Leichtathletik / Ruben Querinjean ist der Shootingstar im Team Lëtzebuerg
Rote Haare, Schnurrbart und eine stolze Körpergröße von 1,93 Metern: Ruben Querinjean fällt auf und ist die Überraschung im Team Lëtzebuerg. Noch im Februar hatte der Leichtathlet eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet, dass er im Sommer seine Tasche für Paris packen würde. Dass sich sein olympischer Traum doch noch erfüllt, hat der 22-Jährige einer Menge Ehrgeiz zu verdanken. Denn in den letzten anderthalb Jahren musste er viele Hürden überwinden.
Ein erstes Mal machte Ruben Querinjean in Luxemburg im Dezember 2021 von sich reden, bis dahin dürfte er vor allem den Leichtathletik-Insidern ein Begriff gewesen sein. Dann kam jedoch die Cross-EM in Dublin, bei der er als jüngster Teilnehmer im Feld der U23 die Bronzemedaille gewann. Es war ein erster großer Paukenschlag in der Disziplin, die er bis heute eigentlich noch immer am liebsten mag. Doch schon damals betonte der FLA-Athlet, dass er in den kommenden Jahren seinen Fokus mehr und mehr auch auf die 3.000 Meter Hindernis legen würde. Schon allein wegen seiner Statur wurde dem schlaksigen Athleten hierfür ein gewisses Talent vorausgesagt. Eine Disziplin, die in Luxemburg bis dahin allerdings eher ein Schattendasein führte. „Ich glaube, jeder hat schon irgendwo mindestens eine Aufnahme von einem Sturz bei einem Steeple-Rennen gesehen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob viele überhaupt schon ein ganzes Rennen verfolgt haben“, gibt der 22-Jährige mit einem Lachen zu und hofft, dass sich das in Zukunft ändern wird. Vor allem am Montagabend, denn dann wird Querinjean genau in dieser Disziplin im Stade de France sein Olympia-Debüt feiern.
Anderthalb frustrierende Jahre
Dass der junge Athlet sich bereits in Paris mit den besten Hindernis-Läufern der Welt messen wird, hat er dabei einem erstaunlichen Entwicklungssprung in den letzten Monaten zu verdanken. Noch zu Beginn des Jahres war der FLA-Läufer weit von Olympia weg, wurde er anderthalb Jahre lang von einer wahren Verletzungsmisere heimgesucht: Riss des Quadrizeps, der gleich zweimal wieder aufbrach, Ermüdungsbruch des Kreuzbeins und schließlich ein Ermüdungsbruch im Schienbein. Eine schmerzhafte Liste, die ihm die Teilnahme an Wettkämpfen lange Zeit nicht ermöglichte. „Es war frustrierend, jedes Mal, wenn ich wieder angefangen habe zu trainieren, habe ich mich wieder verletzt.“ Dennoch hat diese Leidenszeit ihn auch in irgendeiner Weise weitergebracht, wie er im Nachhinein findet: „Ich habe viel Zeit im Kraftraum verbracht, habe mich körperlich weiterentwickelt.“ Zudem hat er gelernt, besser aufzupassen, auf die Warnsignale des eigenen Körpers zu hören. „Ich habe mich mehr mit dem Thema Ernährung beschäftigt, passe mehr darauf auf, dass ich genug schlafe. Wenn ich Schmerzen habe, suche ich dann auch sofort die entsprechenden Leute auf.“ Seit Februar hatte er damit auch keine Verletzungen mehr, wie er betont.
Damals sagte ich, dass ich Profi-Athlet werden möchte, der zu den Olympischen Spielen fährt. Unglaublich, dass dies nun gerade mal zehn Jahre später Realität wird.
Und so meldete sich Ruben Querinjean im Mai bei einem Rennen in Rehlingen mit einer Zeit von 8:25.81 Minuten und einem neuen Landesrekord zurück. In den letzten Wochen ging es dann Schlag auf Schlag. Der 22-Jährige startete erstmals bei einer EM, verbesserte seine nationale Bestmarke danach noch zweimal, zuletzt bei den Landesmeisterschaften Ende Juni im INS, wo er mit seinen 8:18.82 Minuten den Grundstein für seine Olympia-Teilnahme legte. „Die letzten Wochen waren schon sehr speziell, ein wenig ‚crescendo’“, meint er schmunzelnd. „Denn wir sahen, dass Olympia auf einmal möglich ist, es aber noch immer etwas mehr sein musste.“
Alles ausgepackt
Deswegen hatte er bei seinem Rekordlauf im INS dann auch alles ausgepackt, was überhaupt irgendwie möglich war: Tempomacher und Wave-Light unterstützten Querinjean bei der Jagd nach der Zeit, die Paris möglich machen sollte. Und hier hatte der Hindernisläufer dann auch seine Stärken als Rechenkünstler gezeigt. „Ich hatte im Vorfeld das ganze Szenario ausgerechnet, da kam ich auf eine Zeit von 8:19:34 Minuten, die ich bei den Meisterschaften laufen müsste, um ins Ranking zu kommen“, meint er lachend. Am Ende wurde es sogar noch etwas mehr. „Ich habe mich bis zum Schluss mit der Wave-Light gebattelt, habe in den letzten 200 Metern das Tempo noch einmal richtig angezogen.“ Als er erschöpft die Ziellinie überquerte, wurde der Olympia-Traum dann plötzlich real, auch wenn sich Ruben Querinjean noch einige Tage gedulden musste, denn im Paris-Ranking belegte er zunächst den 38. Rang, wobei es gerade einmal 36 zu Olympia schaffen. „Uns war aber bewusst, dass die Engländer zurückziehen würden, da ihre interne Norm bei 8:18.50 lag und keiner ihrer beiden Athleten diese erfüllt hatte. Wir mussten uns halt nur gedulden, bis es offiziell war.“
Damit erfüllt sich der große Kindheitstraum von Ruben Querinjean, der noch genau weiß, was er am Ende seiner Grundschulzeit geantwortet hatte, als seine Lehrerin danach fragte, was er später einmal werden möchte: „Damals sagte ich, dass ich Profi-Athlet werden möchte, der zu den Olympischen Spielen fährt. Unglaublich, dass dies nun gerade mal zehn Jahre später Realität wird.“
Zur Vorbereitung ging es für den Hürdenläufer quasi direkt im Anschluss der Meisterschaften ins Höhentrainingslager in die Pyrenäen, nach Font Romeu. Was seine Zielsetzung betrifft, da bleibt der 22-Jährige jedoch ganz bescheiden, denn eine Zeit oder Platzierung möchte er nicht nennen. „Ich bin noch jung und möchte die Bahn mit einem guten Gefühl verlassen können. Ich möchte sagen, dass ich alles getan habe, was möglich war, meine ganze Energie investiert habe und nichts bereue.“
Steeple oder Cross?
