Editorial / Debatte um „frEsch“: Gegen den Kulturkater
„Habe ich zu tief ins Gin-Tonic-Glas geschaut?“, fragt man sich als Journalistin manchmal. Nicht immer hat das mit einem Alkoholproblem zu tun, oft aber mit Politik und Teilen der Zivilgesellschaft. Medienschaffende, die sich seit Jahren mit dem Dossier „frEsch“ – der transparentesten und kommunikationswilligsten Kulturorganisation des Landes – befassen, starten jedenfalls mit einem Brummschädel in den August.
Vergangene Woche lieferten sich die Escher Oppositionsparteien, Bürgermeister Christian Weis (CSV) und die Verantwortlichen von „frEsch“ einen filmreifen Schlagabtausch. Nachdem „Reporter“ die Vorwürfe finanzieller Ungereimtheiten und dubioser Ausgaben gegen den Kulturverein aufkochte, versicherte Weis im Gespräch mit RTL: Die Opposition habe längst Einsicht in die Konten erhalten. „Stimmt nicht“, stellten die LSAP und Marc Baum („déi Lénk“) klar. Weis verwies auf ein Missverständnis; wenige Stunden später erhielt die Opposition wie aus Zauberhand die lang ersehnten Dossiers.
Bis dahin blieb der Pegel geübter Trinker*innen des „frEsch“-Cocktails stabil: Das endlose Ping-Pong-Spiel zwischen dem Gemeinderat, der Kulturorganisation und Kunstschaffenden läuft mindestens seit 2022. Richtung22 sprach damals schon von Unklarheiten bei der Vergabe von Fördergeldern durch „frEsch“ an Kulturschaffende, die sich an Esch2022 beteiligt hatten.
Krasser ist die öffentliche Bloßstellung der Presse durch das Team von „frEsch“. In einer öffentlichen Mitteilung zum Artikel von „Reporter“ bezichtigte jenes sowohl die Oppositionsparteien als auch das Online-Medium vergangene Woche mehr oder weniger der Lüge. Nun steht es jeder Person und Organisation frei, eine Richtigstellung zu publizieren. Es kommt auch sicherlich vor, dass sich Journalist*innen verrechnen oder Zahlen durcheinanderbringen. Doch können sich ein Kunstkollektiv wie Richtung22, Oppositionsparteien und ein etablierter Wirtschaftsjournalist tatsächlich alle dermaßen irren? Selbst vereinzelte Mitglieder des Verwaltungsrats von „frEsch“ äußern sich hinter vorgehaltener Hand kritisch über den Verein und bestätigen, dass wichtige Anfragen lange liegen oder gänzlich unbeantwortet blieben.
Jeden einzelnen dieser Vorwürfe vehement abzuwehren, obwohl die Kritik anhält und teilweise aus den eigenen Reihen kommt, riecht nach „Gaslighting“ – einer Form psychischer Gewalt, bei dem die Betroffenen so stark manipuliert werden, dass sie anfangen, an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit zu zweifeln.
Dasselbe gilt für den Umgang mit der Presse: Vor allem Journalist*innen kleiner Medienhäuser wurden in der Vergangenheit mit 0815-Stellungnahmen von Gemeindemitarbeitenden, die zentrale Rollen bei „frEsch“ einnehmen, abgespeist. Interviewanfragen blieben unbeantwortet; Fragenkataloge wurden mit vorformulierten und zu anderen Zwecken verschickten Mails beantwortet.
In Bezug auf die Situation von Richtung22 kam es sogar noch schlimmer: Journalist*innen, die Informationen zum möglichen Rauswurf des kritischen Kunstkollektivs aus dem Kulturzentrum „Bâtiment4“ erfragen wollten, wurde Befangenheit unterstellt und eine neutrale Berichterstattung nicht zugetraut. Das Dossier wurde als Bagatelle heruntergespielt, das nur ein bestimmtes medienpolitisches Lager beschäftige. Und jetzt bedauert „frEsch“, nie von „Reporter“ kontaktiert worden zu sein? Ja nee, ist klar …
Inzwischen ist der Diskurs um den Kulturverein jedenfalls dermaßen vergiftet, dass eine Aufarbeitung aller Vorwürfe, Missstände und – meinetwegen – Missverständnissen unumgänglich ist. Genauso wie ein großes Glas Wasser, gegen den Escher Kulturkater.
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