Editorial / Vetternwirtschaft in Hesperingen? Reaktionen deuten auf größeres Problem hin
Vetternwirtschaft! – so lautet der neueste Vorwurf gegen den Hesperinger Bürgermeister Marc Lies. Der CSV-Politiker hat eine Person mit familiären Verbindungen für einen Gemeindeposten eingestellt. Das Problem: Laut Opposition habe es andere Kandidaten gegeben, die besser auf die in der Ausschreibung festgelegten Kriterien gepasst hätten. Wirklich zu wundern scheint das nur die wenigsten. Doch das sollte es.
Die öffentlichen Reaktionen auf das Beschwerdeschreiben der Opposition fielen gemischt aus. Überraschung schien allerdings nicht darunter zu sein. „Das war schon immer so.“ „Jeder weiß, wie das bei den Gemeinden läuft.“ Und so weiter. Familie und Freunde von Politikern oder anderen kommunalen Entscheidungsträgern werden bei der Jobsuche in den Gemeinden bevorzugt. Das scheint jedenfalls der Eindruck von vielen Menschen zu sein. Teilweise bauen die Gemeinden die Ausschreibungen genau so auf, dass nur die gewünschte Person auf das Profil passt. Manchmal handelt es sich dabei um den besten Kandidaten oder die beste Kandidatin – doch nicht immer.
Es ist eine Verallgemeinerung, die sicher nicht auf alle Gemeinden und Ausschreibungen zutrifft. Trotzdem hört man immer wieder von Fällen, die durchaus als Vetternwirtschaft bezeichnet werden können. Dass die Öffentlichkeit das mittlerweile als Normalzustand ansieht, ist Zeichen eines viel größeren Problems. Für verschiedene Bürger ist ein Mindestmaß an Korruption in den Verwaltungen der Gemeinden bedauerlich, aber normal. Deswegen ist vor allem im Kontext der zunehmenden Politikverdrossenheit ein lupenreiner Rekrutierungsprozess essenziell.
Gegenüber dem Gemeindepersonal herrschen bereits viele Vorurteile. Zu Unrecht, meinte FGFC-Präsident Claude Reuter vor mehreren Monaten in einem Tageblatt-Interview. Trotzdem: „Es ist wahr, dass wir faule Äpfel im Korb haben“, so Reuter. Umso wichtiger ist es, dass bei der Rekrutierung der beste Kandidat oder die beste Kandidatin den Job bekommt. Familiäre Verbindungen dürfen nicht in den Entscheidungsprozess mit einfließen. Das Gemeindepersonal erhält immer mehr Verantwortungen und seine Aufgaben haben meistens einen direkten Einfluss auf das Leben von Tausenden von Menschen.
Das heißt natürlich nicht, dass die Kandidatin mit familiären Verbindungen zu Lies diese Aufgabe schlecht machen würde. Falls sie wirklich nicht den vorgeschriebenen Kriterien entspricht und andere Kandidaten laut Ausschreibung besser auf den Posten passen, ist die Kritik an der CSV-DP-Koalition in Hesperingen absolut berechtigt – und müsste eigentlich noch schwerere Konsequenzen mit sich bringen als ein allgemeines Schulterzucken oder Auf-die-Finger-Klopfen.
Auch wenn Vetternwirtschaft in der Luxemburger Gesellschaft als etabliertes Übel angesehen wird, heißt das nicht, dass wir diesen Umstand weiterhin akzeptieren müssen. Vor allem dort, wo dies klar nachgewiesen werden kann, sollte der Druck auf die Politik nicht nachlassen.
Ergänzung
Innenminister Léon Gloden (CSV) hat die Einstellung der Gemeindeangestellten für die Stelle des „Koordinators des Gemeindepakts“ in Hesperingen annulliert. Das ging aus einer Pressemitteilung am Donnerstagmorgen hervor.
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