Was bevorzugt er denn nun? Cross oder doch lieber Steeple, wie die Hürdendisziplin international genannt wird? „Noch immer den Cross, weil ich mich hier wohler fühle, es mir eigentlich besser liegt. Doch ich fange an, auch immer mehr Spaß im Steeple zu haben“, meint Querinjean. „Es ist einfach eine komplizierte Disziplin, die viel verlangt. In den ersten Rennen war ich nicht wirklich Herr meines Rennens“, erinnert er sich zurück. „Da bin ich einfach den anderen hinterhergelaufen und wollte mein Bestes geben. Inzwischen fange ich aber an, mir mehr Strategien zu überlegen, wie ich jemanden schlagen kann. Die letzten Rennen habe ich dann auch so genossen, als ob es ein Cross wäre.“
Ich springe einfach noch zu schlecht über die Hindernisse
Dass er mit seiner Größe einen Vorteil hat, das bestätigt auch der gebürtige Belgier, der über seinen Vater die luxemburgische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Querinjean gibt aber zu, dass es noch immer eine große Schwäche gibt. „Ich springe einfach noch zu schlecht über die Hindernisse. 1,93 Meter sind eigentlich ein Vorteil im Steeple, weil man weniger hoch springen muss. Ich kann diesen aber noch nicht ganz nutzen, weil ich halt noch immer zu hoch springe.“ Dass in Zukunft aber eine Zeit wie die Qualifikationsnorm möglich ist, die bei 8:15.00 Minuten lag, das hält Ruben Querinjean für realistisch, vor allem, wenn er weiter an seiner Technik arbeitet. Doch wer weiß, vielleicht passiert es ja auch schon am Montag in Paris?
3.000 Meter Hindernis
Am Montagabend geht Ruben Querinjean ab 19.04 Uhr in der ersten Runde über 3.000 Meter Hindernis an den Start. Seine persönliche Bestleistung stellte der FLA-Athlet Ende Juni bei den Landesmeisterschaften im INS auf und liegt bei 8:18.82 Minuten. Die beste Zeit in diesem Jahr lief derweil Lamecha Girma Anfang Juni in Stockholm: 8:01.63. Der Äthiopier hält auch den Weltrekord von 7:52.11. Insgesamt wird es am Montag drei Vorläufe geben, in denen sich jeweils die besten Fünf für das Finale am Mittwoch qualifizieren.
Ein Trainer, zwei Delegationen
Ruben Querinjean wird seit 2016 Thomas Vandormael gecoacht und trainiert vor allem mit seiner Trainingsgruppe in Belgien. Mit dieser war er auch vor den Olympischen Spielen in Paris im Trainingslager in Font Romeu. „Als diese Gruppe gegründet wurde, war alles eher zum Spaß, inzwischen ist es viel professioneller geworden, doch den spaßigen Teil haben wir uns noch immer bewahrt. Mir hilft diese gute Stimmung – als ich verletzt war, war gerade das wichtig, um die Moral zu steigern.“ Und so ist Ruben Querinjean nicht der Einzige seiner Trainingsgruppe, der in Paris an den Start gehen wird, denn im Marathon hat sich auch die Belgierin Chloé Herbiet qualifiziert. Für den Trainer eine ganz besondere Situation, ist er doch somit in gleich zwei Delegationen präsent. „Wären wir bei der Eröffnungsfeier dabei gewesen, hätte man eine Brücke zwischen beiden Booten spannen müssen“, meint Querinjean, der erst am Freitag in Paris ankam, scherzend. Für Vandormael aber dennoch eine ganz besondere Sache.
Das könnte Sie auch interessieren:
Olympia / 13 für Paris: Team Lëtzebuerg im Überblick
- Das erwarten sich die Redakteure und die Winzerin vom neuen Projekt - 20. November 2024.
- Vom Ehemann betäubt, von Fremden vergewaltigt: Opfer sagt erstmals vor Gericht aus - 20. November 2024.
- Bauern protestieren weiter gegen Mercosur-Abkommen - 20. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos