Editorial / Drohender Bürgermeister: Das Verhalten von Marc Lies ist inakzeptabel
Die vergangenen Tage waren keine Sternstunde der Luxemburger Politik. Während die gewählten Volksvertreter der Piraten vor allem mit sich selbst und der Demontage ihrer Partei beschäftigt sind, spricht der Hesperinger Bürgermeister offene Drohungen gegen die Opposition aus. Der Grund hierfür waren öffentlich bekundete Bedenken der Hesperinger Opposition, was die Einstellung eines Koordinators für den „Pacte communal du vivre-ensemble interculturel“ anging. Hier habe es Unregelmäßigkeiten gegeben, außerdem wiesen sie in einem Brief an die beiden Minister Gloden und Hahn darauf hin, dass die ausgewählte Person für den Gemeindeposten eine familiäre Beziehung zum Bürgermeister habe. Letztendlich hat Innenminister Léon Gloden die Entscheidung des Gemeinderats annulliert, da die Bewerberin nicht die Anforderungen an den Posten erfülle.
Daraufhin drohte Lies den Gemeinderatsmitgliedern, dass dies noch Konsequenzen nach sich ziehen werde. Das sagte er im Gespräch mit dem Tageblatt und schrieb es sogar direkt in einer SMS an einen der Räte. Dabei sind die Politiker lediglich ihrer Kontrollfunktion nachgekommen, die sie im Auftrag der Hesperinger Bürger ausüben. Obwohl der Innenminister die Bedenken der Opposition für begründet hielt, spielt es in diesem Fall keine Rolle, wer im Recht ist. Eine offene Drohung gegenüber anderen Politikern ist nicht hinnehmbar und eines Bürgermeisters unwürdig.
Dies zeigt allerdings Marc Lies’ Selbstverständnis von der Ausübung seines Amtes, das er seit 2009 innehat. Der Respekt vor gewählten Volksvertretern und vor demokratischen Prozessen fehlt. Bereits bei der Veruntreuungsaffäre in der Gemeinde Hesperingen vor einigen Jahren mussten die Räte dafür kämpfen, dass Lies ihnen endlich Zugang zum Audit gewährte. Im März dieses Jahres hatte der Hesperinger Bürgermeister mit einem Facebook-Post, in dem er gegen Flüchtlinge stänkerte, für Aufregung gesorgt. In einer ersten Reaktion zeigte er sich uneinsichtig, dass sein Post problematisch sei. Aber sogar seine Partei distanzierte sich von ihm und irgendwann, nach einem klärenden Gespräch mit der CSV-Führung, sah dann auch Lies ein, dass sein Post ein Fehler war. Es war nicht das erste Mal, dass er in den sozialen Medien über die Stränge schlug.
Auch wenn sein aktuelles Verhalten und der Facebook-Post nicht direkt miteinander vergleichbar sind, so vermittelt Lies doch in beiden Situationen den Eindruck, als würde der Bürgermeister über allem stehen. Lies ist nicht der erste und wohl auch nicht der letzte Mandatsträger, der so ein Verhalten, man kann es als Arroganz bezeichnen, an den Tag legt. Die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung wird dieses Verhalten jedenfalls nicht schmälern.
Abgeschlossen scheint die Affäre ja noch nicht, wenn man Lies Glauben schenken kann. Ob sie Konsequenzen für die Hesperinger Opposition haben wird, bleibt abzuwarten. Dass die Affäre für Lies Konsequenzen haben wird, davon ist wohl nicht auszugehen.
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