen übernommen, aber vor zwei, drei Jahren haben wir diesen Aspekt unserer Arbeit neu strukturiert und neue Vertragsformen initiiert. Das verschafft uns international mehr Gewicht: Wir haben zum Beispiel inzwischen einen Vertrag mit der ADA Benelux (Anm.: „Alternative distribution alliance“) abgeschlossen, was uns sehr freut und die Professionalisierung unseres Unternehmens vorantreibt.
Edsun, was sind die Vorteile, von einem luxemburgischen Label vertreten zu werden?
E.: Wir bewegen uns auf demselben Terrain – wir leben und arbeiten in Luxemburg. Es ist leicht, gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Noch dazu bietet Beast eine komplette Betreuung an: Die Selbstvermarktung fällt mir schwer und bei vielen administrativen und organisatorischen Aufgaben benötige ich Unterstützung – es kommt mir also entgegen, dass das Team mir unter die Arme greift und damit auch meinen Bekanntheitsgrad im Ausland steigert.
Elvis, hören Sie bitte kurz nicht hin.
E.D.: (lacht und hält sich die Ohren zu) Alles klar.
Gibt es Nachteile, bei einem luxemburgischen Label unter Vertrag zu stehen?
E.: Nachteile? Mir fallen ehrlich gesagt keine ein.
Elvis, Sie dürfen wieder zuhören.
E.D.: Sie haben nach den Nachteilen gefragt, nicht wahr?
Edsun konnte keine ausmachen.
E.D.: Mir fallen durchaus welche ein: Der luxemburgische Markt ist klein. Die Möglichkeiten sind schnell ausgeschöpft. Die Industrie rund um die Kulturschaffenden muss sich weiterentwickeln.
Unser Berufsstand wird meiner Meinung nach immer ernster genommen. Das betrifft auch das Kulturministerium: Inzwischen erhalten Strukturen wie unsere ebenfalls Unterstützung. All dies ist wichtig, damit wir auch dem Ausland vermitteln: Es gibt Kunst und eine Musikindustrie aus Luxemburg.Mitbegründer von Beast
Wie hat sich die Musikindustrie seit der Gründung von Beast verändert?
E.: Die Anzahl an Künstler*innen ist gestiegen. Es gab immer schon Bands usw., aber in anderen Musikgenres sah es schlecht aus. Vor fünf, zehn Jahren war es für viele unvorstellbar, von der Musik zu leben. Meiner Erfahrung nach sieht das heute anders aus. Ich selbst arbeite als freischaffender Künstler, lebe von meiner Musik, den Einnahmen durch die Lizenzrechte, dem Vertrieb meiner Musik auf unterschiedlichen Plattformen, Konzerten und Zuschüssen. Es gibt inzwischen Strukturen wie Beast, die mir helfen, all das zu erreichen, wovon ich immer geträumt habe.
E.D.: Die Wertschätzung durch die Medien hat sich ebenfalls verbessert. Es wird mehr Musik aus Luxemburg gespielt, aber natürlich gibt es noch Luft nach oben. Unser Berufsstand wird meiner Meinung nach immer ernster genommen. Das betrifft auch das Kulturministerium: Inzwischen erhalten Strukturen wie unsere ebenfalls Unterstützung. All dies ist wichtig, damit wir auch dem Ausland vermitteln: Es gibt Kunst und eine Musikindustrie aus Luxemburg.
Ist es Zufall, dass Beast vor allem nicht-weiße und offen queere Künstler*innen vertritt?
E.D.: Wir wählen unsere Künstler*innen nicht nach bestimmten Kriterien aus und setzen uns in der Hinsicht keine Grenzen. Allerdings achten wir darauf, dass die Künstler*innen zu uns passen und wir ihnen bei ihren Projekten weiterhelfen können.
E.: Beast wirbt nicht mit der Unterstützung marginalisierter Künstler*innen, aber es ist ein Label, bei dem ich mich als queerer Mensch immer frei und wohlgefühlt habe. Elvis war der erste Mensch aus der Musikszene, bei dem ich mich als queer geoutet habe.
Wie hat er reagiert?
E.: Er hat mich angelächelt und umarmt. Ich habe von Anfang an gespürt, dass ich hier unterstützt werde – egal, wer ich bin.
Eine Ausnahme in der luxemburgischen Musikszene?
E.: Ich kann nur für mich sprechen – ich wurde bisher immer mit offenen Armen empfangen, auch vom Publikum. Das mag daran liegen, dass Beast mir den Rücken stärkt und wir unsere Diversität feiern. Wie es außerhalb dieser Bubble ausschaut, kann ich nicht beurteilen.
