Freizeittiere / Warum Pferde so außergewöhnlich sind: Interview mit Reitlehrerin Deborah Brüchle
Bei einem Gewicht von bis zu einer Tonne können Pferde nicht nur mehr als zwei Meter hoch und über sechs Meter weit springen, sondern auch 1.500 Meter weit mit einer Geschwindigkeit von bis zu 64 Kilometern pro Stunde und 180 Kilometer weit mit über 16 Kilometern pro Stunde laufen. Nicht zu vergessen werden darf, dass Pferde diese Taten mit einem Reiter auf den Rücken, der bis zu 20 Prozent ihres eigenen Körpergewichts wiegt, vollbringen. Kein anderes Tier erzielt zusammen mit dem Menschen eine solche Spitzenleistung. Reitlehrerin und Pferdetrainerin Deborah Brüchle verrät, warum sich diese erstaunlichen Tiere so gut zum Gerittenwerden eignen und wie man durch den artgerechten Umgang ein tiefgründiges Verständnis dieser Geschöpfe erlangen kann.
Tageblatt: Was zeichnet das Verhalten der Pferde aus?
Deborah Brüchle: Um das Verhalten der Pferde zu verstehen, muss man bedenken, wie sich ihre Vorfahren in der Wildnis verhalten haben. Das Instinktverhalten der Pferde steht in direktem Zusammenhang mit ihrem Überleben. Pferde sind Herdentiere, die Gesellschaft mögen, und sie sind Beutetiere, was ihren Fluchtinstinkt bei Gefahr erklärt. In einer Herde hat jedes Pferd eine bestimmte Rolle, man nennt diese Rollenverteilung Rangordnung. Pferde fühlen sich in dieser Art von Sozialverband wohl. Die Pferde, die sich weiter unten in der Rangordnung einsortieren, geben die Verantwortung ab an die, die sich an der Spitze befinden. So weiß jedes Tier automatisch, wie es sich in jeder Situation zu verhalten hat.
Worauf muss man alles bei der Aufzucht achten?
In Aufzucht-Herden muss man darauf achten, dass junge Pferde mit einem älteren Pferd als Herdenchef aufwachsen. So lernen sie von Anfang an soziales Verhalten gegenüber anderen Pferden. Der Trainer kann das Wissen über die soziale Ordnung in der Erziehung und Ausbildung der Jungpferde einsetzen. Das Leitpferd der jungen Pferde kann nämlich vom Trainer als deren Führpferd für neue Situationen genutzt werden. Wenn man Pferde an neue Situationen gewöhnen möchte, hilft es oft, ein Pferd, das in der gegebenen Situation gelassen und erfahren ist, mitzunehmen, um dem jungen Pferd Sicherheit zu vermitteln. So lernen sie alles in Ruhe, mit Gelassenheit und Neugierde kennen, was sie für ihr späteres Leben als Reitpferd prägt und vorbereitet.
Warum eignen sich Pferde so gut zum Gerittenwerden?
Pferde wurden schon sehr früh als Reit- und Arbeitstiere genutzt. Die Kommunikation mit Pferden ist gegenüber anderen Nutztieren wie Kühen und Eseln einfacher, da sie dem Menschen gefallen möchten. Da das Pferd nicht sprechen kann, spiegelt sich die Körpersprache des Menschen auf das Tier wider. Folglich muss der Reiter sich immer wieder selbst infrage stellen und reflektieren, wie sein Verhalten auf sein Pferd wirkt. Darüber hinaus werden Pferde so ausgebildet, dass sie den Rücken aufwölben können, weil sie dann das Gewicht des Reiters tragen können, ohne die Wirbelsäule übermäßig zu belasten. Um ein Pferd auf Dauer so zu reiten, dass es ohne Rückenschäden das Reitergewicht tragen kann, braucht der Trainer echtes Können. Das Training eines Reit- oder Arbeitspferdes sollte also immer darauf ausgelegt sein, die Muskeln des Rückens optimal aufzubauen, um das Reitergewicht tragen zu können.
Braucht man eine Gabe, um die Sprache der Pferde zu verstehen, oder kann man diese erlernen?
Jeder kann die Sprache der Pferde erlernen, jedoch gibt es Menschen mit mehr oder weniger Talent und Gefühl. Ein Mensch, der die Pferdesprache lernen möchte, braucht dafür einen Übersetzer: Das ist der Trainer. Durch mehr und mehr Übung wird die Kommunikation zwischen einem Menschen und seinem Pferd schließlich besser und feiner.
Was zeichnet die Arbeit des Trainers aus?
Die Arbeit des Trainers basiert auf Geduld, Ruhe und Fokus auf das Vertrauen zwischen dem Pferd-Reiter-Paar. Wenn man unterrichtet, sitzt man gedanklich selbst auf dem Pferd des Schülers und vermittelt so dem Reiter genau, was er machen muss, um die Situation optimal zu gestalten. Die Grundvoraussetzungen für einen guten Reiter ist ein losgelassener, ausbalancierter Reitersitz mit unabhängiger Reiterhand und vollem Bewusstsein über die Hilfen, die man dem Pferd gibt
Welche sind die Voraussetzungen für die artgerechte Erziehung?
Wenn man ein Pferd ab dem Fohlenalter hat, kann man mit ihm eine unfassbar starke Bindung herstellen. Voraussetzung dafür ist, dass das Pferd artgerecht aufwachsen kann und regelmäßig in der Hand des Menschen ist. In den ersten drei Jahren besteht die Ausbildung eines Pferdes aus dem sogenannten Fohlen-ABC (Halfter anziehen, den ganzen Körper anfassen lassen, Hufe geben und geführt werden) und der Gewöhnung an verschiedene Situationen (spazieren gehen, Bodenarbeit, kurze Transporte). Pferde werden in diesem Alter noch nicht geritten, sondern schonend mit Artgenossen oder dem Führpferd auf ihr späteres Leben vorbereitet.
Welche sind die größten Herausforderungen in der Ausbildung?
Die größte Herausforderung ist der Reiter selbst. Als Trainer ist es manchmal schwierig, die jahrelange Routine zwischen dem Pferd-Reiter-Paar neu zu definieren. Manchmal hilft es, dem Reiter auf einem sogenannten Schulpferd, das korrekt ausgebildet wurde, ein anderes Gefühl für die Bewegung des Pferdes zu vermitteln. Dieses neue Gefühl kann der Reiter dann auf sein eigenes Pferd übertragen und somit den Ausbildungsweg mit seinem Pferd fortsetzen. Darüber hinaus gibt es bei verhaltensauffälligen Tieren immer einen Weg zum zufriedenen Pferd. Je nachdem, wie tief eine schwierige Erfahrung im Gehirn des Pferdes verankert ist, dauert die Genesung länger.
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