Handelskammer / Idea wünscht sich eine Debatte zu den Luxemburger Staatsausgaben
Der Luxemburger Staat hat deutlich höhere Ausgaben als seine Nachbarländer, so die Denkfabrik der Handelskammer, Idea, in einer neuen Studie. Sie wünscht sich nun große thematische Debatten in der Gesellschaft, um für schwierigere Zeiten gerüstet zu sein.
Herausfinden wollte man mit der nun vorgestellten Studie unter anderem, ob Luxemburg mehr Geld ausgibt als seine Nachbarländer und ob man gegebenenfalls auch bessere Resultate erziele, so Idea-Direktor Vincent Hein am Mittwoch vor Journalisten. Immerhin gelte es, die bestmögliche Politik zu machen. Es sei ja sowohl richtig, dass ein Staat ein Minimum an Funktionen abdecken muss und dass es ohne funktionierende Wirtschaft kein Geld zum Ausgeben gibt.
Zur Vorstellung der Studie über die Ausgaben des Luxemburger Staates hatte Idea in die Räumlichkeiten der Handelskammer geladen. Erstellt wurde die Studie vom ehemaligen Idea-Direktor, Volkswirt Muriel Bouchet, zusammen mit weiteren Experten.
Bei den Ausgaben des Staates geht es um sehr viel Geld, so Bouchet zu Beginn seines Vortrags. Im Jahr 2022, auf das sich die Analyse bezieht, waren es insgesamt 34 Milliarden Euro (24,5 Milliarden beim Zentralstaat, 13,9 Milliarden für den Bereich Sozialversicherungen und 3,9 Milliarden bei den Gemeinden). Im Gesamtjahr 2024 lag die Summe bereits bei 40 Milliarden.
Ausgaben von 40 Milliarden Euro
Ob das nun höhere Ausgaben pro Kopf als in den Nachbarstaaten sind, war die erste Frage. Unterschiedliche Resultate gibt es dabei je nach Rechenmethode, so Bouchet. Vergleiche man nämlich die Staatsausgaben mit der Wirtschaftsleistung (BIP), dann stehe Luxemburg gut da: Mit Ausgaben, die für nur 43,9 Prozent des BIP stehen, scheine man deutlich weniger auszugeben als die Nachbarländer. In Belgien beispielsweise stehen die Ausgaben für 53,2 Prozent des BIP, in Frankreich sogar für mehr als 58 Prozent.
Zu Recht verwirft Muriel Bouchet jedoch diese Berechnung: Das BIP sei, wegen der vielen Grenzgänger, nicht der richtige Maßstab zur Berechnung. Immerhin erwirtschaften sie rund ein Drittel des BIP. Besser sei es daher, den RNB (revenu national brut) anzuwenden, wo nur die Einnahmen und Ausgaben der Einwohner des Landes miteinbezogen werden. Dieser Indikator ist es auch, den Luxemburg zur Berechnung des Ziels anwendet, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Landesverteidigung zu verwenden.
Verglichen mit dem RNB sehen die Zahlen dann auch gleich ganz anders aus: Teilt man die Staatsausgaben (minus 14 Prozent, die an Grenzgänger fließen) durch das RNB, dann stehen die Ausgaben hierzulande für stolze 56 Prozent der Wirtschaftsleistung. Verglichen mit den Nachbarländern hat nun nur noch Frankreich höhere Ausgaben als das Großherzogtum.
Weit an der Spitze liegt Luxemburg derweil auch, wenn man die Summe der Ausgaben (minus die 14 Prozent, die an Grenzgänger fließen) durch die Zahl der Einwohner teilt. Pro Kopf sind es dann hierzulande 35.051 Euro, verglichen mit 22.776 Euro in Belgien oder 20.575 in Deutschland. Ohne Anpassung an die hierzulande deutlich höheren Preise würde man in Luxemburg dabei sogar bei 45.000 pro Kopf liegen, so Bouchet. Man sehe somit, dass der Luxemburger Staat viel mehr (60 bis 70 Prozent) pro Kopf ausgibt als die Nachbarländer.
