Olympia 2024 / Warum Ralph Daleiden langfristig denken muss: Das Interview mit Nationaltrainer Christophe Audot
Ins kalte Wasser springen – im wahrsten Sinne des Wortes: Der 21-jährige Ralph Daleiden wird am Dienstag seine Olympia-Premiere feiern. Er erhielt einen „Universality“-Startplatz – für die direkte Qualifikation fehlten nur 29 Hundertstel. Was man in der Défense Arena vom Arizona-Studenten auf den 100 m Freistil erwarten kann, fasste Christophe Audot, Nationaltrainer und Technischer Direktor in Personalunion, zusammen.
Seit einem Jahr studiert Ralph Daleiden in den USA. Wie kann man sich den Austausch mit einem Schwimmer vorstellen, der den größten Teil der Saison auf einem anderen Kontinent verbringt?
Christophe Audot: Es ist nicht immer ganz einfach, die Kommunikation mit den amerikanischen Universitäten aufrechtzuerhalten. Mit den Wildcats lief das in diesem Jahr allerdings hervorragend. Wir hatten schon zuvor Kontakte mit der Trainerin Lara Jackson in Dublin geknüpft. Inzwischen wurde sie aber entlassen … Zudem hat es uns geholfen, dass Rémi (Fabiani) bereits ein Jahr vorher an einer Uni in den USA angenommen wurde und wir eine gewisse Erfahrung damit hatten. Fehler der Vergangenheit wurden nicht mehr wiederholt.
Wie präzise sind Ihre Informationen über den Alltag der Schwimmer, die sich im Ausland befinden?
In diesem Jahr war die Kommunikation wesentlich stärker als zuvor. Es war das Bedürfnis der Schwimmer, mehr untereinander zu kommunizieren, um sich auszutauschen. Wenn es um Fragen zur Technik ging, schickte Ralph mir das Bildmaterial und wir machten gemeinsam eine Videoanalyse. Das große Projekt und die Pläne hatten wir im vergangenen Sommer aufgestellt – er hat das alles in den USA umgesetzt. Gleichzeitig hat Ralph aus der Distanz weiterhin mit seinem Vereinscoach Mael Rugani gearbeitet, der ihn schon seit vielen Jahren begleitet und ihn auch auf dieses Abenteuer in den USA vorbereitet hatte. Wir liegen alle auf einer Wellenlänge.
Wie lief die Umstellung zurück von Yards auf Meter?
Yards-Becken sind so kurz, dass dort fast zu keinem Moment geschwommen wird. Anders ausgedrückt: 22 Meter, das ist nicht einmal die Hälfte des Coque-Beckens. Es ist ein Problem und eigentlich fast eine andere Sportart. Im Gegensatz zu Rémi hatte Ralph in Arizona allerdings Zugang zu einem 50-m-Becken, da dort das Schwimmen zu den Topsportarten gehört.
Wann haben Sie gespürt, dass Ralph Daleiden einen großen Sprung in der Karriere gemacht hat?
Ich hatte das Glück, ihn schon als Vereinstrainer beim Swimming beobachten zu können. Er hatte damals bereits ein enormes Talent. Doch das ist nicht die einzige Zutat, die einen nach Olympia bringt. Seine Einstellung ist identisch mit der von allen Luxemburgern, die ihren Durchbruch geschafft haben: Sie haben ihre Blicke nicht nur auf nationale Konkurrenz gerichtet, sondern wollten über die Grenzen hinaus testen und bestehen. Sehr früh gehörte er zu den Jungs, die sich für internationale Rekorde interessierten und vom Toplevel inspiriert waren. Nicht nur, was Zeiten anging, sondern auch Trainingsmethoden, Verhalten und der Umgang mit weniger guten Tagen. Im Schwimmen ist das eine Lebensphilosophie.
Warum waren Sie davon überzeugt, dass er es ganz nach oben schaffen könnte?
