Leserforum / Wer auf der falschen Seite der Geschichte steht, sollte ruhig sein: Soll man Aussagen von Journalisten kritisch hinterfragen?
Soll man Aussagen von Journalisten kritisch hinterfragen? In einem Leitartikel im Luxemburger Wort arbeitet sich eine Redaktorin erneut an der LSAP ab, welche im Besonderen das seit zehn Jahren gestiegene Kinderarmutsrisiko nicht wahrgenommen hätte und tatenlos zugesehen hätte, wie dieses sich ausgeweitet hätte, und die jetzt perverserweise zu einem CSV-Bashing ausholen würde. Die zehn Jahre sind natürlich kein Zufall, da sie deckungsgleich mit der Zeitspanne von „Gambia“ sind. Vor 2013 gab es scheinbar weder Alters- noch Jugend oder Kinderarmut. Aber es kommt noch besser.
Am 26. Februar 2019 schrieb dieselbe Journalistin in einem Leitartikel im Luxemburger Wort. Luxemburg ist gut aus der Krise herausgekommen. Es gehört zu den fünf EU-Ländern, in denen die soziale Teilhabe bisher wieder das Niveau vor der Wirtschafts- und Finanzkrise erreicht hat. Alters-, aber auch Jugendarmut und Jugendarbeitslosigkeit, wie sie vor allem in den südeuropäischen Ländern anzutreffen sind, gibt es nicht. Und Wirtschaft und Beschäftigung wachsen weiter auf vergleichsweise hohem Niveau. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage muss ich nicht überprüfen, da ich davon ausgehen muss, dass die journalistische Deontologie es gebietet, nur prüfungsfeste Fakten aufzuführen. Selbst in dieser kurzlebigen Welt mit Polikrisen sollte eine Journalistin in Ihrer Quintessenz zumindest ansatzweise berücksichtigen, dass es nach der Wirtschaftskrise und Finanzkrise aus dem Jahr 2008 nach 2019 noch mindestens zwei Krisen gab, welche sich nachhaltig, trotz der mannigfachen Interventionen von Papa Staat, auf die Alters- und Jugendarmut auswirkten und noch immer auswirken. Nach der Covid-Pandemie und noch vor Putins Krieg schrieb die Caritas-Chefin, 67 Prozent der eingegangenen Anträge kamen von Einzelpersonen oder Familien, die vor der Krise noch über die Runden kamen. Die Caritas-Präsidentin bezeichnet dieses Phänomen als unsichtbare Armut. „Für viele Personen ist es das erste Mal, dass sie sich an Sozialämter wenden müssen.“
Fast hätte ich eine Krise vergessen, deren Bekämpfung ein Premier in den 90 Jahren zur Chefsache machen wollte. Die Wohnungskrise ist Hauptverursacher der Alters- und Jugendarmut. Sie treibt, nicht nur seit 2019, Tausende Luxemburger ins Ausland, wo sie als Dank Erbschaftsteuer in direkter Linie zahlen dürfen und jetzt in Deutschland die hier geleisteten Überstunden zudem besteuert werden, nur weil eine DP-Ministerin in Berlin sich über den Tisch ziehen ließ. Da die Alters-, Jugend und Kinderarmut 2019 inexistent war (gibt es nicht), können notgedrungen nur die LSAP, die DP, „déi gréng“ fünf Jahre auf der falschen Seite der Geschichte gestanden haben, weil sie weder Covid noch Putins Krieg mit anschließender Energiekrise, hoher Inflation und hohen Zinsen vorhergesehen haben und tatenlos zugesehen haben, wie seit 2019 jedes vierte Kind im Land in die Armut abgedriftet ist. Die CSV, die in den 90 Jahren die Wohnungskrise immerhin erkannt und nichts unternommen hatte, um sie einzudämmen, trägt keine Mitschuld, da sie 2019 (gibt es nicht) nicht im Amt war. Somit ist auch klar, dass bis zur nächsten Wahl, nur die verbleibenden Parteien und politischen Sensibilitäten, sprich Unsensibilitäten, das Recht haben, die Politik der aktuellen Regierung zu hinterfragen. Dass die LSAP mit ihrem Bashing Recht hat, beweist ein Artikel im LW vom 23.7.2024. Eine Verantwortliche von Unicef Luxemburg antwortet auf die Frage „Hat die CSV-DP-Regierung schon Forderungen von Unicef umgesetzt?“ wie folgt: „In unserem Manifest ging es auch um Kinderarbeit. Kurz nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrages haben wir unsere Studie über Kinderarmut herausgegeben und darin kritisiert, dass im Vertrag nichts dazu stand …“ Was können wir daraus lernen? Man soll auch bei Journalisten nicht alles für bare Münze nehmen. Dies gilt besonders dann, wenn man offensichtlich nicht geliebten Parteien am Zeug flicken will. Der Vorwurf des Bashings an die LSAP geht somit ins Leere und wendet sich in diesem Fall gegen die Autorin.
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