Editorial / Von der Leyens neue Kommission ist männlich rechts
Mit rund einer Woche Verspätung hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg die Zusammensetzung ihrer neuen Kommission vorgestellt, die eine ungerechtfertigte Hegemonialstellung der Europäischen Volkspartei (EVP) in dieser bedeutenden EU-Institution widerspiegelt. Immerhin 15 der 27 Mitglieder der künftigen Kommission gehören der EVP an oder können ihr zugerechnet werden. Das steht in keinem Verhältnis zu jener Mehrheitskoalition im Europäischen Parlament (EP) bestehend aus den EVP-Konservativen, den Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen, die die Kommissionschefin unterstützt. Dass diese selbst nur einen beschränkten Einfluss auf die Zusammensetzung ihrer Behörde hat und die nationalen Regierungen entscheiden, wen sie nach Brüssel entsenden, wurde am Dienstag mehrfach zur Erklärung manifester Unausgewogenheiten hervorgehoben. Etwa als die zwar angestrebte, jedoch verfehlte Parität zwischen Frauen und Männern im Gremium kritisiert wurde. Dennoch freute sich Ursula von der Leyen, dass sie den Frauenanteil von ursprünglich 22 Prozent nach Gesprächen mit verschiedenen Regierungschefs auf 40 Prozent heben konnte. Dieses Manko versuchte die Kommissionschefin damit zu kompensieren, indem sie vier Frauen und bloß zwei Männer zu geschäftsführenden Vizepräsidentinnen nominierte.
Doch auch die S&D-Fraktionschefin Iratxe García Pérez gab sich mit dieser Quote zufrieden. Wobei gerade die Spanierin, in deren Land sich die Regierung aus elf Frauen und nur sechs Männern zusammensetzt, Grund hätte, andere Maßstäbe zu fordern. Insgesamt gab sich die Sozialdemokratin nach der Vorstellung der neuen Kommission überraschend zahm und konziliant. Ganz im Gegensatz zu ihrem luxemburgischen Fraktionskollegen Marc Angel, der am Vortag in Luxemburg von der Leyens Vorgehen als „Schlamassel“ und „Chaos“ bezeichnet und gemeint hatte, viele aus der S&D-Fraktion fühlten sich über den Tisch gezogen.
Iratxe García Pérez störte sich auch wenig daran, dass nur vier Vertreter der Sozialdemokraten der neuen Kommission angehören, wobei ihre Fraktion doch die zweitstärkste Kraft im EP ist. Ungewöhnlich schnell hakte die S&D-Fraktionschefin eine Frage zu dem Umstand ab, dass der Spitzenkandidat ihrer Partei bei den Europawahlen, der luxemburgische EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit, der neuen Kommission nicht angehört. Immerhin hatten die Sozialdemokraten vergangene Woche in einer an Ursula von der Leyen gerichteten Warnung den Verbleib von Nicolas Schmit in der Kommission zu einer ihrer Bedingungen erhoben, andernfalls würden sie der Kommissionschefin die Unterstützung entziehen. Mit dem Verweis darauf, dass die luxemburgische Regierung anders entschieden hat, und der Aufforderung an ihre Fraktion, die Mehrheit im EP zu unterstützen, scheint für die Spanierin dieses Thema abgeschlossen zu sein.
Ein größerer Streitpunkt dürfte noch die Nominierung des italienischen Rechtsaußen Raffaele Fitto zu einem der geschäftsführenden Vizepräsidenten der Kommission werden. Doch anders als bei Liberalen, Grünen und Linken im EP fiel die Reaktion der S&D-Fraktionschefin eher gemäßigt aus, auch wenn sie die Ernennung des Postfaschisten aus der Regierung von Giorgia Meloni in die Kommissionsspitze als Problem ausmachte.
Für die Mitte-links-Fraktionen im EP ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, inwieweit sie es in den kommenden Wochen schaffen, nicht nur Politiker vom rechten Rand aus den Führungsetagen der Kommission herauszuhalten, sondern auch jene Repräsentanz in den Reihen der Kommissare erreicht, die ihren politischen Vorstellungen entspricht. Die Chancen dafür mögen gering sein, doch Ursula von der Leyen hat mit ihrer EVP allein keine Mehrheit im EP.
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