Editorial / Deutschlands Grenzen und Friedens Mission in Budapest
Polens Premier zürnt. Die Niederlande regen sich auf. Österreich ist empört. Und das ist nur ein Teil der Reaktionen auf die Ankündigung Deutschlands, von Montag an und für mindestens sechs Monate seine Grenzen enger zu kontrollieren und alle abzuweisen, die nicht hineindürfen. Das Ende von Schengen. Der endgültige Abschuss der eh kaum vorhandenen innereuropäischen Solidarität. Nicht konform mit geltendem internationalen Recht. Die Liste der Vorwürfe ist lang und wiegt schwer. Man kann es nicht anders sagen: Deutschlands Nachbarn sind außer sich.
Alle? Nein, einem kleinen Land scheint das alles eher egal zu sein. Aus Luxemburg, Pendlerland par excellence, gab es nach der Ankündigung keine scharfe Warnung Richtung Berlin zu hören. Während der Pandemie war das noch anders. Von Innenminister Léon Gloden (CSV) kam am Dienstag nur die sinngemäße Aussage, alles halb so wild, der Pendlerverkehr werde von den deutschen Grenzkontrollen „net impaktéiert“. Was man mit Menschen machen wird, die Deutschland nicht hineinlässt, bleibt derweil unklar.
Dass Deutschland mit seinem aktionistischen Vorpreschen das Schengener Abkommen aufs Spiel setzt, steht außer Frage. Kontrolliert unser größter Nachbar seine Grenzen, ist ein Dominoeffekt die logische Folge und auch andere Staaten dürften damit beginnen, ihre Grenzen engmaschiger zu überwachen. Die Folgen für die Freizügigkeit der Personen und für den europäischen Binnenmarkt wären erheblich und Europas Wirtschaft, um die es nicht zum Besten steht, würde weiter leiden. Deutschland, von AfD und inzwischen auch den Unionsparteien CDU und CSU in die Migrationshysterie getrieben, scheint das egal. Die Ampel ist angesichts der rechtsextremen Erfolge in zwei ostdeutschen Bundesländern, einer weiteren Landtagswahl in zwei Wochen, bei der ein ähnliches Szenario droht, und der 2025 anstehenden Bundestagswahlen derart unter Druck geraten, dass SPD, Grüne und Liberale alle Prinzipien über Bord geworfen haben. German Angst par excellence. Und eine viel größere Gefahr für die Zukunft Europas als autoritär auftretende Zampanos in Randstaaten der Union wie Ungarn.
Die europäische Migrationspolitik ist ein Trauerspiel. News sind das allerdings keine und das Spiel immer das gleiche. In Italien und Griechenland kommen die Leute an, doch den beiden Ländern wollten und wollen die anderen nicht ausreichend helfen. Also leiten Athen und Rom die Migranten unregistriert weiter, viele davon nach Deutschland, wo besonders nach dem Terroranschlag von Solingen die Sicherungen vollends durchgebrannt sind. Mit den oben beschriebenen Folgen für die ganze EU.
In Ungarn hat Viktor Orban nun medienwirksam Busse bereitstellen lassen, die Flüchtlinge und Migranten nach Brüssel bringen sollen. Auch das ist nur ein weiteres Zeichen dafür, wie kaputt die Diskussion um Migration und damit auch jene um menschliche Schicksale mittlerweile in Europa ist.
Am Donnerstag fliegt Luxemburgs Premier Luc Frieden nach Budapest zu seinem ersten persönlichen Treffen mit Orban, der sich im Juli, zum Auftakt der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft, noch mit Besuchen in Moskau und Peking aufspielte und von einer „Friedensmission“ sprach. Zu seinem Amtsantritt wurde Frieden von der internationalen Presse als möglicher „Orban-Flüsterer“ vorgestellt. Frieden widersprach der Darstellung umgehend. Ob Luxemburgs Premier nun zu einer Friedensmission im Sinne Europas aufbricht oder was die Mission Friedens in Budapest ist, wird der Donnerstag zeigen. Am Freitag geht es nach einem Abstecher nach Moldawien bereits retour. Dann sind Deutschlands Grenzen noch offen, der Schaden aber bereits angerichtet. Deutschlands Grenzkontrollen bedrohen Europa weit mehr als alle ungarischen Provokationen zusammen.
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