Beast wirbt nicht mit der Unterstützung marginalisierter Künstler*innen, aber es ist ein Label, bei dem ich mich als queerer Mensch immer frei und wohlgefühlt habe. Elvis war der erste Mensch aus der Musikszene, bei dem ich mich als queer geoutet habe.Musiker
E.D.: Darin liegt unsere Stärke: Wir arbeiten nicht nur zusammen, sondern pflegen auch privat Kontakt. Ich könnte problemlos mit allen Mitarbeiter*innen und Künstler*innen etwas trinken gehen. Wir verurteilen niemanden und selbst wenn mal etwas schiefgeht, suchen wir immer das Gespräch.
Welche großen Erfolge konnte Beast bisher feiern?
E.D.: Allein die Gründung war eine Herausforderung und ich bin stolz, dass wir diese gemeistert haben. Es gab so etwas wie Beast noch nicht: eine Firma im Musikbereich, die Profit erwirtschaftet, Löhne auszahlt und Künstler*innen bei allen Schritten unterstützen möchte. Es war ein harter Weg, den wir unseren Nachfolger*innen gern geebnet haben. Ein großer Erfolg war auch unsere erste goldene Schallplatte – die hat der Künstler Ivann in Frankreich erhalten.
Ist Ihre größte Niederlage, dass die Künstler*innen von Beast beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) leer ausgingen?
Duarte und Edsun lachen auf.
Wollen Sie nicht darüber sprechen?
E.: Doch. Für mich war es eine intensive Zeit. Es war ein Wettbewerb und mir war von vornherein klar, dass ich verlieren kann. Ich habe viel dazugelernt – es war spannend, eine große Veranstaltung wie diese hautnah mitzuerleben. Ich bin dankbar für diese Erfahrung, auch wenn ich Luxemburg nicht beim ESC vertreten kann. Doch wo sich eine Türe schließt, öffnet sich eine andere. Für mich ist klar: Ich will jetzt nach vorne schauen.
Und was sehen Sie dort?
E.: Ich veröffentliche bald meinen Kurzfilm „Son“, zusammen mit neuer Musik. Für den Dreh bin ich mit dem Team von Foqus und Beast Pictures auf die Kapverdischen Inseln geflogen. Der Film ist autobiografisch und zeichnet meinen eigenen Weg nach. Im metaphorischen Sinne werde ich dabei vom Mont Cara begleitet.
Was steht bei Beast an, Elvis?
E.D.: Wir bereiten einige Projekte vor und werden bald neue Vertragsabschlüsse ankündigen. Ziele haben wir ebenfalls viele: Wir wollen unsere Zahlen auf Streaming-Plattformen verbessern, genauso wie unsere Positionierungen in den Radiocharts. Außerdem bemühen wir uns weiterhin, die Musikszene in Luxemburg auszubauen. Natürlich würden wir uns auch über eine internationale Auszeichnung für unsere luxemburgischen Künstler*innen freuen.
Zum Abschluss nur noch ein Wort: Was bedeutet Beast für Sie?
E.D.: Zusammenhalt.
E. Ich bin weniger bescheiden: Geschichte!
Beast Decade Drop
In der Nacht zum Sonntag feiert Beast sein zehnjähriges Jubiläum im „Gudde Wëllen“ (17, rue du Saint-Esprit, L-1475 Luxemburg): Am Samstag sorgen Nosi & La Renzo sowie Twin XXA & Seven im ersten Stock von 23 bis 3 Uhr für den passenden Sound. Der Eintritt ist frei.
Elvis Duarte
Elvis Duarte, gelernter Buchhalter, ist Mitbegründer der Kreativagentur Foqus und des Musiklabels Beast. 2022 erhielt er, gemeinsam mit der Musikmanagerin Stéphanie Baustert, das Förderungspaket „Artist Management Programme“ von Kultur | lx. In dem Rahmen veröffentlichte Jeff Schinker, ehemaliger Journalist des Tageblatt, ein ausführliches Porträt über die Entstehungsgeschichte von Beast und Duartes Karriere – nachzulesen auf tageblatt.lu.
Edsun
2015 veröffentlichte Edsun seine erste EP „N.O.“. Neben anderen Auszeichnungen erhielt Edsun 2018 den ersten Luxembourg Music Award und wurde zum besten Künstler des Jahres ernannt. Auch Edsuns Musikvideos erhielten bereits mehrere Preise. Nach seiner zweiten internationalen Tour im Jahr 2022 trat Edsun 2023 außerdem an, um Luxemburg beim Eurovision Song Contest in Malmö zu vertreten. Von Beast waren auch Naomi Ayé, Maz und Chaild am Start.
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