Editorial / Sicherer Drittstaat – Warum Luxemburg jetzt gegen die Grenzkontrollen intervenieren muss
Nancy Faeser kommt aus Hessen, einem der wenigen deutschen Bundesländer, die nicht an ein europäisches Nachbarland grenzen. Vielleicht muss man der deutschen Innenministerin deshalb nachsehen, dass sie nicht in der Lage ist, Europa, Schengen und die Großregion zu verstehen. Wie soll sich die Misere, die sich da anbahnt, ansonsten erklären lassen?
Seit Montagmorgen wird sie nämlich wieder kontrolliert, die deutsche Grenze zu Luxemburg. An der Autobahn A64 bei Trier ist ein Grenzposten eingerichtet. Permanent und jeden Tag stehen Polizisten dort und schauen in Autos. Sechs Monate lang, also bis Mitte März 2025. Auch an der Autobahn von Luxemburg nach Saarbrücken wird der einreisende Verkehr mit einer stationären Kontrollstation unter die Lupe genommen.
Nach Jean Asselborn, Paulette Lenert und Yuriko Backes wurde jetzt also auch Léon Gloden von seinem deutschen Counterpart übertölpelt. Im Interview mit dem Land berichtete Luxemburgs CSV-Innenminister noch am Freitag von einem Brief Faesers, in dem diese ihm erklärt, dass Kontrollen nur „sporadisch innerorts auf deutschem Staatsgebiet“ gemacht würden. Faeser wies demnach „auch ausdrücklich darauf hin, dass es nicht zu einer Behinderung des Personen- und Güterverkehrs kommen soll“.
Schaut man auf die Staus, die die beiden stationären Kontrollstellen alleine am ersten Tag im grenzüberschreitenden Pendlerverkehr verursacht haben, kann man nur feststellen: Das ist glatt gelogen.
Zur Rechtfertigung dieses Verbrechens am Geist von Schengen liefert Faeser – eine Sozialdemokratin wohlgemerkt – Gründe, die vor allem beinharten AfD-Fans das Herz höher schlagen lassen: Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Eindämmung der irregulären Migration. Fassen von Schleusern. Die Großregion, ein Moloch und Transitgebiet, durchsetzt und genutzt von Schleuserbanden, Terroristen und Waffenhändlern?
Tatsächlich kommt es jetzt zu realen Polizei-Handlungen, die an Spionage-Thriller über den Kalten Krieg erinnern: Falls bei einer Grenzkontrolle Menschen aufgegriffen werden, die nicht nach Deutschland einreisen dürfen, dann – so teilt die Trierer Bundespolizei mit – werden diese stellenweise tatsächlich nach Luxemburg zurückgewiesen. Dafür fahren deutsche Polizisten dann nach Wasserbilligerbrück und übergeben die betreffende Person an der Grenzbrücke nach Wasserbillig an ihre Kollegen in Luxemburg.
Menschen, die einen Antrag auf Asyl stellen – sie können das übrigens sogar direkt am neuen Grenzposten –, fallen nicht darunter. „Noch“, wie ein Sprecher der Bundespolizei am Montag nicht müde wurde, zu betonen. Denn in Berlin mahlen die Mühlen weiter, angetrieben vom Wind des Populismus. Nach den absurden Forderungen nach den jetzt bittere Realität gewordenen Grenzkontrollen steht schon der nächste Wunsch auf der Fuck-the-EU-Liste der Unionsparteien (und der AfD): Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückweisen – und in das Land zurückschicken, aus dem sie einreisen. In unserem Fall: Luxemburg.
Setzt die Ampelregierung in Deutschland ihren harten Kurs an den Grenzen fort und wagt sogar diesen nächsten Schritt? Das würde bedeuten, dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind und sich keines Verbrechens schuldig gemacht haben, am Parkplatz auf der A64 gestoppt werden, gehindert werden, nach Deutschland einzureisen – und im Kurzverfahren nach Luxemburg gebracht werden.
Die Luxemburger Regierung muss jetzt handeln und aufs Energischste in Berlin und Brüssel intervenieren. Nicht nur, um die grenzüberschreitenden Lebensmodelle und Volkswirtschaften der Großregion zu erhalten – sondern um den Gedanken der EU zu retten.
Ansonsten muss sich das Großherzogtum darauf gefasst machen, von der Bundesrepublik in Zukunft nicht mehr als gleichberechtigter Mitbegründer der Europäischen Union wahrgenommen zu werden – sondern nur noch als „sicherer Drittstaat“.
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