Alain spannt den Bogen / Mit Spielfreude in die neue Saison: Auftakt und letzte Spielzeit für Gimeno
Saisonauftakt für das Luxembourg Philharmonic und das Orchestre de chambre du Luxembourg: Die einen beginnen mit einem unkonventionellen Programm, die anderen mit einem Benefizkonzert. Was gelang?
Es ist die zehnte und letzte Spielzeit für Chefdirigent Gustavo Gimeno. Für das erste Konzert hat er mit den Musikern des Luxemburg Philharmonic ein recht unkonventionelles Programm zusammengestellt, das zudem das Programm der anstehenden Spanien-Tournee im November ist.
Kindheitserinnerungen
Das Konzert, sozusagen die Generalprobe für die Tournee, begann mit Maurice Ravels Ballett Ma mère l’Oye, einem relativ kurzen Werk, in dem der Komponist in seine Kindheit zurückkehrt und wunderbar leichte und poetische Märchenmusik schafft, deren traumhafte Atmosphäre einen sofort gefangen nimmt. Gimeno arbeitet dann auch sofort die Stärken des Orchesters heraus: Feinste Linien entwickeln sich in größter Transparenz, die Musik erklingt sehr räumlich und mit viel Tiefe, die Präzision des Spiels unterstreicht die Architektur, während schönste Orchesterfarben eine märchenhafte Stimmung schaffen.
Es folgt das Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester von Dimitri Schostakowitsch mit den Solisten Seong-Jin Cho, Klavier und Simon Van Hoecke, Trompete. Dieses kontrastreiche Doppelkonzert, 1933 komponiert, ist vielleicht Schostakowitschs humoristischstes Werk, ein Konzert voller Märsche und Parodien auf die großen Meister wie Josef Haydn oder Ludwig van Beethoven. Gimeno dirigiert die Musik sehr klar und interpretiert eigentlich wenig. Die Streicher des Luxemburg Philharmonic, so weich und warm sie bei Ravel waren, klingen nun kontrastreicher, spitzer und virtuoser. Ihr Spiel bietet einen idealen und sehr sicheren Klangteppich für die beiden Solisten; Cho wie Van Hoecke spielen sehr expressiv, oft mit einem Augenzwinkern, ohne aber in ihrer Interpretation je zu übertreiben.
Nach der Pause stand dann Sergej Prokofiews selten aufgeführte 3. Symphonie auf dem Programm, ein hochexpressives, sehr düsteres Werk, dessen Musik auf Prokofiews posthum aufgeführter Oper Der feurige Engel basiert und fast die gleiche schockierende Intensität wie Schostakowitschs 4. Symphonie besitzt. Abgesehen von einigen Unsicherheiten im ersten Satz bei den Violinen bot das Luxembourg Philharmonic hier eine in allen Punkten herausragende Leistung.
Gimeno liegt diese Art von Musik. Er scheint es zu genießen, die oft harschen Klangbilder und wilden Melodien mit ihrer abstrakten Wirkung puzzleartig zu einem logischen und gut ausbalancierten Ganzen zusammenzufügen, wissend, dass er sich dabei voll und ganz auf die virtuosen Fähigkeiten seiner Musiker verlassen kann. Und so steht einer erfolgreichen Tournee nach Barcelona, Valencia und Madrid sowie einem Konzert in der Kölner Philharmonie nichts im Wege. Das zweite Programm dieser Tour mit der Solistin Iveta Apkalna, Orgel, und Werken von Claude Lenners, Ottorino Respighi und Francis Poulenc wird am 25. Oktober zu hören sein.
Komponistin begeistert
1974 wurde das heutige Orchestre de Chambre du Luxembourg gegründet und feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Für das erste Konzert dieser Jubiläumsspielzeit hatte man sich zusammen mit dem Rotary Club Esch Bassin Minier für ein Benefizkonzert zugunsten der ALAN – Maladies Rares Luxembourg entschieden. Der große Saal der Philharmonie war gut besetzt und das Publikum konnte sich auf ein ansprechendes Programm freuen.
Der Einstand gelang bereits furios. Die Musiker des OCL haben hörbar an Qualität hinzugewonnen und befinden sich derzeit auf einem erstaunlichen Niveau. Somit wurde Roller Coster : Super 8 (2014) der schwedischen Komponistin Katarina Leyman (*1963) zu einem akustischen Genuss. Man konnte die Spielfreude der Musiker in jeder Note hören, sodass das abwechslungsreiche, rund zehn Minuten dauernde Werk in ihrer Interpretation sehr dynamisch und quicklebendig daherkam. Das Spiel war transparent und klar, die Intonation sicher, der Klang ausgewogen.
Die im Saal anwesende Komponistin zeigte sich zum Schluss denn auch begeistert von der Aufführung, die unter der Leitung der Gastdirigentin Chloé van Soeterstède stattfand. Die Dirigentin fühlte sich dagegen hörbar unwohler bei Mozarts Violinkonzert Nr. 5, bei dem sie keine Akzente setzen konnte und mit einer durchwachsenen, eher langweiligen Interpretation nur eine sichere Begleitung für die Solistin bot. Und die war Weltklasse.
Alena Baeva verzichte bei ihrer Interpretation auf große Showeffekte und eine ausufernde Virtuosität. Stattdessen gestaltete sie den Part quasi aus dem Orchester heraus. Unaffektiert, aber sehr musikantisch, klangschön, aber nicht eitel, entlockte sie dem dunklen Klang ihres Instruments eine wunderbare Wärme, sodass Mozarts Konzert in großer Schönheit und mit musikantischer Raffinesse erklang. Baevas Tempi waren eher mäßig und ließen gerade deshalb viel Spielraum für eine sehr detailreiche Gestaltung voller großartiger und intimer Momente. Das Spiel blieb in jedem Moment rund und die tollen Kadenzen wurden nicht als „Hoppla, jetzt komm ich“-Kapriolen gespielt, sondern als klare Weiterführung der musikalischen Idee.
Auf dem richtigen Weg
Das Orchester, von der Dirigentin hier wenig gefordert, begleitete korrekt und überließ der Solistin den Vortritt. Alena Baeva bedankte sich für den begeisterten Applaus mit einer Caprice der polnischen Komponistin Gabriela Baczkiewicz. Standing Ovations gab es dann nach der Aufführung von Felix Mendelssohn-Bartholdys 4. Symphonie „Italienische“. Chloé van Soeterstède fühlte sich hier hörbar wohler als bei Mozart und bot eine durch und durch überzeugende Interpretation dieser Symphonie.
Wie uns vor einigen Jahren Yannick Nézet-Séguin und das Mahler Chamber Orchestra gezeigt hatten, eignen sich Mendelssohns Symphonien besonders gut für eine Kammerorchesterbesetzung. Das OCL erwies sich als äußerst reaktives Ensemble, das die schnellen Ecksätze gekonnt und virtuos umsetzte und insbesondere im langsamen Andante alle Emotionen, Farben und Schönheiten dieses Satzes hundertprozentig zu Gehör bringen konnte.
Kein Zweifel, das OCL ist auf bestem Weg, sich als ernstzunehmender Klangkörper zu etablieren. Dem Orchester ist zu wünschen, dass die Verantwortlichen nun auch hochkarätige Dirigenten verpflichten können, die das Ensemble weiter fordern und fördern und es so weiterbringen.
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