Editorial / Hinter dem Busch gehalten – der Caritas-Skandal bleibt auch einen Monat nach Bekanntwerden nebulös
Einen Monat ist es her, dass der Finanzbetrug bei der Caritas aufflog. Wo die 61 Millionen Euro hin sind, wer sie jetzt hat, weiß zurzeit niemand. Dass man sie zurückbekommt? Äußerst unwahrscheinlich. Ähnlich schwierig dürfte es werden, das Vertrauen in das System Luxemburg wieder aufzubauen, das mit dem Caritas-Skandal Schiffbruch erlitt – wie die 61 Millionen Euro ist es erst mal weg.
Was da ist, ist eine lange Liste an Verlierern. Die Caritas selbst, ihre Mitarbeiter und Begünstigten an erster Stelle. Aber auch ihr Generaldirektor, an dem dieser Betrug offensichtlich mir nichts, dir nichts und von ihm gänzlich unbemerkt vorbeilief. Nicht zu vergessen seine Finanzdirektorin, gegen die als einzige zurzeit ermittelt wird. Mitbeschädigt ist der ganze NGO-Sektor, bei dem in Zukunft wohl genauer hingeschaut wird. Dann die Regierung und hier vor allem die CSV, deren „Verein“ die Caritas immer war und ist. Dazu das Bistum und Kardinal Jean-Claude Hollerich, der zuletzt gar als möglicher nächster Papst gehandelt wurde und jetzt, unverschuldet, mit drinhängt in diesem Skandal – was diesen auch zu einer Finanzaffäre der katholischen Kirche macht. Die Staatsanwaltschaft gab ebenfalls kein gutes Bild ab, dafür hat sie zu schlecht kommuniziert und mit der Spur des sogenannten Präsidentenbetrugs, die Experten sogleich hinterfragten, nicht dazu beitragen können, Licht in die Affäre zu bekommen. Der wohl nebulöseste Faktor sind die Banken BGL und Spuerkeess, die als systemrelevant gelten und offenbar völlig versagt haben.
Mittlerweile herrscht, weil die Ermittlungen laufen und Luxemburg im sommerlichen Augustschlaf ist, das große Schweigen. Ab und zu flattert, wenn sich das Regierungskomitee besprochen hat, ein Kommuniqué in die E-Mail-Postfächer der Redaktionen. Davon abgesehen geht die Presse weiter ihrer Arbeit nach. Doch jede neue Information, die nach außen dringt, macht das Staunen über das Geschehene noch umfassender, alles noch verwirrender. Es ist und bleibt ein Wahnsinn.
Und so ist auch weiter die Stimmung im Land. Kein Essen mit der Familie oder Freunden, kein Treffen mit Bekannten, ohne dass der Caritas-Skandal mit am Tisch sitzt und die Frage fällt, wie es dazu kommen konnte. Dabei hat sich der Eindruck verfestigt, dass es offenbar zwei Welten gibt. Die eine, in der sich die Bürgerinnen und Bürger, auch was ihre Bankgeschäfte betrifft, auf die Finger geschaut fühlen. Und die andere, in der mehr als hundert fehlerhafte Überweisungen zu jeweils rund einer halben Million Euro innerhalb weniger Wochen von einer Wohltätigkeitsorganisation aus durch die Welt geschickt werden können, ohne dass es irgendjemand auch nur irgendwie zu kümmern scheint. Wer soll das noch nachvollziehen können? Ist unser ganzes Finanzsystem derart verletzlich, dass es sich so leicht austricksen lässt? Sind die Kontrollmechanismen in Organisationen und bei Banken nur eine Beruhigungspille, nur ein Fake?
Die Caritas selbst, die Politik, die Banken, das Bistum, die Justiz – die Dreistigkeit und die Geschmeidigkeit, wie die 61 Millionen Euro so schnell entwendet wurden, hat irgendwie alle bloßgestellt. Müsste der Staat nicht besser darauf aufpassen, was mit seinem Geld und damit unserem Steuergeld geschieht? Auch die Frage nach der politischen Verantwortung wird sich noch einmal stellen. Die ganze Affäre rüttelt am System Luxemburg und das nicht zu knapp. Das Vertrauen hat stark gelitten – und leidet so lange weiter, bis Klarheit geschaffen ist, wie es dazu kommen konnte.
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