Editorial / Die LSAP zürnt über Friedens Schmit-Abschuss – ganz unrecht hat sie nicht, aber das Problem ist ein anderes
Die LSAP schäumt vor Wut. Der Grund: Premier Luc Frieden hat Wort gehalten und seinen Wunschkandidaten Christophe Hansen in Brüssel Ursula von der Leyen als EU-Kommissar vorgeschlagen. Frieden, so viel sollte klar sein, hatte nie etwas anderes vor. Trotzdem hofften die Sozialisten bis zuletzt, dass Nicolas Schmit das Rennen machen würde. Und reagieren jetzt, nachdem Frieden seine Entscheidung am Donnerstag auf X bekannt gab, entsprechend und absolut nachvollziehbar erbost.
Die viel wichtigere Frage bei der Auswahl zur EU-Kommission ist aber eine andere. Doch dazu später mehr.
Schmit war EU-Kommissar für Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit und hat eine tadellose Arbeit hingelegt. Mit seinem Einsatz für mehr Gerechtigkeit hielt er nicht nur von der Leyens letzter EU-Kommission im sozialen Bereich den Rücken frei, sondern erkämpfte vor allem bessere Arbeitsbedingungen für Millionen Menschen.
Auch als Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten bei den Europawahlen ließ Schmit sich nichts zuschulden kommen. Zudem konnte sich das Resultat der Sozialisten bei diesem europäischen Urnengang durchaus sehen lassen. Nur landeten sie halt hinter von der Leyens Christdemokraten von der Europäischen Volkspartei, die im Europaparlament stärkste Kraft war und es auch bleibt.
Schmit, keine Frage, ist ein politisches Schwergewicht und noch dazu eins, das sein Herz am rechten Fleck trägt. In Europa, auch daran gibt es nichts zu rütteln, hat er Luxemburg bestens vertreten. Auf seinen „Euronico“ konnte und kann das Großherzogtum stolz sein. Und das völlig unabhängig von jeglicher politischen Couleur.
Dass der Mann aus Luxemburgs Osten nun derart brüsk abserviert und aufs Altenteil geschoben wird, hinterlässt in der Tat einen bitteren Nachgeschmack. Schmit selbst wollte Friedens Entscheidung bislang nicht kommentieren. Nur, dass er von Frieden nicht vorab informiert wurde, ließ er gegenüber dem Tageblatt wissen. Ein Umgang, den Schmit, der stets gewerkschaftsnah war und Frieden allein deswegen immer suspekt gewesen sein muss, so nicht verdient hat. Auch wenn es kaum überraschend ist – guter politischer Stil geht anders, das sollte auch Frieden wissen.
Schmit hin, Hansen her, das wirkliche Problem der kommenden EU-Kommission wird ein anderes sein. 21 EU-Staaten haben bislang der Kommissionspräsidentin ihren Wunschkandidaten vorgeschlagen. Die Frist läuft noch bis Ende August, die Zwischenbilanz bislang: 16 Männer, fünf Frauen. Ein Armutszeichen für die Gleichberechtigung in der Europäischen Union zum einen. Zum anderen hatte von der Leyen doch die Mitgliedstaaten gebeten, jeweils ein Tandem aus Mann und Frau vorzuschlagen, 21 nationale Stinkefinger in Richtung Staatenbündnis. Bislang hat jeder einzelne Staat, auch Luxemburg, darauf gepfiffen, was von der Leyen sich wünschte, nämlich eine weitestgehend ausgeglichene Kommission. Geht das so weiter, werden die Männer in der EU-Kommission über eine Zweidrittelmehrheit verfügen.
Lässt von der Leyen sich das bieten, ist sie von vornherein geschwächt. Die einzelnen EU-Staaten dürfte das freuen – immer mehr ziehen es sowieso vor, auf der eigenen kleinen nationalen Welle zu reiten. Luxemburgs CSV-DP-Regierung unter Luc Frieden und Vizepremier Xavier Bettel scheint da keine Ausnahme zu machen. Ein doppelter Jammer.
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