Brüssel / Von der Leyens Schlappe im Streit um EU-Mittelstandsbeauftragten
Wenige Stunden vor seinem geplanten Amtsantritt in Brüssel hat der CDU-Europapolitiker Markus Pieper auf den Posten des EU-Mittelstandsbeauftragten verzichtet, den Ursula von der Leyen auf Wunsch der CDU und anderer konservativen Parteien geschaffen hatte.
Zur Begründung für seinen Rückzieher führte Pieper an, dass er von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton „boykottiert“ werde. Deshalb sei keine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich. Der liberale Franzose Breton hatte zusammen mit drei sozialdemokratischen EU-Kommissaren öffentlich Kritik am Auswahlverfahren geübt. In der vergangenen Woche hat sich auch das Europaparlament eingeschaltet und von der Leyen eine seltene Rüge erteilt. Die Nominierung sei nicht transparent gewesen, das Auswahlverfahren müsse wiederholt werden, sagte der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund. Auch von „Günstlingswirtschaft“ war die Rede.
Demgegenüber sprachen CDU-Politiker von einem Wahlkampfmanöver. Von der Leyen ist Spitzenkandidatin der konservativen EVP, der auch CDU/CSU angehören, für die Europawahl. Eigentlich wollte sie am Montag ihre Wahlkampagne starten. Da passte das „Piepergate“, wie die Affäre in Brüssel getauft wurde, nicht ins Konzept.
Piepers Verzicht hat ihr nun ein wenig Luft verschafft. Allerdings wirkt er wie ein Bauernopfer. Denn bis zuletzt hatte der CDU-Politiker keine Absicht erkennen lassen, auf sein mit mehr als 18.000 Euro im Monat fürstlich entlohntes Amt zu verzichten. Die Entscheidung wurde in Brüssel zuerst von der EU-Kommission bekannt gemacht. Pieper sei „ein ausgewiesener Experte für den Mittelstand“ und habe sich „in einem mehrstufigen Auswahlverfahren durchgesetzt“, erklärte von der Leyens Sprecher Eric Mamer. Daran gab es zuletzt allerdings erhebliche Zweifel. Zwei andere Kandidatinnen seien besser qualifiziert, heißt es im Europaparlament.
Der neue Posten des Mittelstandsbeauftragten bleibt nun vorerst unbesetzt. Die Wiederaufnahme des Auswahlverfahrens werde bis auf die Zeit nach der Europawahl im Juni ausgesetzt, erklärte Mamer. Warum nicht die anderen, offenbar ebenfalls qualifizierten Kandidatinnen aus Tschechien und Schweden zum Zuge kommen, blieb unklar. Es ist bereits das zweite Mal binnen eines Jahres, dass von der Leyen mit einer umstrittenen Nominierung scheitert. Im Juni 2024 wollte sie die US-Amerikanerin Fiona Scott Morton, Professorin an der renommierten Universität Yale, zur Chefökonomin ernennen. Damals protestierte sogar Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, die EU-Kommission musste einen Rückzieher machen.
Für Nasenrümpfen in Brüssel sorgt auch, dass von der Leyen ihren Kabinettschef Björn Seibert zum Leiter ihrer Wahlkampagne ernannt hat. Nach den EU-internen Regeln ist dies eigentlich nicht vorgesehen; demnach darf eine Kandidatin für die Europawahl keine „menschlichen oder sachlichen Ressourcen“ aus der EU-Kommission nutzen.
Von der Leyen griff daher zu einem Trick: Sie versetzte Seibert kurzerhand in ein EVP-Büro. Von der EU-Kommission ist er offiziell beurlaubt – bis zum Tag nach der Europawahl am 9. Juni. Dann darf er wieder sein altes, hochdotiertes Amt in der Brüsseler Behörde übernehmen.
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Dat von der Leyen ass schon seit langem net méi tragbar. Den 9. Juni gett et héich Zäit, dass et zu engem Revirement an der EU-Politik kennt.