Schlechtes Ergebnis im Bereich Bildung
Mehr im Detail hat seine Analyse dann ergeben, dass es insgesamt sieben Bereiche sind, in denen Luxemburg deutlich höhere Ausgaben hat als die Nachbarländer. Mit dazu zählen Bereiche wie Transport, medizinische Produkte und Ausrüstung, Familie und Kinder, Bildung, Altern und Krankheit. Bei diesen Mehrausgaben handle es sich derweil nicht um einen Irrweg aus den vergangenen Jahren, unterstreicht er. Auch im Jahr 2005 beispielsweise seien die Zahlen bereits ähnlich gewesen.
In zwei Bereichen hat er dann weiter analysiert, ob das Mehr an Ausgaben zu besseren Resultaten führt als in den Nachbarländern. In den anderen Bereichen fehle es meist an passenden Leistungsindikatoren, bedauert er.
Besonders enttäuschend schneidet seiner Analyse zufolge der Bereich der Bildung ab. „Luxemburg ist sehr weit von einem guten Resultat entfernt. Wir geben am meisten aus, aber die Resultate sind nur mittelmäßig.“ Dänemark beispielsweise gebe auch viel aus, zähle dann aber zu den Besten. Dabei bedauert er, dass man sich nur auf die Pisa-Ergebnisse von 2018 habe beziehen können, da Luxemburg danach nicht mehr mitmachen wollte.
Im Bereich des Alterns scheint die Situation derweil etwas weniger schlimm. Zwar zähle man auch hier zu den Spitzenreitern bei den Ausgaben, so Bouchet, doch habe man hier auch gute Resultate (Armutsrisiko im Alter) vorzuweisen. „Andere Länder kommen jedoch mit weniger Geld zu ähnlich guten Resultaten“, bemerkt er. Sorgen bereitet ihm jedoch die Entwicklung im Bereich der Ausgaben fürs Altern: Bereits heute gebe man viel mehr Geld aus als die Nachbarländer, während klar sei, dass in den kommenden Jahrzehnten diese Ausgaben hierzulande noch schneller zulegen würden als in den anderen Ländern Europas. Allein die Renten der Grenzgänger, die heute für rund ein Drittel der Rentenausgaben stehen, sollen bis 2050 auf mehr als die Hälfte steigen.
Klare Antworten und Lösungen wolle man mit dieser Studie nicht geben, so Idea. Es gehe darum, Fragen aufzuwerfen und genauere Analysen anzustoßen. Allein auf die Mehrsprachigkeit könne man das schlechte Ergebnis im Bildungsbereich beispielsweise nicht zurückführen. Als Denkfabrik plädiere man dafür, die verschiedenen Bereiche nun in breit aufgestellten Arbeitsgruppen genau zu analysieren, um dann später besonnen handeln zu können. Genau so, wie es Premierminister Luc Frieden (ehemaliger Präsident der Handelskammer) in der Rede zur Lage der Nation für das Pensionssystem angekündigt hat. Zudem plädiert Idea für einen zielorientierteren Staatshaushalt, mehr Digitalisierung, mehr Leistungsindikatoren … und dafür, wieder bei Pisa mitzumachen.
„Es ist notwendig, große Überlegungen zu tätigen, und nicht an kleine Anpassungen zu denken“, so Vincent Hein. „Es braucht eine große gesellschaftliche Debatte.“ Luxemburg habe auf einen großzügigen Sozialschutz aufgebaut. Das sei wohl gut, koste aber auch. Zudem gebe „es nur wenige Tendenzen, die sagen, dass der Druck auf die Staatsfinanzen in den nächsten Jahren abnehmen wird“. Dabei verweist er auf unter anderem die langsamer drehende Konjunktur, die alternde Gesellschaft, den ökologischen Wandel und die wachsenden Bedürfnisse bei der Verteidigung. Es gelte „Anhaltspunkte zu haben, falls Einsparungen notwendig werden sollten“.
„Wir müssen vorbereitet sein, wenn es mal zu einem Schock kommt“, so Muriel Bouchet. Um zu vermeiden, im Zweifelsfall „brutal“ handeln zu müssen.
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