Editorial / Die Mücke und der Elefant
Gewalt im Fußball ist kein neues Phänomen und auch kein Problem des aktuellen oder vergangenen Jahrzehnts. Wenn es vor der eigenen Haustür passiert, dann sind die Menschen jedoch entsetzt. Es werden sich Fragen gestellt, zum Beispiel darüber, ob der Sport aggressiver geworden ist, ob die Menschen sich weniger im Griff haben oder wie zuschauerfreundlich ein Spiel eigentlich noch ist.
Seit den Schlägereien nach der Partie zwischen Wiltz und Niederkorn am vergangenen Samstag ist das Thema hierzulande wieder in aller Munde. Hat der Luxemburger Fußball also ein Gewaltproblem? Wohl eher nicht. Wer etwas anderes behauptet, ist nicht oft im Stadion. Auch die Behauptung, dass die Gewalt auf dem Platz zunehmen würde, ist wohl nicht zutreffend. Es gibt nicht mehr oder weniger Gelbe und Rote Karten als in den Jahren zuvor.
Solche Diskussionen erinnern mich immer wieder an die Geschichten meines mittlerweile verstorbenen Nachbarn. Er stand in den 60er und 70er Jahren auf dem Platz und erlebte mehrmals, wie ein Schiedsrichter mit dem Regenschirm angegriffen oder über den Platz gejagt wurde. Der Unterschied zu heute: Damals hat das keinen interessiert. Die Medien haben wenig darüber berichtet. Kneipen- oder Dorffest-Schlägereien waren schon fast normal.
Das bedeutet nicht, dass Gewalt ein Kavaliersdelikt ist; es zeigt aber ein weiteres Mal, wie oft heutzutage aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird.
Gekloppt wurde schon immer. Heute nicht mehr oder weniger als damals. Dass es ausgerechnet beim Fußball öfter zu Schlägereien kommt als beim Tennis, Handball oder Basketball, hat gleich mehrere Gründe. Es gibt zunächst einmal keine populärere Sportart als Fußball. Das bedeutet, dass eine hohe Anzahl an Menschen sich emotional mit diesem Thema beschäftigen. Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten, die oft eine andere Erziehung genossen haben oder einen anderen kulturellen Hintergrund haben. In keiner Sportart der Welt prallen so viele Extreme aufeinander. Hinzu kommt noch der emotionale Aspekt, der wohl größer ist als beispielsweise bei einer Kunstausstellung. Deshalb wird es eher selten vorkommen, dass sich zwei Besucher einer Vernissage wegen eines Bildes duellieren.
Als zivilisierter Mensch kann man nicht behaupten, dass es kein Problem gibt, wenn 30 Spieler und noch eine Handvoll Zuschauer aufeinander losgehen. Für ein solches Benehmen muss es Konsequenzen geben. Sportplätze sind kein rechtsfreier Raum, wo man die Nase des Gegenübers brechen kann, ohne dass man dafür bestraft wird. Allerdings sollte man auch die Moralkeule nicht zu sehr schwingen und Szenen, die erwiesenermaßen nicht zum Alltag auf den Sportplätzen gehören, überbewerten und dramatisieren.
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