Kunst / Kulturexport statt Belsch Plaasch – über Kultur zwischen Luxemburg und Belgien
Heute steht beim luxemburgischen Staatsbesuch in Belgien Kultur auf dem Programm. Grund genug, einen Blick auf die kulturellen Beziehungen und die Kulturschaffenden zwischen den beiden Ländern zu werfen.
In der Einleitung steht eine Lüge, oder genauer genommen eine Halbwahrheit: Kultur wird beim luxemburgischen Staatsbesuch in Belgien nicht großgeschrieben. Vielmehr ist sie Teil des Beschäftigungsprogramms für die luxemburgische Großherzogin Maria Teresa, die belgische Königin Mathilde und Gauthier Destenay, belgischer Architekt und Ehemann des Vizepremiers und Außenministers Xavier Bettel. Während ihre Partner einem Wirtschaftsforum im Palais d’Egmont beiwohnen, besuchen die drei Anhängsel die Ausstellung „Histoire de ne pas rire. Le surréalisme en Belgique“ im Bozar – Palais des beaux-arts. Erfahren jene dort mehr über 60 Jahre belgischen Surrealismus, wagt das Tageblatt eine kurze Analyse des luxemburgischen Kulturexports nach Belgien.
Erste Anlaufstelle hierfür ist die Plattform Kultur | lx. 2020 auf Initiative des Ministeriums für Kultur gegründet, bemühen sich die Mitarbeiter*innen um die Unterstützung, Förderung und Verbreitung luxemburgischer Kunst im Ausland. Damit kommt die Stelle Forderungen aus dem Kulturentwicklungsplan (2018-2028) nach. Zwei Direktorinnen verwalten Kultur | lx: Diane Tobes und Valérie Quilez. Ist Tobes für die nationale Kulturförderung zuständig, betreut Quilez die internationalen Dossiers. Doch was leistet sie dabei zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Luxemburg und Belgien? Noch nicht genug, wie sie auf Nachfrage des Tageblatt offenbart. „De manière générale, Kultur | lx souhaite intensifier ses collaborations avec la Belgique francophone et flamande“, so Quilez. „De nombreuses pistes sont encore à développer, mais les contacts se tissent dans les différents secteurs pour trouver de nouveaux partenaires de coopération entre nos deux territoires.“
Eine Liste, wie viele luxemburgische Künstler*innen in Belgien oder gar in beiden Ländern tätig sind, führt die Koordinationsstelle nicht. Wer sich in der Kulturszene auskennt, dem fallen mit Sicherheit auf Anhieb mehrere Namen ein: Jean Bechameil, Martine Feipel, Tina Gillen, João Freitas, Patrick Galbats, Chaild, Maz, Tom Nisse – und so fort. Diese Aufzählung darf gerne ergänzt werden, doch lohnt sich auch ein Blick auf die institutionellen Beziehungen zwischen Luxemburg und Belgien. Besonders stark sind diese in den Bereichen visuelle Kunst und Musik. So hat die Galerie Nosbaum Reding beispielsweise einen festen Standort in Brüssel; Kultur | lx beteiligt sich derzeit an einem Projekt von Kunstenpunt und der „Direction des arts plastiques contemporains“ der „Fédération Wallonie-Bruxelles“. Die belgischen Organisationen veranstalten seit 2019 das Programm „Ménages à trois“: Dort treffen sich jährlich Vertreter*innen der flämischen, Brüsseler und wallonischen bildenden Kunst zum Austausch. Im Rahmen der „Recontres de la photographie d’Arles 2024“ (1. Juli-29. September) arbeitet Kultur | lx derzeit an einem Portfolio mit luxemburgischen Künstler*innen.
Wo spielt die Musik?
