Leserforum / Spiele der Angst und der Heuchelei
Die „Jugend der Welt“ trifft sich in Paris, der Lichterstadt. Eine schöne heile Pariser Welt, wohlriechend und voller Glamour, wird vorgegaukelt. Die schmutzige, übelriechende Wäsche soll man nicht sehen. Für die Athleten ist es eine Kerkerstadt. Statt entspannte Spiele verkrampfte, militarisierte, ghettoisierte. Es sind Hochsicherheitsspiele, Festungsspiele, karzerale Spiele. Kann man das, was sich hinter Zäunen und Gittern abspielt, überhaupt Spiele nennen? 45.000 Polizisten und Gendarmen, 18.000 Soldaten, 20.000 private Sicherheitsagenten, was bedeutet, dass auf jeden Athleten etwa acht Sicherheitsleute kommen. Dies alles in einer Atmosphäre allgemeiner Vorabverdächtigung und Hysterisierung. Dabei ist doch das Unbeschwerte eine kruziale Voraussetzung für Spiele. Es sind auch Spiele der sozialen Säuberung. Die Unliebsamen, die Obdachlosen, die Bettler soll man nicht sehen, denn sie könnten das Bild von Glitzer und Luxus trüben. Einen Teil von ihnen hat man schon vor Wochen weggekarrt bis nach Orléans und gar Toulouse. „Circenses sine pane“, „Spiele ohne Brot“ für die Ärmsten, foie gras für die Fettlebe(r)nden. So stellt sich zum Schluss die Frage, ob man nicht zukünftig lieber auf Olympische Spiele verzichten sollte, als ein solch verqueres, künstliches, verlogenes Spektakel aufzuziehen.
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