Oper der Fondation EME / Christine Bausch: „pOpera vereint Nationen, die sich derzeit bekriegen“
„pOpera“ von der Fondation EME bringt professionelle Kulturschaffende und Amateur*innen auf eine Bühne – das Ziel: gemeinsam eine Oper kreieren. Christine Bausch, Koordinatorin des Projekts, verrät im Interview mehr über das inklusive Projekt.
Tageblatt: Christine Bausch, wie entstand die Idee für „pOpera“?
Christine Bausch: Eine Mission der Fondation EME ist es, durch Musikprojekte die Inklusion zu fördern. Aus dem Grund bemüht sie sich um partizipative Projekte, die Menschen verbinden und Personen Musik näherbringt, die sonst keinen Zugang dazu haben. So veranstalten wir beispielsweise Konzerte in Unterkünften für „Newcomers“ (Menschen, die erst kürzlich nach Luxemburg gezogen sind und Asyl beantragt haben; d.Red.) oder in Altersheimen. Gleichzeitig möchten wir unseren Zielgruppen jedoch auch die Möglichkeit bieten, sich außerhalb dieser Strukturen zu bewegen – und in dem Kontext kommt „pOpera“ ins Spiel.
Ein Opernprojekt mit einem ungewöhnlichen Team …
Es ist ein inklusives Opernprojekt, das von 2023 bis 2026 läuft: Bis dahin sollen Berufskünstler*innen gemeinsam mit „Newcomers“ und weiteren Teilnehmer*innen eine Oper komponieren, die zum Abschluss 2026 mit dem Orchester der Philharmonie aufgeführt wird. Letztes Jahr fand eine erste, zwanzigminütige Show statt, um einen Einblick in die laufenden Arbeiten zu vermitteln. Diesen Sommer befanden wir uns in einer deutlich intensiveren Arbeitsphase: Die Teilnehmenden haben viel an der Geschichte der Oper gearbeitet; im Sommer haben sie sich unter der künstlerischen Leitung von Paolo Lameiro viermal wöchentlich getroffen, um Mitte September zwei Auftritte anzubieten. Auch sind dieses Mal der Dirigent Ivan Boumans und sieben professionelle Musiker dabei, die in Teilzeit für die Fondation EME arbeiten. Auf diese Weise lernen die Teilnehmenden, in einem professionellen Rahmen aufzutreten. Die einstündige Show soll später Teil der Oper werden.
Wir müssen jederzeit darauf eingestellt sein, dass Teilnehmer*innen aufgrund ihrer teils komplizierten Lebensumstände nicht mehr zu den Proben und Workshops erscheinen; dass sie das Land verlassen oder ihren Wohnort wechselnKoordinatorin „pOpera“
Inwiefern unterscheidet sich der Entstehungsprozess von dem einer Oper, bei der ausschließlich Berufsmusiker*innen mitwirken?
Unsere Bedingungen sind andere als die eines festen Orchesters oder künstlerischen Teams. Wir müssen jederzeit darauf eingestellt sein, dass Teilnehmer*innen aufgrund ihrer teils komplizierten Lebensumstände nicht mehr zu den Proben und Workshops erscheinen; dass sie das Land verlassen oder ihren Wohnort wechseln. Es gibt ein festes Team, doch wir bemühen uns weiter, ein Gleichgewicht zwischen Ortsansässigen, Berufskünstler*innen und anderen Teilnehmer*innen herzustellen. Zur Ausarbeitung einer Oper, aber auch um den inklusiven Aspekt des Projekts zu fördern, ist dies wichtig. Eine Oper entsteht nicht von heute auf morgen – wer mitmachen will, geht ein längerfristiges Engagement ein.
Wie gehen Sie konkret dabei vor?
Wir arbeiten eng mit der „Croix-Rouge“ und den unterschiedlichen Aufnahmeeinrichtungen für Newcomers zusammen. Die jeweiligen Verantwortlichen geben die Informationen an die potenziellen Teilnehmer*innen weiter. Darüber hinaus haben wir Aufrufe via Social Media und Culture.lu veröffentlicht sowie bei anderen Projekten der Fondation EME, wie dem Chor „All Together“, auf „pOpera“ aufmerksam gemacht. Inzwischen sind fünf Senior*innen von „All Together“ zum Opernprojekt dazugestoßen, was uns freut. Es ist schön, wenn die Projekte auf diese Weise ineinander übergehen. Wir sind aber immer noch auf der Suche nach Teilnehmenden für die finale Oper.