Es gibt wenige Schwimmer, bei denen ich wusste, dass sie dieses Gen in sich tragen. Er hat schon in jungen Jahren Rekorde gebrochen und war Teil einer Generation, die ähnlich tickte. Entweder waren sie Teamkollegen oder Rivalen, aber dieser enge Kontakt ist nicht abgebrochen. Das hat geholfen, sich gegenseitig nach oben zu ziehen. Seine Entwicklung ist linear und logisch, einen besonderen Moment gab es nicht unbedingt. Wenn man ein Ergebnis hervorheben müsste, dann die 48,77 in Fukuoka im vergangenen Jahr, als er als erster Luxemburger unter der 49er-Grenze blieb. Das war eigentlich ein kleiner Schock (lacht).
Zurück zur Aktualität. Wie liefen die letzten Tage vor der Abreise nach Paris?
Wenn man ein olympisches Jahr zwölf Monate im Voraus plant, hat man nicht alle Antworten. Es gab noch kein Datum für die Europameisterschaften. Wir hatten aus zwei unterschiedlichen Gründen ein Trainingslager auf Lanzarote gebucht: das Wetter in Luxemburg und die Tatsache, dass wir in der Coque alleine trainierten, während Freunde und Familie sich zum Grillen verabredeten. Aus sozialer Sicht war das nicht einfach. Allerdings kam das späte Datum der EM dazwischen. Wir haben gemeinsam entschieden, weiteren Reisestress zu vermeiden und in Luxemburg zu bleiben. Die Leistung stand immer im Fokus, es ging nie um persönliche Vorlieben. Zudem muss man hinzufügen, dass die Coque uns sehr geholfen hat. Hätte Ralph es gewünscht, hätte er dort auch übernachten können.
Was stellt Olympia für einen Schwimmer – aber auch für einen Trainer – dar?
Bei seiner ersten Teilnahme geht es um Erfahrung. Er muss schon an Los Angeles denken. Es ist ein Lebensstil, um es dorthin zu schaffen und wohl auch ein Kindheitstraum, der sich erfüllt. Allerdings sollte man sich nie damit zufriedengeben, nur teilnehmen zu wollen. Das ist auch meine Einstellung als Trainer. Es ist keine Reise, sondern eine professionelle Angelegenheit. Nach Olympia beginnt die nächste Saison und ich habe mich nicht viel damit auseinandergesetzt, was es bedeutet. Vielleicht ist es ein Fehler, denn in den Augen meiner Kinder sehe ich dann, welches Funkeln der Gedanke an dieses Event auslöst.
Wie viele Luxemburger Schwimmer werden sich 2028 qualifizieren?
Schwere Frage. Drei. Aber es kann noch so viel passieren … Ich bin Realist: Es sind Träume, an denen man festhalten muss und die Vorbereitung beginnt heute. Man hat in diesem Jahr gesehen, wie schwer die Qualifikation war. Aber ich hoffe trotzdem auf ein Duo, wenn nicht sogar drei Schwimmer in L.A.
Das Angebot von Rugani
Unter Klubtrainer Mael Rugani blühte Ralph Daleiden unmittelbar vor Corona wieder richtig auf. Der Vereinswechsel zum Swimming Luxemburg bewirkte mentale und sportliche Wunder. Den 21-Jährigen jetzt nach Paris fahren zu sehen, macht den Franzosen sehr stolz: „Wir haben uns damals auf dieses Projekt geeinigt und wollten ihn bestmöglich auf seinen Weg nach Amerika vorbereiten. Er hat definitiv das Zeug dazu, es noch besser zu machen.“ Druck auf seinen Schützling ausüben will der Vereinscoach aber keineswegs. Einerseits vertraut er dem FLNS-Trainerteam voll und ganz. Gleichzeitig weiß Rugani ein wenig, was Daleiden bei seiner Olympiapremiere erwartet: „Er wird auf diesen Stress reagieren müssen. Ich traue ihm zu, dass er die Quali-Zeit knackt, wie er es sich vorgenommen hat.“ Obschon er in dieser Phase wohl keine Tipps mehr braucht, bot Rugani Daleiden noch einen letzten Anruf an: „Mal schauen, ob er so kurz vor dem Rennen noch mit mir reden will“, meinte er mit einem Lachen.
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