Paris / Warum Katrin Kohl vor ihrer paralympischen Premiere zögerte
Am Mittwoch ist der große Tag von Katrin Kohl. Um 12.08 Uhr gibt sie im Pariser Stade de France ihr paralympisches Debüt. Nach anfänglichem Zögern ist die Vorfreude bei der 28 Jahre alten Rennrollstuhlfahrerin inzwischen groß. Ihr Ziel: das bestmögliche Rennen abliefern.
Katrin Kohl steht kurz vor dem größten Moment ihrer bisherigen Karriere. Am Mittwoch wird sie bei den Paralympischen Spielen in Paris starten. Doch die Freude darüber war bei der 28-Jährigen zunächst verhalten. „Ich weigere mich, zu sagen, dass ich mich für Paris qualifiziert habe, da ich erst durch eine Wildcard dahingekommen bin“, sagt sie. Bevor Kohl diese annahm, hat sie sogar gezögert. „Ich bin extrem dankbar dafür, dass ich diese Wildcard bekommen habe. Aber meine letzten Wettbewerbe waren nicht besonders gut gelaufen – oder nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Dadurch hatte ich einen kleinen Zweifel“, erklärt sie. „Als ich den Anruf bekam, hatte ich zwar ein Lächeln auf den Lippen, aber ich habe keine Freudensprünge gemacht. Ich habe zunächst um einen Tag Bedenkzeit gebeten und erst danach die Wildcard angenommen.“
Internationale Erfahrung
Ausschlaggebend war für Kohl die Herausforderung, sich selbst zu beweisen, wozu sie eigentlich fähig ist. „Als ich zusagte, wollte ich mir selbst zeigen, dass ich die Wochen, die mir bleiben – es waren, glaube ich, acht –, wirklich durchziehen und in dieser Zeit alles in den Sport investieren kann und mich von sonst nichts ablenken lasse.“ Mittlerweile haben sich ihre Bedenken in Aufregung umgewandelt und Kohl blickt ihrem Auftritt in der französischen Hauptstadt mit großer Vorfreude entgegen.
Es wäre großartig, nach dem Rennen in der Zeit endlich die 18 vorne stehen zu haben, weil das eigentlich das Ziel seit zwei Jahren isthofft, ihre Bestzeit von 19,13 Sekunden zu verbessern
Die Luxemburgerin hat in der Vergangenheit bereits Erfahrung auf der internationalen Bühne sammeln können. Unter anderem bei der WM 2023 belegte sie den 16. Platz. „Ich hatte auch durch eine Wildcard an der Weltmeisterschaft teilgenommen. Paris ist aber noch einmal viel größer und auch ganz anders“, sagt sie. „Bei einer WM hat man dieses Dorf nicht. Man ist in verschiedenen Hotels und man sieht die anderen Athleten nur beim Wettbewerb. In Paris ist man gemeinsam im Dorf und es gibt ein Zusammenkommen von sehr vielen Sportlern. Man bekommt einen Einblick in andere Sportarten, die man vorher noch nie gesehen hat. Das ist mega.“
Sie freut sich besonders auf den paralympischen Spirit, sagt aber auch: „Natürlich soll auch die sportliche Leistung nicht zu kurz kommen. Ich will mich bei meinem Wettbewerb so gut wie möglich präsentieren. Ich will das bestmögliche Rennen machen.“
Arbeit an der Technik
Der Fokus lag in den vergangenen Wochen auf der optimalen Vorbereitung. Vor den Spielen hat Kohl noch mal ein Trainingslager besucht. Es ging darum, an der Technik zu feilen. Denn die bisherige Saison lief noch nicht so, wie Kohl es sich vorgestellt hatte. „Der Anfang meiner Saison war eigentlich noch relativ gut. Ich habe neue Bestleistungen hinbekommen, auch wenn die noch nicht so gut waren, wie wir uns das erhofft hatten. Anschließend wurde ich ein bisschen krank und habe danach auch selbst nicht mehr so daran geglaubt, dass die Zeiten so gut werden können. Und wenn der Kopf nicht mitspielt, geht es nicht“, blickt sie auf die letzten Monate zurück. „Bei meinen letzten Wettbewerben vor den Spielen habe ich mich aber wieder besser gefühlt und wieder daran geglaubt, an die Norm heranzukommen.“ Für die Qualifikationszeit reichte es am Ende nicht ganz.