Was für Profile suchen Sie?
Das Projekt „pOpera“ steht allen Menschen offen, nicht nur „Newcomers“. Wir wollen niemanden durch ein Label stigmatisieren oder ausgrenzen, indem wir strenge Teilnahmekriterien festlegen. In dem Sinne wollen wir auch verstärkt auf Schulen und Kinderchöre zugehen, um junge Menschen in das Projekt einzubinden. Ähnlich inklusiv gestalten wir unsere Flyer: Wir werben nicht mit den Namen bekannter Solist*innen und Musiker*innen. Wir schätzen alle Teilnehmenden gleichermaßen wert.
Zwar können wir Asylbewerber*innen keine Zukunft in Luxemburg versprechen, doch wir können ihnen einen Safe Space bieten; einen Ort, an dem sie ihren Alltag hinter sich lassenKoordinatorin „pOpera“
Erhalten die Teilnehmenden eine Vergütung?
Die hauptberuflichen Künstler*innen bezahlen wir, die anderen Teilnehmer*innen hingegen nicht. Die Amateur*innen können jedoch kostenfrei an dem Projekt und allen Rahmenveranstaltungen teilnehmen. Sie erhalten Catering, während der Proben und Workshops, gratis Konzerttickets und – falls erwünscht – eine Teilnahmebestätigung – „pOpera“ wird als Integrationsmaßnahme anerkannt und kann sich gegebenenfalls als solche positiv auf den Entschluss über Asylanträge auswirken. Manche unserer Teilnehmenden verfügen aufgrund ihres Status zudem noch nicht über eine Arbeitserlaubnis, sie dürften also keine Bezahlung entgegennehmen.
Wie erleben Sie das Zusammenspiel zwischen den Berufskünstler*innen und den Amateur*innen?
Es ist wertvoll. Das sind Begegnungen auf Augenhöhe und es wird deutlich: Musik ist eine universelle Sprache, die Menschen verbindet.
Das Projekt erfüllt also Ihre Erwartungen.
Wir treffen auf Sprachbarrieren, weil wir Teilnehmende mit den unterschiedlichsten Kenntnissen vereinen. Davon abgesehen wurden alle meine Erwartungen übertroffen: Wir sind zu einer Familie zusammengewachsen. Zwar können wir Asylbewerber*innen keine Zukunft in Luxemburg versprechen, doch wir können ihnen einen Safe Space bieten; einen Ort, an dem sie ihren Alltag hinter sich lassen. Hier treffen Menschen in ähnlichen Lebenssituationen aufeinander; manchmal fragen die Teilnehmenden einander oder uns um Rat. Wir unterstützen sie, so gut es geht.
Was hat Sie bisher überrascht?
Oft wundern wir uns, im positiven Sinne: „pOpera“ vereint zahlreiche Nationen, die sich derzeit bekriegen oder in denen Konflikte wüten, während sie in unserer „Bubble“ in Frieden zusammenkommen.
Inwiefern spiegelt die Geschichte der Oper die Flucht der Asylbewerber*innen?
Die Geschichte, die der Oper zugrunde liegen wird, ist keine Fluchterzählung. Natürlich spiegelt sie die Gefühle und Erfahrungen der Teilnehmenden, doch soll es um mehr gehen als Migration, Flucht usw. Natürlich führen wir Gespräche über diese Themen, doch wenn wir proben und uns mit der Oper beschäftigen, rückt die künstlerische Arbeit in den Vordergrund – und die Teilnehmenden begreifen sich als Musiker*innen.
Worauf darf sich das Publikum am Mittwoch und am Donnerstag freuen?
Die Show spielt in einem Park. Das Publikum verfolgt einen Vater und seinen Sohn, hört zu, wie der Vater ihm von seinem Leben erzählt.
pOpera „in concert“
Die Vorführungen am 11. und am 12. September finden um 19 Uhr in der „Salle de musique de chambre“ der Philharmonie (1, place de l’Europe, L-1499 Luxemburg-Clausen) statt. Die kostenfreien Plätze müssen Sie per E-Mail contact@fondation-eme.lu reservieren.
Coming soon
Dies ist der erste von zwei Artikeln über das Projekt „pOpera“. Am Dienstag erscheint der zweite Teil: ein Gespräch mit dem Teilnehmer Ahmed Kassem über seine Leidenschaft für Musik, sein Verständnis von Inklusion und die Hoffnung, die „pOpera“ ihm geschenkt hat.
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