Editorial / Luxemburger Institutionen müssen auf den Prüfstand – und notfalls reformiert werden
Mehr Leidenschaft in der Politik fordert der scheidende Grünen-Abgeordnete François Bausch. Das ist in Luxemburg aus gleich mehreren Gründen schwierig bis quasi unmöglich. Das hat strukturelle Gründe – scheitert aber auch am schlechten Willen der Politik selbst.
Wenn ein scheidender Abgeordneter und Minister mehr Leidenschaft in der Politik fordert, ist nicht unbedingt klar, was gemeint ist. Wahrscheinlich mehr Leidenschaft auf Seiten der Politik, von Politikern für die Bürger. Dabei könnte man die Forderung weiter interpretieren. Auf der einen Seite die Leidenschaft der Politiker, sich wirklich engagieren zu wollen, auf der anderen die Leidenschaft der Bürger, sich am demokratischen partizipativen Prozess beteiligen zu wollen. Und drittens: ein institutionelles Gefüge, das diese Leidenschaft überhaupt erst aufkommen lässt, ohne dass die eigentliche Arbeit auf der Strecke bleibt.
Da wäre das seit langem bestehende Problem des Abgeordneten-Statutes, das bedingt, dass das Parlament in Luxemburg ein 20-Stunden-Parlament hat. Wo in anderen Ländern die Abgeordneten sich vollumfänglich um die nicht ganz unwichtige Aufgabe des Gesetzeschreibens kümmern, üben die Parlamentarier in Luxemburg diese Aufgabe nur halbtags aus. Nicht wenige haben dann noch Mandate in ihren Heimatgemeinden inne und/oder gehen ihrer „regulären“ Arbeit nach. Das öffnet nicht nur Tür und Tor für Interessenkonflikte, sondern reduziert parlamentarische Arbeit auf den Status eines Hobbys. Dass das auch organisatorische Probleme nach sich zieht, wurde in den vergangenen Wochen eingehend im Parlament diskutiert.
Dazu gesellt sich das Problem: Wenn Amtsinhaber und Mandatsträger sich nur halbtags ihrer Arbeit widmen müssen – warum sollen sich die Bürger dann mehr für Politik interessieren? Nun könnte man meinen, dass Halbtagsabgeordnete näher an der Arbeitswelt und den Bürgern sind. Ein Argument, weswegen bisher die Doppelmandate und das Halbtagsparlament verteidigt wurden. Fakt ist aber, dass immer mehr junge Menschen, die sich in der Politik engagieren wollen, den eigentlichen Parteistrukturen entspringen. Als parlamentarische oder Partei-Mitarbeiter werden sie an den politischen Alltag herangeführt. Erste Erfahrungen werden dann bei Gemeindewahlen gesammelt, bevor die, die gut abgeschnitten haben, für Landeswahlen nominiert werden.
Politik als Karriere. Etwas, das in den vergangenen Jahren immer mehr an Auftrieb gewinnt, wäre durch eine Professionalisierung des Parlaments wohl unumgänglich. Das Parlament nicht zu professionalisieren, scheint ob der derzeitigen Umstände wohl auch keine Lösung zu sein. Denn: Für mehr Diversität und Bürgernähe sorgt das derzeitige System sicher nicht. Das allein zeigt schon die Anzahl an Juristen, Selbstständigen und (ehemaligem) Führungspersonal im Vergleich zu Arbeitnehmern – und ist somit auch kein Argument, es nicht zu tun.
Mehr Leidenschaft für Politik. Das kann noch weiter gedacht werden, als eine Reform des Parlaments. Es wurden schon kleine Schritte unternommen, darunter die Liveübertragung von Chamber-Kommissionen. Auch soll die Debattenkultur in der Chamber auf den Prüfstand, um mehr animierte politische Debatten anstelle der Referate zu generieren. Es kann aber noch weiter gehen: Reform des Wahlsystems, Reform des Staatsrates, … Um gegen eine sinkende politische Kultur in der Bevölkerung anzukämpfen, sollte nichts unversucht bleiben.
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