Weitere Partnerschaften unterhält Kultur | lx in der Musik: Es bestehen Verbindungen zu dem Exportbüro für Musik „Wallonie-Bruxelles Musiques“, dem Festival Fifty Lab, der NGO European music exporters exchange und dem Netzwerk Excite. Wie wichtig der belgische Markt für luxemburgische Künstler*innen ist, unterstreicht eine Liste von Valérie Quilez, die Konzerte luxemburgischer Musiker*innen in Belgien dokumentiert. Zwischen 2021 und 2023 entsprachen diese über 20 Einzelveranstaltungen. Unter den Künstler*innen befinden sich unter anderem das Arthur Possing Quartet, Englbrt, Francis of Delirium oder Tuys. Trotz guter Vernetzung verfolgt Kultur | lx dennoch Ziele für 2024 – und zwar soll bald der Fokus auf den Jazz, in Zusammenarbeit mit der Jazz Station in Brüssel, gelegt werden. Darüber hinaus bestehen Projekte zwischen luxemburgischen Künstler*innen und belgischen Partner*innen: Stéphane Ghislain Roussel und die Musikgruppe CantoLX kooperieren mit dem belgischen B’Rock Orchestra; Stephany Ortega arbeitet mit den belgischen Musikern Christophe Delporte und Adrien Tyberghein an einem Projekt zu dem argentinischen Komponisten Astor Piazzolla.
In der Literatur findet ebenfalls ein reger Austausch über die Landesgrenzen hinweg statt. Seit 2023 ist Luxemburg bei der Buchmesse in Brüssel vertreten, zuletzt dieses Jahr im April. Neben einem Stand zu luxemburgischer Literatur gab es Lesungen von Antoine Pohu und Jean Portante, moderiert von Rachele Gusella von der „Vrije Universiteit Brussel“ und Mitglied des „Centre for Literary and Intermedial Crossings“. Die Beziehungen zwischen den Verlagshäusern müssten allerdings noch vertieft werden, so Quilez: „Des pistes sont à évaluer et à creuser pour trouver des partenariats en terme d’édition et de distribution sur le territoire belge.“
Einen noch größeren Handlungsbedarf sieht sie aber in der darstellenden Kunst: „Pour l’instant il n’y a pas de coopération formalisée dans le domaine du spectacle vivant entre Kultur | lx et des partenaires belges. Des repérages réguliers sur le territoire belge ainsi que l’invitation de professionnels belges lors de focus au Luxembourg ont lieu régulièrement.“ Dafür gebe es Kooperationen zwischen luxemburgischen und belgischen Kulturinstitutionen, etwa vonseiten des Kinneksbond, des Trois C-L und der Rotondes sowie zwischen den Théâtres de la ville de Luxembourg und dem Théâtre de Liège.
Inspiration oder Einflussnahme
Die Pressestelle des Ministeriums für Kultur zählt dem Tageblatt gegenüber weitere Partnerschaften öffentlicher Kulturinstitutionen auf: Die Nationalbibliothek sei der Bibliothèque royale de Belgique verbunden; das Naturmuseum arbeite mit kulturellen und wissenschaftlichen Partner*innen aus Belgien zusammen, genauso pflege das luxemburgische Nationalarchiv den Kontakt mit seinem belgischen Pendant.
Zu belgischen Künstler*innen hat Kultur | lx derweil keinen Draht. „Pour le type de missions que nous avons et qui sont dirigés vers les Luxembourgeois, les Belges sont en contact avec leurs propres structures de soutien“, sagt Quilez. Allgemein sei die Repräsentation internationaler Künstler*innen, also auch belgischer Kulturschaffender, immer eine Bereicherung für die nationale Kunstszene und das Publikum. „C’est important d’avoir accès au travail de création d’autres scènes artistiques“, unterstreicht die Direktorin.
Spricht Quilez von einer Bereicherung, weicht die Pressestelle des Kulturministeriums der Frage aus, inwiefern sich die beiden Kulturszenen beeinflussen. „Es geht nicht um die gegenseitige Einflussnahme, sondern um die kulturelle Ko-Kreation“, heißt es. „Es ist offensichtlich, dass es sich dabei oft um einen täglichen Austausch handelt, vor allem in Brüssel.“ Dies sei auf die hohe Präsenz luxemburgischer Künstler*innen und der Galerie Nosbaum Reding, aber auch auf die belgischen Kulturschaffenden in Luxemburg zurückzuführen. Und was sagen die betroffenen Künstler*innen? Das Tageblatt hat vier Kulturschaffende mit Bezug zu Belgien befragt.
3 Fragen an: Künstler*innen zwischen Luxemburg und Belgien
Warum zieht es luxemburgische Künstler*innen nach Belgien und umgekehrt? Wie unterscheiden sich die Kulturszenen beider Länder? Und beeinflusst dies die kreative Arbeite? Antworten auf diese Fragen gibt es in den Kurzinterviews.
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