Editorial / Wieso Lehrer sich nicht für ihr Gehalt schämen müssen
Es ist seit Jahren das Reizthema schlechthin in Luxemburg: die Lehrergehälter. Vergangene Woche hatte das nationale Statistikamt Statec mitgeteilt, welche Berufsgruppen wie viel verdienen. Die Arbeitnehmer aus dem Bildungssektor liegen knapp hinter dem Finanzsektor auf Platz zwei mit einem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt von 111.362 Euro. Ein Fakt, der einige immer wieder aufs Neue entrüstet, während andere allein das Erwähnen der Löhne als Lehrer-Bashing bewerten. Der eigentliche Aufreger bei dieser immer wiederkehrenden Diskussion ist dabei nicht die Höhe des Gehalts, sondern die Tatsache, dass Lehrkräfte immer wieder meinen, sich für ihre Entlohnung rechtfertigen zu müssen. Teilweise gewinnt man den Eindruck, einige würden sich gar für ihr Gehalt schämen.
Dafür gibt es aber überhaupt keinen Grund. Lehrkräfte angemessen zu entschädigen, ist nichts anderes als ein gesellschaftliches Bekenntnis zur Förderung der kommenden Generationen, also etwas, worauf man stolz sein sollte. Im luxemburgischen Bildungswesen gibt es sicherlich einiges zu kritisieren und auszusetzen, niedrigere Löhne für das Lehrpersonal würden da mit Sicherheit keine Abhilfe schaffen. Bereits jetzt gibt es in Luxemburg, wie in vielen anderen Ländern, Lehrermangel. Was wohl auch das Argument entkräftet, dass jeder Lehrer werden kann. Es braucht nämlich weitaus mehr als nur Fachkenntnisse. Vor einer Klasse zu stehen, Wissen zu vermitteln und junge Menschen auf die Zukunft vorzubereiten, geht mit einer riesigen Verantwortung einher.
Eine Verantwortung, die in den vergangenen Jahren, in denen durch den gesellschaftlichen Wandel auch die Vermittlung zahlreicher sozialer Kompetenzen in die Schule verlagert wurde, wohl noch größer ist als jemals zuvor. Der Lehrerberuf wird somit zu einer immer größeren Herausforderung, der noch lange nicht jeder gewachsen ist. Mentale Erschöpfung, Überforderung und Stress sind die Folge, wie eine Studie unter 2.000 Lehrkräften ergab. 45 Prozent von ihnen gaben an, unter mentalen Gesundheitsproblemen aufgrund ihrer Arbeit zu leiden, 35 Prozent fühlen sich emotional ausgebrannt und 31 Prozent stehen kurz vor einem Burnout. Jetzt noch die finanziellen Entschädigungen weniger attraktiv zu gestalten, würde wohl zum direkten Kollaps unseres Schulsystems führen. Die Situation in unseren Nachbarländern sollte uns als abschreckendes Beispiel dienen.
Davon abgesehen ist es unverständlich, dass gerade die Gehälter der Lehrer immer wieder für erhitzte Gemüter sorgen. Wieso rufen die Gehälter im Horeca-Sektor oder im Bauwesen, die laut Statec zu den am schlechtesten bezahlten Berufen des Landes gehören, nicht die gleichen Reaktionen hervor? Darüber, dass Luxemburg zu den Ländern der Europäischen Union mit dem höchsten Anteil an „working poor“ gehört, wird weitaus weniger leidenschaftlich diskutiert als über die Gehälter im Bildungsbereich. Dabei würde es unsere Gesellschaft weitaus mehr voranbringen, diese Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen, als einigen Menschen ihren Lohn für geleistete Arbeit nicht zu gönnen. Das Gleiche gilt übrigens für die ähnlich emotional geführte Diskussion über die Urlaubstage von Lehrkräften.
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