Editorial / From Luxembourg with Love – Warum das Großherzogtum jetzt Steuern in Deutschland bezahlt
Willkommen in der Bizarro-Welt: Ein liberaler Finanzminister (Christian Lindner von der FDP) treibt in Deutschland eine Steuer ein, die vorher nie eingetrieben wurde. Ein konservativer Finanzminister (Gilles Roth von der CSV) öffnet die Luxemburger Staatskasse, um die Betroffenen dafür zu entschädigen.
Der deutsche Überstunden-Coup ist ein Affront von vorne bis hinten. Gegen die Menschen, die in Luxemburg arbeiten und in Deutschland leben. Und gegen den Staat Luxemburg. Der wurde erst vom Kleingedruckten im Doppelbesteuerungsabkommen übertölpelt, und dann gaben die Deutschen der Luxemburger Regierung auch noch falsche Informationen, ab wann die Steuer überhaupt eingezogen wird.
Die deutschen Steuerbehörden hätten sich alles Mögliche aussuchen können, um mehr Geld aus Luxemburger Einkommen herauszuquetschen. Aber sie wählten ausgerechnet die Löhne für Überstunden aus. Die bekommen im seltensten Fall Top-Manager und Bankdirektoren. Sondern Krankenschwestern, Handwerker, Fabrikarbeiter.
Die Erhebung der Steuer ist entweder ein Flüchtigkeitsfehler des Bundesfinanzministeriums, von dem es jetzt kein Zurück mehr gibt, oder – und das ist wesentlich wahrscheinlicher – ein bewusster, politischer Akt. Erstens: Weil es zig andere Lohnzuschläge gibt, die im Luxemburger Steuergesetz exakt wie die Überstunden behandelt werden. Die anderen Zuschläge gelten für Deutschland aber als „besteuert“, und darauf werden deshalb keine eigenen Steuern erhoben. Zweitens: Wegen des hanebüchenen Arguments, das sich die Grenzfinanzämter herbeifantasieren, um das Überstundengeld auch noch über Jahre in der Vergangenheit einzutreiben: Dass die Steuer gar nicht neu sei. Sinngemäß: Die Steuer wurde ja immer schon erhoben, sie wurde nur nicht erhoben.
Und jetzt? Kriegen einige vielleicht mehr raus, als sie vorher hatten. Mit dem Steuerkredit macht sich die Luxemburger Regierung die Mühe, dem von Berlin eingebrockten Schlamassel, in dem die deutschen Grenzgänger sitzen, etwas entgegenzusetzen. So absurd, wie es klingt: De facto bezahlt Luxemburg jetzt Einkommenssteuer in Deutschland. Es ist ein starkes Signal, das sagt: Die deutschen Grenzgänger gehören zu uns und wir kümmern uns um sie – wenn Berlin das schon nicht selber tut. Die Bundesregierung steht dagegen – mal wieder – als kleinkrämerischer Pfennigfuchser da, als kalter Verwaltungsapparatschik, dem die Interessen und Gefühlslagen und die besondere Situation in der Großregion schnurzpiepegal ist.
Das Verhältnis zwischen Luxemburg und Deutschland hat schon bessere Zeiten gekannt. Und nach all diesem Gebaren ist eines wohl klar. Verhandlungen über die alle Jahre wieder hochkochenden Forderungen der deutschen Grenzgemeinden nach (in der Summe viel größeren) Ausgleichszahlungen von Luxemburg werden sich – legitim oder nicht – für lange Zeit erledigt haben.
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