Nachruf / Luxemburgs Kulturszene verliert „Monument“: Fernand Fox stirbt im Alter von 90 Jahren
Mit dem Tod von Fernand Fox verliert Luxemburg ein Original, einen Volksschauspieler im nobelsten Sinn des Wortes. Und auch wenn er sich hauptsächlich im komödiantischen Register einen Namen machte, wo ihm sein fantastisches Timing zugutekam, konnte er dennoch in ernsten Rollen überzeugen. Über Jahrzehnte hinweg prägte er die Luxemburger Kulturszene. Auch aus den Wohnzimmern der Luxemburger war seine unvergessliche „Schnëss“ während gut zwei Jahrzehnten nicht wegzudenken.
Fernand Fox ist am 23. September im Alter von 90 Jahren gestorben. Das meldete RTL am Dienstag. Fox wurde am 26. Januar 1934 in Bollendorf-Pont bei Echternach geboren. Nach Tätigkeiten bei der Interbank und der Arbed eröffnete er in den achtziger Jahren ein Café, die „Theaterstuff“, gegenüber dem heutigen Grand Théâtre, wo sich Künstler, Schauspieler, Journalisten, Karikaturisten, verlorene Seelen und eine mehr oder weniger linke Bohème stritten, zusammenrauften, soffen und feierten.
Berühmt wurde Fox aber natürlich durch seine langjährige Bühnen- und Fernsehpräsenz. Er war nicht nur im Theater aktiv, sondern auch in TV-Spots (seine im Tandem mit Marc Olinger gedrehten Werbespots für die Lalux haben Werbegeschichte geschrieben und sind sozusagen ein luxemburgisches Pendant zu den berühmten „Jägermeister“-Reklamen der 70er), Filmen, Serien sowie Sketches zu sehen. Die Verleihung des Ranges des „Commandeur de l’ordre de mérite“ im Jahr 2019 krönte in gewisser Weise das Lebenswerk des bescheidenen „Amateurs“, der bis zur Pension immer einem nicht-künstlerischen Brotberuf nachging.
Er war ein herzensguter Mensch, den jeder mochte, ein Monument des Theaters und des Kinos, das nun nicht mehr da istRegisseur
War der Schauspieler nun unser Fernandel, Cantinflas, Karl Valentin – ein Volksschauspieler, der dem „Stacklëtzebuerger“ ein Gesicht und eine Stimme verlieh? Das müssen künftige Film- und Theaterwissenschaftler herausfinden. Für die Luxemburger, ob vor der Rampe oder der Glotze, im Kinosessel oder sonstwo, war er vor allem „de Foxe Fern“. Anders aber als der Hoppen Théid, dessen verschwitzte Volkstümlichkeit meist nur reaktionär ist, waren die Fox’schen Charaktere mal schelmisch, mal begriffsstutzig, oft grummelig, oft ein wenig vom Leben übertölpelt, aber nie weinerlich oder bösartig. In Andy Bauschs nostalgiegetränkten „Loser“-Filmen made im Minett sind diese Eigenschaften (das Theater ist ja leider ein ephemeres Medium) besonders gut zur Geltung gekommen. Was sich da zwischen „Drëpp“, Aschenbecher, Kegelbahn und Tagträumereien seinen Weg bahnte, war immer „pure Fox“. Das langjährige Rauchen und die dazugehörigen Stimmbänder waren wohl kein Einstellungskriterium, trugen aber wesentlich zur Patina der Filme bei.
In den zwei vom Regie-Trio Menn Bodson, Marc Olinger und Gast Rollinger gedrehten, RTL-produzierten Spielfilmen „Déi zwéi vum Bierg“ (1985) und „De falschen Hond“ (1989, nach einem Roman von Nikolaus Hein über die belgische Revolution von 1830) spielte Fernand Fox neben dem Who’s who der damaligen Theaterszene ebenfalls mit. Die beiden Produktionen haben Fernsehgeschichte geschrieben, zweifellos. Im „falschen Hond“ über die NS-Zeit spielte Fox den „Gielemännchen“ Jemp Zimmer genau so, wie man ihn spielen musste: ein geltungsbedürftiges, feiges, gleichzeitig prahlerisches und gesichtsloses Würstchen.
