Editorial / Farbe statt Kompetenz: Wie steht es um Luxemburgs Verwaltungsräte?
61 Millionen fehlen in den Kassen der Caritas, die Aufarbeitung des Betrugsvorfalls schreitet voran. Während vergangene und wohl auch noch diese Woche die Verhöre weitergehen, ist die Zukunft der Caritas mehr denn je ungewiss. Es stellen sich ganz grundsätzliche Fragen, auf die nicht nur die Caritas möglichst schnell Antworten finden sollte.
Eine hohe Angestellte hatte die 61 Millionen wohl auf spanische Konten überwiesen, während der Generaldirektor auf einer Pilgerreise weilte. Die entscheidende Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, bleibt wohl bis zum Abschluss der Ermittlungen unbeantwortet. Dass aber solche Summen in wenigen Tagen oder Wochen verschwinden konnten, heißt nichts anderes, als dass wichtige Kontrollinstanzen entweder nicht vorhanden sind oder schlichtweg versagt haben.
„Le conseil d’administration est responsable […] du contrôle interne qu’il considère comme nécessaire pour permettre l’établissement des comptes annuels ne comportant pas d’anomalies significatives, que celles-ci proviennent de fraudes ou résultent d’erreurs.“ Das schreiben die Rechnungsprüfer der Caritas in ihren Jahresberichten. Heißt: Letzten Endes ist niemand anderes als der Verwaltungsrat für die abhandengekommenen Millionen verantwortlich.
Und damit auch, was mit den Mitarbeitern der Caritas passieren wird. Vom CEO des Landes, Luc Frieden, erhielt die Caritas bereits eine Abfuhr. Keinen Cent wolle man an die Caritas überweisen, solange der „Dienstleister“ seine Probleme nicht geklärt habe. So weit, so klar. Wenn die Gespräche mit den Banken ähnlich erfolglos verlaufen, wird das Versprechen des Vorstandes und der Direktion, niemanden entlassen zu wollen oder müssen, die nächsten ein bis zwei Monate wohl nicht überleben. Mehr finanzielle Reserven hat die Stiftung nämlich nicht.
Es ist entweder Zufall, dass in den vergangenen Monaten Probleme in zahlreichen Verwaltungsräten öffentlich wurden – oder aber es deutet auf ein strukturelles Problem hin. CMCM, ProActif und die Caritas sind nur die rezentesten und prominentesten Beispiele, wo es innerhalb von Verwaltungsräten zu Streitigkeiten und Ungereimtheiten gekommen ist. Leidtragende sind immer die unter den Verwaltungsräten und Direktionen arbeitenden Angestellten. Es sind sie und nicht die Verwaltungsräte, die Wochen oder Monate existenzieller Ängste durchleben.
Nicht jeder Betrugsvorfall kann durch ein strengeres und dichteres Regelwerk verhindert werden. Angesichts der Enthüllungen der letzten Tage scheint es aber, als hätte ein Verwaltungsrat, der seiner Kontrollfunktion nachkommt, es möglicherweise tun können und müssen. „Wissen und Erfahrung in Bereichen wie Unternehmensführung, Buchhaltung und Finanzen braucht ein Verwaltungsrat“, meint Philipp von Restorff, Direktor vom „Institut luxembourgeois des administrateurs“ (ILA). In Luxemburg werden diese Anforderungen und Kompetenzen jedoch allzu oft übergangen. Viel wichtiger scheint die richtige Parteikarte zu sein. Mit dem bekannten Ergebnis.
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