Editorial / Der lange Schatten
Ein Jahr ist vergangen seit dem Überfall der Hamas in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober 2023. Ein Jahr seit dem größten Angriff auf israelisches Gebiet in der Geschichte des Staates. Ein Jahr seit dem tödlichsten Juden-Pogrom seit der Shoah. Ein Jahr seit Beginn des Gaza-Krieges. Ein Jahr der Bilder und Videos und Nachrichten aus Gaza, aus Tel Aviv, aus dem Westjordanland, aus dem Libanon. Zerstörte Häuser, zerstörte Familien. Trauer, Gewalt und Wut. Ein Jahr und noch immer hält die Hamas israelische Zivilisten als Geiseln gefangen. Ein Jahr und noch immer schießen Hamas und Hisbollah Raketen aus Gaza oder dem Libanon auf israelische Städte und Dörfer.
So viel ist in diesem Jahr geschehen. Der 7. Oktober 2023 und seine Auswirkungen haben die Region, haben die Welt grundlegend verändert. Da ist die internationale Kritik, die der israelischen Regierung und dem Militär entgegenschlägt für die vielen toten Zivilisten, die ihr Krieg gegen Hamas und Hisbollah fordert. Israel ist auf der Weltbühne zunehmend isoliert. Selbst engste Verbündete wie die USA oder Deutschland üben Kritik. Der israelische Premier Netanjahu sieht sich mehr und mehr zu Alleingängen gezwungen. Israel muss sich verteidigen. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr feuert der Iran direkt Raketen auf das Land des Erzfeindes. Israel ist existenziell bedroht. Netanjahu spielt das in die Karten. Ein Ende des Krieges gegen die selbsternannte „Achse des Widerstands“ würde für ihn eine Zeit der Abrechnung einläuten – auch und vor allem mit dem eigenen Volk.
Dabei gibt es schon genug Unsicherheit. Das ohnehin bereits einsturzgefährdete Staatsgebilde Libanon droht im Konflikt zwischen Israel und der Terrormiliz Hisbollah ganz zerrieben zu werden. In Jordanien wachsen die Spannungen zwischen Politik und Bevölkerung aufgrund der Unterstützung des Königsreichs für die israelische Luftabwehr gegen iranische Angriffe.
Doch der lange Schatten des 7. Oktober reicht weit über den Nahen Osten hinaus. Der Israel-Palästina-Konflikt hat seit jeher politische Lagerbildung in der westlichen Welt befeuert. Doch im Empörungsklima der Radikalisierungsmaschinen Social Media ist auch dieser Konflikt eskaliert. Menschenrechtler, die für das Leid der Palästinenser einstehen, stehen plötzlich neben Hamas-Sympathisanten. Postkoloniale Theorien, die einst für eine universelle Befreiungsbewegung argumentierten, werden für den Kampf „Wir gegen die“ rekrutiert. In westlichen Gesellschaften wächst der Judenhass. Auch der muslimische. Was wiederum eine Migrationsdebatte befeuert, sich mit dem ohnehin schon ressentimentgeladenen Klima in vielen europäischen Staaten vermischt und den politischen Rechtsruck allerorts verstärkt.
Der 7. Oktober 2023 hat Israelis und Juden auf der ganzen Welt getroffen. Seine Auswirkungen aber bekommen wir alle zu spüren.
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