Boxen / Das IOC im „Minenfeld“: Genderdebatte überlagert Olympia
Der Aufschrei nach dem ersten Kampf von Imane Khelif war laut und schrill. Das IOC versucht verzweifelt, die Debatte um das Geschlecht der algerischen Boxerin unter Kontrolle zu bekommen.
Als sich auch noch Donald Trump einmischte, hatte das Internationale Olympische Komitee endgültig die Kontrolle über den Fall der algerischen Boxerin Imane Khelif verloren. Da konnte IOC-Sprecher Mark Adams noch so wortreich beschreiben, in welches „Minenfeld“ die olympische Bewegung da geraten war und dass es keine einfache Lösung für knifflige Geschlechterfragen im Sport gibt. Die Stunde der Populisten hat geschlagen. Laut und schrill brüllen sie: In Paris prügeln Männer auf Frauen ein.
Ausgelöst hatte die Aufregung der Kampf zwischen Khelif und der Italienerin Angela Carini am Donnerstag, der 46 Sekunden dauerte. Carini gab unter Tränen auf, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sprang ihr zur Seite, Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling lederte gegen das „frauenfeindliche Sportestablishment“, das Chaos war perfekt, und das hatte auch das IOC mitzuverantworten.
Khelif, 25, eine Unicef-Botschafterin, die sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgeboxt hat und zum zweiten Mal bei Olympischen Spielen dabei ist, steht dabei ebenso im Mittelpunkt wie Lin Yuting aus Taiwan. Beide waren im vergangenen Jahr vom Box-Weltverband IBA von der WM ausgeschlossen worden, weil sie angeblich einen Testosteron-Test nicht bestanden hatten. Das stand zumindest noch am Donnerstag in Khelifs Olympia-Profil.
Mittlerweile ist der Eintrag gelöscht und die Verwirrung noch größer. Wie genau der Gender-Test aussah, den die IBA vornahm, ist völlig unklar, zur Aufklärung trägt der vom IOC nicht mehr anerkannte Verband nicht bei. Testosteron sei es nicht gewesen, aber worauf getestet wurde, bleibt ein Geheimnis. Für das IOC ist klar: Khelif und Lin sind Opfer einer „willkürlichen Entscheidung“, die ohne „ordnungsgemäßes Verfahren“ getroffen wurde.
Nicht vorbereitet
Und überhaupt: Imane Khelif „wurde als Frau geboren, als Frau registriert, sie hat immer als Frau gelebt, hat als Frau geboxt, und in ihrem Pass steht, dass sie eine Frau ist“, sagte Adams mit Nachdruck. Er betonte: „Das ist kein Transgender-Fall. Es ist kein Fall von: Ein Mann kämpft gegen eine Frau. Darüber besteht wissenschaftlich Konsens.“
Das IOC aber hat auch sein Sonderweg für das Boxen in diese ausweglose Lage manövriert. Die IBA ist nach zahlreichen Skandalen nicht mehr Teil der olympischen Familie, der neue Boxverband World Boxing besitzt nicht genügend Rückhalt, um eine einflussreiche Rolle in der Sportwelt zu spielen. Also organisiert das IOC in Paris bereits zum zweiten Mal die Boxwettkämpfe selbst, wirklich vorbereitet auf eine solch verfahrene Situation wirken die Herren der Ringe nicht.
Mark Adams geriet bei der täglichen Fragerunde im Palais des Congrès am Freitag gehörig unter Druck. Das IOC, sagte er, versuche „immer eine Balance zwischen Inklusion, Fairness und auch Sicherheit zu finden“. Die Sicherheit der Athletinnen und Athleten stehe stets an erster Stelle. Und: Das Thema könne man nicht in „Schwarz und Weiß“ einteilen. Das war, ist allerdings längst passiert – und das IOC in Erklärungsnot geraten.
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