Mit dem luxemburgischen Theaterpionier Tun Deutsch, der ab den sechziger Jahren damit begonnen hatte, das verstaubte und oft diktatorisch geleitete Ensemble um Eugène Heinen für ein resolut modernes (Kasematten-)Theater hinter sich zu lassen, verband ihn eine besondere Freundschaft. Immerhin waren es die Jahre des sogenannten absurden Theaters, eines Beckett, Ionesco, Adamov, eines Pinter und Mrozek, und Fox verfügte in einem gewissen Sinne über eine „absurd-menschliche“ Ausstrahlung, von der man sich bisweilen gewünscht hätte, sie wäre im Film konsequenter angezapft worden und hätte ihm zumindest die eine große, tragische Rolle beschert. Mit „Die Emigranten“ des polnischen Dramatikers Mrozek feierten Deutsch und Fox auch in Paris bei Publikum und Kritik einen großen Erfolg – etwas, woran sich Fernand Fox noch 2007, als er im Kasemattentheater einen Einakter desselben Mrozek einstudierte, mit Stolz erinnerte. Mit einem gewissen Stolz empfing er auch den (einzigen) ausländischen Filmpreis, der ihm in seiner langen Karriere verliehen werden sollte: Für „Lingo Vino“ von Daniel Texter erhielt er in Montecatini in der Toskana auf dem Festival des Kurzfilms 2010 die Auszeichnung als bester Schauspieler.
Einen Humpen trinken
Der Luxemburger Regisseur Andy Bausch zeigt sich im Gespräch mit dem Tageblatt bestürzt über den Tod seines Kollegen. Nur wenige Minuten davor hatte er die traurige Nachricht gekriegt. Rund zehn Filme haben sie miteinander gedreht. Nun bedauert Bausch, dass er es nicht geschafft hat, Fox einen letzten Gastauftritt in seinem rezenten Film „Little Duke“ zu ermöglichen. Er hatte sich eine Szene mit Fox im Bistro ausgemalt, wo dieser einfach einen Humpen trinkt. Eine letzte Würdigung in einer Umgebung, die Fox mochte. Das sei bedauerlicherweise aber im Stress der Produktion versäumt worden.
Bausch erinnert sich noch an ihre erste Zusammenarbeit: Das war 1989 beim Dreh von „A Wopbopaloobop A Lopbamboom“. Fox hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahrzehnte als Schauspieler hinter sich, Bausch hingegen stand noch recht am Anfang seiner Karriere als Regisseur. Doch ein bestimmter Drehabend dürfte sicherlich auch für den erfahrenen Schauspieler eine Herausforderung gewesen sein, meint Bausch. Fox drehte damals eine gemeinsame Szene mit Thierry van Werveke, der allerdings etwas zu tief ins Glas geschaut hatte. Daraus habe sich letztendlich aber ein „schöner Kontrast“ ergeben.
Ein weiterer gemeinsamer Moment kommt Bausch im Gespräch mit dem Tageblatt in den Sinn: ein kurzer Werbefilm für die Lalux in den 90ern. Fox spielte darin Harry Potter und trug dabei eine Perücke – ein Bild, das hängen bleibt.
Bausch habe viele schöne Momente mit Fox erlebt: „Er war ein herzensguter Mensch, den jeder mochte, ein Monument des Theaters und des Kinos, das nun nicht mehr da ist.“
Im Leben begleitet wurde Fernand Fox von seinem treuen Gefährten Carlo. Und natürlich von all den Kollegen und Kolleginnen, den „thespians“, wie die Engländer sagen, die die Geburtsstunde einer luxemburgischen Kulturszene, so wie wir sie heute kennen und als „schon-immer-da-gewesen“ betrachten, mitgestalteten. Nun ist der Vorhang gefallen. Die Legende aber lebt weiter.
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