Luxemburg / Grenzüberschreitender Urnengang: Warum manche bei der Europawahl im Ausland mitbestimmten
Wähle ich die potenziellen Abgeordneten aus Luxemburg oder doch die aus einem anderen Land – eine Frage, die sich einige Menschen ausländischer Nationalität vor der diesjährigen Europawahl stellen mussten. Was ihre Überlegungen dabei waren, zeigen Gespräche mit Betroffenen am Wahltag in Luxemburg-Stadt.
Am Sonntag wählten Menschen im Großherzogtum nicht ausschließlich die Abgeordneten für Luxemburg im Europäischen Parlament. Manche von ihnen, nämlich Angehörige anderer Nationalitäten, gaben ihre Stimmen für die politischen Verantwortlichen ab, die ihr Herkunftsland im Parlament vertreten sollen. Während im Ausland lebende Deutsche ausschließlich per Briefwahl an der Europawahl teilnahmen, konnten in Luxemburg lebende Menschen aus Belgien bereits am Mittwoch gesammelt in einem Wahllokal in Hesperingen ihre Stimmen abgeben und Personen italienischer Staatsangehörigkeit schon am Freitag und Samstag wählen. Das portugiesische Generalkonsulat im hauptstädtischen Viertel Merl war dagegen erst am Sonntag geöffnet.
Mitbürgerinnen und Mitbürger ausländischer Nationalität in Luxemburg
Rund 90.900 Menschen mit portugiesischer Nationalität lebten laut aktuellen Zahlen des Statec zum 1. Januar 2024 in Luxemburg – sie bilden die größte Gruppe an ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Außerdem wohnen 49.200 Angehörige französischer Staatsangehörigkeit in Luxemburg, sowie 25.100 Menschen aus Italien. Aus weiteren EU-Ländern leben unter anderem rund 18.900 Belgierinnen und Belgier im Großherzogtum sowie etwa 12.480 Personen aus Deutschland.
Damit Menschen wie Francisco Alves da Silva dort für die portugiesischen politischen Verantwortlichen abstimmen konnten. „Ich habe mich dafür entschieden, weil ich dann 21 Personen wählen kann. Ich kenne mich in der portugiesischen Politik auch besser aus“, erklärte Francisco Alves da Silva am Wahlsonntag. Seit sieben Jahren lebt der 39-Jährige in Luxemburg und wurde beim Urnengang am Morgen von seinem kleinen Sohn begleitet. „Ich arbeite bei einer europäischen Institution, glaube an die EU und bin der Meinung, dass man immer wählen gehen sollte. Ich hoffe, dass Sozialisten, Demokraten und Grüne gestärkt werden und keine Extreme“, erklärte der freundliche Mann auf Englisch.
Nicht wahlberechtigt
Auch Sara Pinto wollte am Sonntag die portugiesischen Europaabgeordneten wählen und kam dafür von Ettelbrück nach Merl. Als sie kurz vor 10 Uhr das Generalkonsulat verließ, erzählte die 39-Jährige allerdings enttäuscht: „Ich konnte nicht wählen, weil ich mich nicht in das Wahlverzeichnis eingetragen habe. Ich wusste nicht, dass ich diesen zusätzlichen Schritt unternehmen muss.“ Auch eine andere Portugiesin berichtete, dass sie aus dem Grund nicht wählen konnte. Besonders groß war bei Sara Pinto das Bedauern, weil die Situation in Portugal ihr Sorgen macht. Die seit letztem Jahr im Großherzogtum lebende Frau erklärte auf Englisch: „Die politischen Verantwortlichen in Luxemburg kenne ich nicht.“
Ghiselaine Métais hingegen musste sich bei der französischen Botschaft nicht in ein Verzeichnis eintragen, da die 51-Jährige schon seit mehreren Jahren in Luxemburg lebt und bereits an Wahlen in Frankreich teilgenommen hat. So auch am Sonntag, wie sie bei ihrem Urnengang gegen 12 Uhr vor der Luxexpo auf Kirchberg erklärte. In elf Wahlbüros konnten Menschen französischer Nationalität dort bis 18 Uhr ihre Stimme abgeben. „Es ist mir wichtig, für Frankreich zu wählen, weil ich mich mit meiner Stimme gegen die wachsende Zustimmung für den ‚Rassemblement National‘ einsetzen will“, erklärte sie in ihrer Muttersprache. Sie hoffte am Sonntagmittag noch, dass Europa aus der Wahl gestärkt hervorgeht, und wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, welche Nachrichten am Abend aus Frankreich kommen würden.
Schon zuvor hatte bei einem Gespräch vor dem Wahlzentrum in der Victor-Hugo-Halle in Limpertsberg eine Französin erklärt, sich mit ihrer Stimme gegen rechte Kräfte wie den „Rassemblement national“ einsetzen zu wollen. Edith Gagneur hat sich allerdings dafür entschieden, die Abgeordneten aus Luxemburg zu wählen. „Ich bin der Meinung, dass meine Stimme im Verhältnis da mehr ausmacht. Außerdem mag ich das System mit dem Panaschieren – das habe ich gemacht“, erzählte die 64 Jahre alte überzeugte Europäerin auf Französisch. Sie ist der Meinung, dass auf den Aufschwung extremer Kräfte reagiert werden muss, und wollte sich mit ihrer Stimme gegen diesen einsetzen.
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Alles Wichtige zur Europawahl:
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