Kinowoche / Europapolitik auf der Leinwand: „Une affaire de principe“
Rechtzeitig zu den Europawahlen läuft „Une affaire de principe“ von Antoine Raimbault in den Kinos an: ein Film über die Abgründe der Europapolitik.
Bouli Lanners in der Rolle von José Bové. Seien wir einmal ehrlich und gestehen uns einfach ein, dass wohl kaum jemand diese Paarung auf seiner Bingo-Karte stehen hatte. In seinem zweiten Spielfilm „Une affaire de principe“ hält der Filmemacher Antoine Raimbault ein Spotlicht auf die untransparent-komplexen Mechanismen der EU-Politik. Mit in der Hauptrolle, rappel oblige, Bouli Lanners (!) als José Bové, französischer Landwirt, Politiker und Umweltaktivist, mit dem glorreichen Schnurrbart und der immerwährenden Pfeife im Mundwinkel.
Die titelgebende Sache des Prinzips findet ihren Anfang vor etwas mehr als zehn Jahren, 2012. Keine Sorge, Jean-Claude Juncker ist in diesem Film fein aus dem Schneider, Kommissionspräsident ist zu der Zeit schon José Manuel Barroso. Unter seiner Verantwortung kommt es in Brüssel zu einer bizarren Entlassung. Dem damaligen EU-Gesundheitskommissar John Dalli wird vorgeworfen, mit der Tabaklobby unter einer Decke zu stecken, Geld einzusacken und gemeinsame Treffen nicht rapportiert zu haben. José Bové findet das Prozedere um Dalli etwas seltsam – und nicht einmal, weil er sich gerne Tabakrauch in den Hals zieht – und forscht mit seinem eigenen Team auf eigene Faust nach.
Bové und Dalli standen sich politisch übrigens immer diametral gegenüber. Die politische Verschwörung lässt aber nicht lange auf sich warten. Eine, deren Verwicklungen bis in die höchsten Instanzen der Europäischen Union hineinreichen. He’s lookin’ at you, Barroso. Politische Verschwörungen und Tabakindustrie – bei diesen Stichwörtern denkt man schnell an „All the President’s Men“ von Pakula und Michael Manns „Insider“. Große Vorbilder für diese französisch-belgische Produktion, die keineswegs versucht, an diese Klassiker heranzukommen. Formal macht Antoine Raimbaults neuer Film nämlich keine großen Sprünge.
Stoff fürs Fernsehen
Der Begriff des Fernsehfilms gilt noch immer als Schlag in Gesicht, aber retrospektiv hätte man sich gewünscht, diese Geschichte hätte ihre Miniserie oder wenigstens ein Zwei- oder Dreiteiler-Treatment bekommen. Vor allem schon wegen des Trios im Mittelpunkt der Geschichte – Bové und seine parlamentarischen Assistenten. Bouli Lanners sieht nicht aus und klingt nicht wie der frühere Parlamentarier, aber sehr schnell stellt sich heraus, dass der belgische Schauspieler wie prädestiniert war für diese Rolle. Die
von Céleste Brunnquell gespielte Clémence-Rolle ist dabei frei erfunden. Und trotzdem ist sie wahrscheinlich die Hauptfigur des Films, vor allem ist sie die Identifikationsfigur, mit der man sich, ähnlich wie sie, in Brüssel zurechtzufinden versucht.
Leider lotet der Film nie wirklich das dramaturgische Potenzial dieser Distinktion aus, sondern bleibt immer irgendwo zwischen den Stühlen zwischen einem Telekolleg zum Thema EU-Politik und einem Techno-Thriller stecken. Im Mittelweg macht sich der Film das Leben vielleicht einen Funken zu leicht – die böse Lobby und der böse Barroso, der sich über die demokratischen Prozeduren stellt, sind ziemlich schnell etabliert –, vor allem, weil das Drehbuch José Bovés 2014 erschienenes Buch zu dieser Affäre als Basis hat. Nichtsdestotrotz sind die 95 Minuten von „Une affaire de principe“ dank Raimbaults Sinn für Casting ziemlich knackig und sehr wohl kurzweilig.
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