Kohls Bestzeit über 100 Meter im Rennrollstuhl liegt bei 19,13 Sekunden, um sich über diese Distanz direkt für Paris zu qualifizieren hätte sie unter 18,25 bleiben müssen. Dank der Wildcard hat sie es dennoch zu den Paralympics geschafft, wo sie nun eine Bestzeit realisieren will. Dafür muss aber eben auch die Technik stimmen.
„Ich verfalle manchmal bei der Technik noch in alte Muster zurück“, erklärt Kohl. „Ich habe mir etwas angewöhnt, was falsch ist. Und das wegzubekommen, ist schwierig – vor allem, wenn man bei Wettbewerben unter Stress steht. Durch die Aufregung fällt man in dieses alte Muster zurück – und man merkt es selbst nicht. Man sieht es erst später im Video. Das war auch ein Hauptgrund, warum ich die Norm nicht geschafft habe.“
Konkret geht es um die Schlagtechnik. An den Rädern des Rennrollstuhls ist ein Greifring befestigt, diesen gilt es mit der richtigen Technik zu schlagen, um zu beschleunigen und hohes Tempo zu fahren. „Und das immer wieder und in einer hohen Frequenz, mit viel Kraft, um so schnell wie möglich voranzukommen“, erklärt Kohl. „Wenn ich es falsch mache, benutze ich nur den Unterarm. Es ist aber eigentlich eine Bewegung des ganzen Arms. Die Schulter muss mitarbeiten. Wenn man nur den Unterarm benutzt, ist der nach 50 Metern müde – und dann geht nichts mehr. Mit dem ganzen Arm kann man viel mehr Kraft aufbauen.“
Bestzeit als Ziel
Das will sie nun in Paris umsetzen. In Kohls T54-Kategorie werden am Mittwoch um 12.08 Uhr insgesamt 14 Rennrollstuhlathletinnen in einer ersten Runde gegeneinander antreten. Die acht schnellsten erreichen anschließend das Finale am Abend (20.30 Uhr). Da Kohl unter den gemeldeten Sportlerinnen die 13. Bestzeit hat, ist die Chance auf das Finale gering. „Dafür müsste sich Katrin extrem verbessern“, so ihr Trainer Stefan Strobel. „Wir hoffen einfach nur, dass sie einen guten Wettkampf hinlegt und danach sagen kann: Ich habe mein Bestes gegeben und bin einen super Wettkampf gefahren.“
Die Sportlerin selbst wünscht sich eine Bestzeit. „Es wäre großartig, nach dem Rennen in der Zeit endlich die 18 vorne stehen zu haben, weil das eigentlich das Ziel seit zwei Jahren ist“, sagt Kohl. „Das Hauptziel ist es aber, einfach besser zu fahren als bei den letzten Wettbewerben, weil die halt einfach wirklich nicht gut waren. Wenn eine neue Bestzeit herauskommt, bin ich umso glücklicher.“ Vieles wird dabei von der Tagesform abhängen. „Aufwachen, Essen, Callroom – alles muss bestmöglich abgestimmt werden. Und dann muss ich auf einen guten Start hoffen und Vollgas geben.“
Steckbrief
Katrin Kohl
Geboren am 17. Januar 1996
Sportart: Para-Leichtathletik (Rennrollstuhl)
Verein: Celtic Diekirch
Startklasse: T54
Persönliche Bestleistungen: 100 m in 19,13 Sek., 200 m in 35,73 Sek., 400 m in 1:08,37 Min., 800 m in 2:26,26 Min.
Paralympics-Teilnahmen: 1 (Paris 2024)
- Daniel Scheid: „Der Wechsel war nach der Verletzung die Chance, nochmal neu zu starten“ - 19. November 2024.
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