Wetter / Schwere Sturmböen und hohe Blitzaktivität: Der meteorologische Rückblick auf die Unwetternacht
Am späten Samstagabend und in der Nacht zum Sonntag ereignete sich in Luxemburg ein schweres Unwetter. Wie hatte sich die Lage aus meteorologischer Sicht entwickelt?
Erste Signale bereits am Dienstag
Bereits im Bericht vom vergangenen Dienstag hatten wir darauf hingewiesen, dass es am Wochenende zu Unwettern kommen könnte – das durch eine warme und sehr schwüle Luftmasse. Konkreter wurden die Berechnungen an den Folgetagen, daher wurde auch im Artikel vom Freitag nochmals genau darauf hingewiesen, dass man wachsam bleiben sollte. Die grobe Lage war sicher, doch einzelne Unsicherheiten bleiben bis zuletzt: Es war klar, dass das System über Luxemburg hinwegzieht – bloß war nicht abzusehen, ob uns ein kräftiges Segment davon erwischt oder ein gemäßigteres. Per Echtzeitbeobachtung der Wetterlage konnten wir die Menschen über unsere Météo Boulaide-Webseite jedoch ständig auf dem Laufenden halten – und fanden leider sehr bald heraus, dass sich wohl der intensivere Teil nach Luxemburg bewegen würde.
Entwicklungen erst am späten Nachmittag
Gegen 19 Uhr lag das große Gewittersystem auf der Höhe von Troyes. Einige Wetterstationen registrierten Windgeschwindigkeiten um 100 km/h, in Joudre wurde sogar eine Orkanböe von 130 km/h gemessen. Schnell war klar, welches Potenzial dieses System in sich trug. Eine Stunde später hatte sich das Unwetter auf die Höhe von Châlons-en-Champagne und Saint-Dizier hochgearbeitet, das mit einer deutlichen Signatur für schwere Sturmböen auf dem Wetterradar. Gegen 21.40 Uhr stand das System kurz vor Luxemburg, doch es wechselte schlagartig seine Form – die Entwicklungen waren sehr dynamisch. Deswegen gab es kurzzeitig auch eine Abschwächung der vorher starken Blitzaktivität.
Kurz vor 22 Uhr schloss sich das eher „chaotische“ Bild auf dem Wetterradar zu einem großen Gebilde zusammen, welches man in der Meteorologie auch als „Bow Echo“ bezeichnet. Schon davor gab es in Frankreich ein solches Gebilde, bevor es wieder seine Form änderte. Dieses Mal blieb die Struktur bestehen und zog vom Südwesten des Landes über die Mitte bis in Teile des Südostens und Ostens. Verbreitet gab es an den Wetterstationen schwere Sturmböen bis um 95 km/h – zwischen den Stationen lagen die Windspitzen deutlich höher. Die Blitzaktivität war sehr, sehr hoch.
Starke Fallwinde und Tornado-Verdachtsfälle
Das Schadensbild am nächsten Morgen war beträchtlich. An einigen Gebäuden gab es großen Schaden, unter anderem wurden auch Dächer von Häusern abgedeckt. Die größten Windschäden gab es in der Vegetation: Ganze Baumreihen knickten um. Auch entlang der Straßen hielten dicke und intakte Bäume dem Sturm nicht Stand. Das Ausmaß im Park in Mersch gleicht richtiger Verwüstung. Dieser Schaden ist auf geradlinige Winde zurückzuführen, die aus höheren Luftschichten aus dem Gewitter heruntergemischt wurden. Es ist wahrscheinlich, dass punktuell Windgeschwindigkeiten von über 120 oder vielleicht auch 130 km/h aufgetreten sind – ähnlich wie damals vor zehn Jahren während der „Foire agricole“ in Ettelbrück vom 6. Juli 2014.
Aus dem Raum Biwer und Bissen liegt auch jeweils ein Tornado-Verdachtsfall vor. Ob es sich tatsächlich um welche gehandelt hat, ist derzeit noch nicht bekannt. Im Fall Biwer ergaben bisherige Analysen, dass es sich um eine kleinräumige Verstärkung des sowieso schon sehr starken Windes gehandelt haben soll. Auf dem Wetterradar erschien eine algorithmusbasierte Rotationskennzeichnung – bei solchen dynamischen Phänomenen kommt dies immer wieder vor, muss aber nicht zwingend auf einen Tornado hinweisen.
Interessant war es auch in der Nähe von Bissen. Hier war ich auch selbst vor Ort und konnte mir den Schaden ansehen. Das Wetterradar zeigte an dieser Stelle einen sogenannten Mesovortex, was typisch für eine derartige Unwetterfront ist. An einem solchen Mesovortex können unter Umständen auch Tornados entstehen. Der Fall ist nicht bestätigt, aber bisherigen Beobachtungen zufolge wurden sehr schwere Gegenstände verschoben und teils auch über weitere Strecken verfrachtet. Auf dem Gelände der Agility Tornados, einer Hundeschule, liegen Überbleibsel von Holz- und Wellblechhütten. Auch schwere Teile eines Daches, von dem die Herkunft bisher noch nicht ganz geklärt ist, liegen im hinteren Teil des Geländes und rissen dabei einen Zaun um. Auch an anderen Stellen des Geländes hielt der Zaun nicht Stand und wurde praktisch platt geweht. Entweder war auch hier eine sehr lokale doch intensive Verstärkung des sowieso schon starken Sturmes am Werk, oder es könnte ein kurzlebiger Tornado gewesen sein. Das Windmuster am Boden ist im Raum Bissen ebenfalls größtenteils geradlinig, doch punktuell gibt es Hinweise auf bodennahe Verwirbelung.
Die Analysen laufen noch.
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